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Urteile zum Thema:

Kündigung

  • Zentrale Rolle von BEM bei krankheitsbedingter Kündigung
    Im vorliegenden Fall geht es um eine langandauernd erkrankte Verkäuferin in einer Drogerie. Sie wurde während einer laufenden Integrationsmaßnahme der Deutschen Rentenversicherung (Teamwork als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben) krankheitsbedingt gekündigt. Zuvor wurde der Frau bereits dreimal ein BEM angeboten. Die Termine kamen allesamt nicht zustande.
    Ob eine Kündigung wegen Krankheit sozial gerechtfertigt ist oder nicht wird in drei Schritten geprüft:

    negative Zukunftsprognose,
    erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und
    Interessenabwägung.
    Das Arbeitsgericht Aachen entschied, die Interessenabwägung zugunsten der Verkäuferin und erklärte die Kündigung für unwirksam. Die Kündigung ist unverhältnismäßig, wenn sie als letztes Mittel nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Für das Gericht spielte das BEM die zentrale Rolle bei der Verhältnismäßigkeit. Mit Hilfe des BEM hätten mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt und entwickelt werden können.
    Das BEM wurde zwar angeboten, aber nicht ordnungsgemäß und vor der Kündigung nicht erneut angeboten.

    Das BEM ist ein ergebnisoffener Suchprozess, zur Ermittlung individueller Lösungen, um künftiger Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen.
    Das SGB IX lässt den Beteiligten beim BEM jeden erdenklichen Spielraum zu, mit welchen Leistungen, Maßnahmen oder Hilfen das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
    Arbeitsgericht Aachen 27.09.2022 – 2 Ca 1346/22

  • Kündigung unwirksam bei einseitig abgebrochenem BEM
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Beschäftigten bei dem regelmäßig BEM-Gespräche durchgeführt wurden. Nachdem ein erneuter Termin wegen Arbeitsunfähigkeit des Mannes abgesagt wurde, erklärte der Arbeitgeber das BEM für beendet und kündigte krankheitsbedingt.
    Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat entschieden, dass ein BEM nur den Rahmen eines verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozesses vorgibt. Es sollen individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermittelt werden, ohne explizit vorzusehen, wann dieser Suchprozess abgeschlossen ist. Ein BEM ist dann abgeschlossen, wenn Arbeitgeber und Betroffener darin übereinstimmten, dass der Suchprozess durchgeführt worden ist oder nicht weiter durchgeführt werden soll. Das Arbeitsgericht hat die Kündigung für unwirksam erklärt, weil wegen einseitiger Beendigung, kein regelkonformes BEM durchgeführt worden ist.
    Interessanterweise hat das Arbeitsgericht auch wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrates die Kündigung für unwirksam erklärt. In der Anhörung hatte der Arbeitgeber behauptet, das BEM-Verfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt und beendet worden. Was nicht der Fall war, da der Arbeitgeber die Beendigung einseitig beschlossen hatte.
    Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven 24.02.2022 – 8 Ca 8152-21
  • Nichtabmelden für Raucherpausen ist Arbeitszeitbetrug
    Im vorliegenden Fall verstieß eine Beschäftigte gegen eine Dienstvereinbarung, die beim Betreten und Verlassen der Dienststelle und bei Raucherpausen ein Ein- bzw. Ausstempeln regelte. Innerhalb eines kurzen Zeitraums verstieß sie bis zu siebenmal pro Tag gegen die Vereinbarung.
    Der Arbeitgeber kündigte wegen Arbeitszeitverstößen und Weigerung, sich an die Weisung zu halten. Das Landesarbeitsgericht Thüringen bestätigte die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Weder eine mögliche Nikotinabhängigkeit ließ das Gericht gelten noch die Tatsache, dass sog. wilde Raucherpausen, ohne Stempeln, an der Tagesordnung waren.
    LAG Thüringen 03.05.2022 Az 1 Sa 18/21
  • Drei-Wochen Frist bei Kündigungsschutzklage
    Die Drei-Wochen Frist bei Kündigungsschutzklage ist auch bei Falschaussage des Betriebsrats gültig.
    Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte einen Fall zu urteilen, bei dem ein langjährig beschäftigter Maschinenführer, außerordentliche gekündigt wurde. Der Beschäftigte erhielt am 29.10.2020 seine Kündigung. Dagegen legte er am 24.11. Kündigungsschutzklage ein, was verspätet war. Eine Kündigungs-schutzklage hätte innerhalb von drei Wochen beim Arbeitsgericht eingelegt werden müssen (§ 4 KSchG).
    Der Gekündigte gab an, dass er nach Erhalt der Kündigung vom Betriebsratsvorsitzenden informiert wurde, dass der Betriebsrat per E-Mail über die Kündigung informiert worden sei, und eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung nicht stattgefunden hat. Der Betriebsrat wolle der Kündigung auch widersprechen. Der Gekündigte müsse sich daher um nichts weiter kümmern und brauche auch keine Klage einzureichen.
    Das LAG musste sich also mit der Frage befassen, ob diese objektive Falschaussage des Betriebsratsvorsitzenden eine Auswirkung auf die zu spät eingereichte Kündigungsschutzklage hat. Und diese ausnahmsweise zulässig wäre.
    Das LAG gewährte aber keine nachträgliche Zulassung. Diese kommt nur dann in Betracht, wenn sich Gekündigte an eine zur Erteilung von Auskünften geeignete, zuverlässige Stelle wenden und von dort eine für die Fristversäumnis ursächliche unrichtige Auskunft erhalten. Ein Betriebsrat ist nach Auffassung des Gerichts keine zur Erteilung von Rechtsauskünften geeignete Stelle, so dass dessen unrichtige Auskunft die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht rechtfertigen kann. Der Betriebsrat ist der Vertreter der Belegschaft in kollektiven Fragen. Für Einzelinteressen der Beschäftigten, insbesondere für die Durchsetzung individueller Ansprüche, ist er nicht zuständig. Die Kündigungsschutzklage war verspätet, der Beschäftigte verpasste die Frist. Daher ist die Kündigung wirksam.
    Betriebsräte sollten sich mit Rechtsauskünften zurückhalten und gekündigten Beschäftigten empfehlen, schnellstmöglich einen geeigneten Rechtsanwalt oder den gewerkschaftlichen Rechtsschutz zu beauftragen. Die Revision zum BAG ist zugelassen. Das Gericht wird sich also mit der Frage beschäftigen müssen, ob der Betriebsrat nicht doch eine zur Erteilung von Rechtsauskünften geeignete Stelle ist.
    LAG Hamm 11.01.2022 Az 14 Sa 938/21
  • Kündigung per WhatsApp unwirksam
    Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bedarf der Schriftform. Ein abfotografiertes Kündigungsschreiben, das dem Empfänger allein per WhatsApp übermittelt wird, genügt nicht den Formerfordernissen und ist somit nichtig.
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Arbeitnehmer der betrunken am Arbeitsplatz erschienen war. Er wurde außerordentlich gekündigt, indem er ein abfotografiertes, unterschriebenes Kündigungsschreiben per WhatsApp erhielt.
    In der Kündigungsschutzklage machte der Mann geltend, dass die per Messenger übermittelte Kündigung mangels Schriftform unwirksam sei.
    Das LAG entschied, dass die per WhatsApp zugestellte Kündigung nicht dem Schriftformerfordernis nach § 126 Abs. 1 BGB genügt. Eine Erklärung unter Abwesenden wird erst wirksam, wenn sie dem Empfänger “in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zugeht”.
    Landesarbeitsgericht München 28.10.2021 Az.: 3 Sa 362/21
  • Paletten-Diebstahl
    Dass nicht jeder Diebstahl gleich zu einer Kündigung führt, zeigt folgender Fall, den das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln zu entscheiden hatte. Ein Betrieb wollte sein Lager ausmisten und erlaubte den Beschäftigten diverse Boxen und Kisten mit nach Hause zu nehmen.
    Ein Produktionsleiter ließ offen drei Holzpalette in sein Auto verladen und spendete diese später einem Verein für dessen Osterfeuer.
    Der Mann wurde außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt wegen Diebstahl. In dem Betrieb war es aber üblich, dass alte Palette als Brennholz mit nach Hause genommen werden durften.
    Die Mitnahme der Palette und die Verbrennung stellt zwar eine erhebliche Pflichtverletzung dar, so das LAG. Allerdings fällt die Interessenabwägung zugunsten des Produktionsleiters aus.
    Nach 10 Jahren Betriebszugehörigkeit reicht die Pflichtverletzung nicht für eine außerordentliche Kündigung aus. Eine Abmahnung als milderes Mittel hätte ausgesprochen werden müssen. Gleiches gilt für die ordentliche Kündigung, die ebenfalls unwirksam ist.
    Der Wert der Paletten sei zu gering. Bei der Tat zeigte sich zu wenig kriminelle Energie. Die Tatbegehung war zu wenig heimlich und das Gesamtbild der Tat – Verbrennen von Verpackung beim Osterfeuer – sei zu banal, so das Gericht.
    LAG Köln 06.07.2023 Az. 6 Sa 94/23
  • Probezeitkündigung
    Im Newsletter 03/2022 haben wir berichtet, dass der EuGH (10.02.22-C-485/20) eine Kündigung in der Probezeit für unzulässig erklärt hat. Arbeitgeber müssen künftig prüfen, ob sie alternative Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung haben, bevor sie diese kündigen, weil sie für die bisherige Stelle nicht mehr geeignet sind.
    Die Vorabentscheidung des EuGH hat große praktische Bedeutung für das deutsche Arbeitsrecht. Prof. Franz-Josef Düwell von der Uni Konstanz schreibt in Schwerbehindertenrecht und Inklusion (4/2022) von einer wichtigen Weichenstellung für die Rechtslage in Deutschland.
    Der EuGH stellt bei der Pflicht des Arbeitgebers, einen alternativen Arbeitsplatz für einen Beschäftigten mit Behinderung zu suchen, auf Artikel 5 der Anti-Diskriminierungs-Richtlinie 2000/78/EG ab, die eine der Richtlinien ist, auf denen in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beruht. Bislang galt eine BAG-Rechtsprechung von 2016, nach der Arbeitgeber nicht verpflichtet waren, innerhalb der Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ein Präventionsverfahren gemäß 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass Arbeitgeber das Recht haben, frei von Kündigungsbeschränkungen den schwerbehinderten Menschen zu erproben, ob das Arbeitsverhältnis dauerhaft fortgesetzt wird. Diese Rechtsprechung ist mit der EuGH-Entscheidung nicht weiter vereinbar.
    Prof. Düwell schreibt weiter, dass das BAG seine Rechtsprechung ändern muss. Zwar besteht in den ersten 6 Monaten weiter weder ein allgemeiner Schutz vor Kündigung (§ 1 Abs. 1 KSchG) noch ein besonderer Schutz mit Zustimmungserfordernis durch das Integrationsamt (§ 173 Abs. 1 Nr.1 SGB IX). Aber in dieser Zeit besteht nun keine völlige Kündigungsfreiheit mehr. Arbeitgeber müssen das Benachteiligungsverbot wegen Behinderung beachten und angemessene Vorkehrungen zur behinderungsgerechten Beschäftigung prüfen und treffen. Ist bei fehlender Eignung für die bisherige Arbeit ein anderweitiger behinderungsgerechter Einsatz möglich, ohne dass der Arbeitgeber unzumutbar belastet wird, stellt sich eine Kündigung gegen über einem schwerbehinderten Menschen dar, als verbotene diskriminierende Kündigung (§164 Abs. 2 SGB IX i.V.m. § 134 BGB). Bei Menschen mit Behinderung, die nicht schwerbehindert oder diesen gleichgestellt sind, ergibt sich die Unwirksamkeit aus dem allgemeinen Benachteiligungsverbot in § 7 AGG i.V.m. § 134 BGB.
    Quelle: Prof. Franz-Josef Düwell Schwerbehindertenrecht und Inklusion (4/2022)
  •  Probezeitkündigung eines behinderten Menschen
    Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat entschieden, dass Arbeitgeber, bevor sie Menschen mit Behinderungen kündigen, eine andere behindertengerechte Stelle suchen müssen. Selbst dann, wenn dieser Mensch aufgrund seiner Behinderung, ungeeignet für seine bisherige Stelle ist.
    Dies gilt auch dann, wenn sich der betroffene Mensch noch in einer Probezeit befindet.
    Art. 5 der Anti-Diskriminierungs-Richtlinie 2000/78 konkretisiert das in Art. 21 der Grundrechtscharta niedergelegte Diskriminierungsverbot sinngemäß:
    „Um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, sind angemessene Vorkehrungen zu treffen.“
    Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten.
    EuGH 10.2.2022- C‑485/20
  • Krankheitsbedingte Kündigung
    Auch bei negativer Gesundheitsprognose eines Beschäftigten kann eine krankheitsbedingte Kündigung unwirksam sein.
    Krank­heits­be­ding­te Kündi­gungen sind Kündi­gungen, die Ar­beit­ge­ber we­gen er­heb­li­cher krank­heits­be­ding­ter Ver­tragsstörun­gen (Leistung und Gegenleistung aus dem Arbeitsvertrag) aus­sprechen. Sie sind die wich­tigs­ten Un­ter­fälle der or­dent­li­chen Kündi­gung aus Gründen, die in der Per­son der Beschäftigten liegen.
    Als krank­heits­be­ding­te Kündi­gungen be­zeich­net man da­her alle von Ar­beit­ge­bern aus­ge­spro­che­nen per­so­nen­be­ding­ten Kündi­gungen, mit denen Beschäftigten, die durch das Kündigungsschutzgesetz geschützt sind, trotz­dem in recht­lich zulässi­ger Wei­se or­dent­lich gekündigt wer­den kann, falls die Beschäftigten auf­grund Krank­heit ihren Ar­beits­ver­trag künf­tig nicht mehr erfüllen können.
    Nach der Recht­spre­chung müssen die fol­gen­den drei Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen, da­mit krank­heits­be­ding­te Kündi­gungen wirk­sam sind. Fehlt auch nur ei­ne die­ser Vor­aus­set­zun­gen, kann eine Kündi­gung un­wirk­sam sein:

    Es müssen zum Zeit­punkt der Kündi­gung Tat­sa­chen vor­lie­gen, die die Pro­gno­se wei­te­rer Er­kran­kun­gen der Beschäftigten in dem bis­he­ri­gen Um­fang recht­fer­ti­gen. Die­se Vor­aus­set­zung heißt ne­ga­ti­ve Zukunfts- oder Gesundheitspro­gno­se.
    Es muss fest­ste­hen, dass die zu er­war­ten­den Fehl­zei­ten der Beschäftigten zu ei­ner er­heb­li­chen Be­ein­träch­ti­gung der be­trieb­li­chen oder wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen der Ar­beit­ge­ber führen. Ei­ne sol­che Interessenbeeinträchtigung liegt vor al­lem dann vor, wenn es auf­grund der Fehl­zei­ten zu Störun­gen des Betriebsablaufs oder zu er­heb­li­chen Be­las­tun­gen der Ar­beit­ge­ber mit Lohn­fort­zah­lungs­kos­ten kommt.
    Sch­ließlich muss ei­ne In­ter­es­sen­abwägung vor­ge­nom­men wer­den. Sie muss zu­guns­ten der Ar­beit­ge­ber aus­ge­hen, d.h. sie muss er­ge­ben, dass bei ei­ner um­fas­sen­den Abwägung bei­der­sei­ti­ger In­ter­es­sen un­ter Berück­sich­ti­gung der Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses, der Krank­heits­ur­sa­chen, der Fehl­zei­ten ver­gleich­ba­rer Beschäftigter und des jeweiligen Le­bens­al­ters die oben fest­ge­stell­te Be­ein­träch­ti­gung der In­ter­es­sen nicht mehr wei­ter zu­ge­mu­tet wer­den kann.
    In dem Fall, den das BAG entschieden hat, ging es um eine, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Arbeitnehmerin, die von 2012 bis 2018 in unregelmäßigen Abständen arbeitsunfähig erkrankt war. Teilweise bestand für die Arbeitgeberin keine Entgeltfortzahlungspflicht. Die Arbeitgeberin gewährte der Arbeitnehmerin während der Erkrankung Zuschüsse zum Krankengeld, eine tarifliche Einmalzahlung, sowie den Bezug von Jubiläumsaktien. Zudem erhielt sie unter anderem Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld. Die Zahlungen beruhten auf einer Betriebsordnung bzw. auf Vereinbarungen mit dem Gesamtbetriebsrat. 2018 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis aufgrund der wirtschaftlichen Belastung durch die Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin.
    Das BAG bestätigte die Unwirksamkeit der Kündigung. Obwohl bei der Arbeitnehmerin eine negative Gesundheitsprognose bestanden habe, sei die Kündigung unwirksam, da sich für die Arbeitgeberin keine erheblichen künftigen Beeinträchtigungen des Austauschverhältnisses ergeben. Für die Arbeitgeberin sei es daher zumutbar, über die Dauer der Kündigungsfrist hinaus an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten, denn die Zuschüsse zum Krankengeld, als freiwillige Leistungen, seien nicht zu Lasten der Arbeitnehmerin zu berücksichtigen. Die Zuwendung von Jubiläumsaktien erfolgte nach Vereinbarung allein wegen der Zurücklegung einer bestimmten Dienstzeit. Diese Gegenleistung habe die Arbeitgeberin ungeachtet der Krankheitszeiten der Arbeitnehmerin voll erhalten. Beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld sei davon auszugehen, dass hiermit allein der Bestand des Arbeitsverhältnisses und nicht auch eine Arbeitsleistung im Bezugszeitraum honoriert werden sollte, deshalb sei durch die Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin keine Störung im Austauschverhältnis eingetreten. Die Arbeitgeberin habe nach § 4a EFZG grundsätzlich das Risiko zu tragen, diese Leistungen ungeachtet der ganzjährigen Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin erbringen zu müssen.
    BAG (22.07.2021) Az 2 AZR 125/21

  • Kündigung unwirksam
    Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist unwirksam, wenn die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung (SBV) nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Im vorliegenden Fall ging es um die ordentliche Kündigung einer Verwaltungsangestellten mit GdB 50.
    Die SBV erhielt lediglich eine Kopie der Anhörung des Personalrats zur Kenntnis.
    Das Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern entschied, dass die Kündigung gemäß § 179 (2) Satz 3 SGB IX unwirksam ist. Eine ordnungsgemäße Anhörung der SBV hatte nicht stattgefunden. Die Kopie wertete das LAG als reine Information über das Beteiligungsverfahren des Personalrats. Die SBV konnte dem Dokument nicht entnehmen, dass sie sich inhaltlich zum Fall hätte äußern dürfen.
    Vor der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist die SBV nicht nur zu informieren, sondern anzuhören. Anhörung meint dabei, dem Angehörten Gelegenheit zur Äußerung zu geben und diese Äußerung entgegenzunehmen sowie sich ggf. mit ihr auseinanderzusetzen. Und das bedeutete auch, dass es der SBV ermöglicht wird, etwas vorzubringen oder eine Stellungnahme abzugeben, die bei der Entscheidungsfindung zumindest bedacht wird. Daran fehlte es.
    LAG Mecklenburg-Vorpommern Az. 5 Sa 127/22
  • Kündigung – 10 Minuten können reichen
    Arbeitszeitbetrug ist Arbeitszeitbetrug; selbst wenn es nur um 10 Minuten geht, kann die Folge eine außerordentliche Kündigung sein.
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Reinigungskraft mit GdB 100, die nach dem Einstempeln ihren Arbeitsplatz verlassen hatte, um sich gegenüber der Straße in einem Café noch einen Kaffee zu holen. In dem Betrieb gab es eine elektronische Zeiterfassung, und es war Pflicht, Beginn und Ende der Arbeitszeit und die Pausen zu stempeln. Dies unterließ die Frau beim Kaffeeholen.
    Nach Einholung der Zustimmung beim Integrationsamt kündigte der Arbeitgeber der Reinigungskraft fristlos.

    Das LAG Hamm hielt die Kündigung für rechtens. Der Vertrauensbruch sei enorm. Arbeitgeber müssen auf die korrekte Dokumentation der Arbeitszeit vertrauen können. Gemäß § 626 BGB lag hier ein so wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor, dass es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten war, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu warten. Eine Abmahnung sei entbehrlich.
    Interessant an dem Fall ist zusätzlich die Tatsache, dass andere Gerichte in der Vergangenheit wegen solch kurzer Zeitspannen eine Abmahnung verlangt haben (vgl. LAG München 14.1. 2021 Az. 3 Sa 836/20).
    Das LAG Hamm dagegen, kam zu der Auffassung, dass eine Abmahnung nicht zu einer Verhaltensänderung geführt hätte. Im Fall der Reinigungskraft kam erschwerend hinzu, dass sie sich nicht reumütig und geständig gezeigt, sondern zuerst versucht hatte, den Betrug zu leugnen.
    LAG Hamm 27.01.2023 Az 13 Sa 1007/22

  • Sonderkündigungsschutz einer SBV
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Vertrauensperson der Schwerbehinderten Menschen, die gegen eine, aus ihrer Sicht, Benachteiligung bei der Bezahlung vorgegangen war. Sie beantragte entsprechende Gehaltserhöhungen bzw. eine Beförderung. Dabei bezog sie sich auf sog. Vergleichspersonen und benannte im Verlauf konkrete Beispiele für deren Beförderung bzw. Gehaltssteigerungen.
    Ihr Arbeitgeber sah darin einen eklatanten Verstoß gegen das arbeitsvertragliche Vertrauensverhältnis, die Geheimhaltungspflicht und den Datenschutz. Die SBV wurde außerordentlich mit Zustimmung des BR und des Integrationsamtes gekündigt.
    Das Landesarbeitsgericht Hamburg erklärte die Kündigung für unwirksam. Den ganzen Artikel zum Thema findet ihr im Hamburger Abendblatt.
    Eine Revision wurde nicht zugelassen.
  • Kündigungsschutzklage nachträglich
    Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) regelt grundsätzlich, dass nach Zugang einer Kündigung die Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht eingegangen sein muss. Das dem nicht immer so ist, hat jetzt das Arbeitsgericht Iserlohn bei einem schwerbehinderten Menschen entschieden.
    Der schwerbehinderte Mann wurde gekündigt, ohne vorher die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen, obwohl die Schwerbehinderung dem Arbeitgeber bekannt war. Kündigungsschutzklage erhob der Mann zunächst nicht.
    Erst nach Beratung durch den DGB-Rechtsschutz wurde 5 Monate später die Kündigungsschutzklage eingereicht.
    Das Arbeitsgericht erklärte die Kündigung wegen fehlender Zustimmung des Inklusionsamtes für nichtig. Die Kündigung ist nicht deshalb wirksam, weil der Mann die Klagefrist versäumt hat. Das Kündigungsschutzgesetz bestimmt, dass die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Beschäftigten zu laufen beginnt, wenn die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf
    Weil das bei schwerbehinderten Menschen so ist und dem schwerbehinderten Mann zu keinem Zeitpunkt eine Zustimmung des Inklusionsamtes bekannt gegeben worden war, hat die Klagefrist nicht zu laufen begonnen.
    § 4 KSchG regelt: „Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.“
    Schwerbehinderte Menschen können also bei Nichtbeteiligung des Integrationsamtes auch nach den 3 Wochen noch gegen die Kündigung vorgehen. Dies sollten sie aber innerhalb von 6 Monaten tun, siehe § 5 KSchG.
    AG Iserlohn 24.10.2023 Az. 4 Ca 675/23
  • Probezeitkündigung eines Azubis
    Im vorliegenden Fall hatte ein Azubi ein Video veröffentlicht, in dem er die Berichterstattung seines Arbeitgebers zum Überfall der Hamas auf Israel als Lüge bezeichnete. Der Arbeitgeber kündigte den Azubi daraufhin in der Probezeit.
    Der Azubi machte seine Meinungsfreiheit geltend und war der Auffassung, dass die Kündigungen gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstößt.
    Das Arbeitsgericht (AG) Berlin entschied, dass das Arbeitsverhältnis jederzeit in der Probezeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden kann. Eine Maßregelung sah das Gericht nicht, nur eine berechtigte Wahrnehmung unternehmerischer Interessen.
    AG Berlin 22.05.2024 Az.: 37 Ca 12701/23
  • Sonderkündigungsschutz einer SBV
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Vertrauensperson der Schwerbehinderten Menschen, die gegen eine, aus ihrer Sicht, Benachteiligung bei der Bezahlung vorgegangen war. Sie beantragte entsprechende Gehaltserhöhungen bzw. eine Beförderung. Dabei bezog sie sich auf sog. Vergleichspersonen und benannte im Verlauf konkrete Bei-spiele für deren Beförderung bzw. Gehaltssteigerungen.
    Ihr Arbeitgeber sah darin einen eklatanten Verstoß gegen das arbeitsvertragliche Vertrauensverhältnis, die Geheimhaltungspflicht und den Datenschutz. Die SBV wurde außerordentlich mit Zustimmung des BR und des Integrationsamtes gekündigt.
    Das Landesarbeitsgericht Hamburg erklärte die Kündigung für unwirksam. Den ganzen Artikel zum Thema findet ihr im Hamburger Abendblatt.
    Eine Revision wurde nicht zugelassen.
  • Kündigung unwirksam
    Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist unwirksam, wenn die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung (SBV) nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Im vorliegenden Fall ging es um die ordentliche Kündigung einer Verwaltungsangestellten mit GdB 50.
    Die SBV erhielt lediglich eine Kopie der Anhörung des Personalrats zur Kenntnis.
    Das Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern entschied, dass die Kündigung gemäß § 179 (2) Satz 3 SGB IX unwirksam ist. Eine ordnungsgemäße Anhörung der SBV hatte nicht stattgefunden. Die Kopie wertete das LAG als reine Information über das Beteiligungsverfahren des Personalrats. Die SBV konnte dem Dokument nicht entnehmen, dass sie sich inhaltlich zum Fall hätte äußern dürfen.
    Vor der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist die SBV nicht nur zu informieren, sondern anzuhören. Anhörung meint dabei, dem Angehörten Gelegenheit zur Äußerung zu geben und diese Äußerung entgegenzunehmen sowie sich ggf. mit ihr auseinanderzusetzen. Und das bedeutete auch, dass es der SBV ermöglicht wird, etwas vorzubringen oder eine Stellungnahme abzugeben, die bei der Entscheidungsfindung zumindest bedacht wird. Daran fehlte es.
    LAG Mecklenburg-Vorpommern Az. 5 Sa 127/22
  • Kündigung – 10 Minuten können reichen
    Arbeitszeitbetrug ist Arbeitszeitbetrug; selbst wenn es nur um 10 Minuten geht, kann die Folge eine außerordentliche Kündigung sein.
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Reinigungskraft mit GdB 100, die nach dem Einstempeln ihren Arbeitsplatz verlassen hatte, um sich gegenüber der Straße in einem Café noch einen Kaffee zu holen. In dem Betrieb gab es eine elektronische Zeiterfassung, und es war Pflicht, Beginn und Ende der Arbeitszeit und die Pausen zu stempeln. Dies unterließ die Frau beim Kaffeeholen.
    Nach Einholung der Zustimmung beim Integrationsamt kündigte der Arbeitgeber der Reinigungskraft fristlos.
    Das LAG Hamm hielt die Kündigung für rechtens. Der Vertrauensbruch sei enorm. Arbeitgeber müssen auf die korrekte Dokumentation der Arbeitszeit vertrauen können. Gemäß § 626 BGB lag hier ein so wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor, dass es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten war, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu warten. Eine Abmahnung sei entbehrlich.
    Interessant an dem Fall ist zusätzlich die Tatsache, dass andere Gerichte in der Vergangenheit wegen solch kurzer Zeitspannen eine Abmahnung verlangt haben (vgl. LAG München 14.1. 2021 Az. 3 Sa 836/20).
    Das LAG Hamm dagegen, kam zu der Auffassung, dass eine Abmahnung nicht zu einer Verhaltensänderung geführt hätte. Im Fall der Reinigungskraft kam erschwerend hinzu, dass sie sich nicht reumütig und geständig gezeigt, sondern zuerst versucht hatte, den Betrug zu leugnen.
    LAG Hamm 27.01.2023 Az 13 Sa 1007/22
  • Kündigung nicht verhältnismäßig
    Im vorliegenden Fall wurde ein Angestellter außerordentlich wegen Krankheit über fast zwei Jahre außerordentlich gekündigt. Eine ordentliche Kündigung war wegen eines besonderen tariflichen Kündigungsschutzes nicht mehr möglich.
    Das Arbeitsgericht Aachen musste sich also mit der Frage beschäftigen, ob eine außerordentliche Kündigung wegen Krankheit verhältnismäßig ist oder nicht. Die negative Zukunftsprognose galt als gesichert. Der Mann konnte die Tätigkeit nicht mehr ausüben.
    Eine Kündigung ist aber nur dann sozial gerechtfertigt, wenn alle milderen Mittel ausgeschöpft sind. Somit ist eine Kündigung unverhältnismäßig, wenn durch eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder Weiterbeschäftigung auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz künftige Fehlzeiten vermieden werden können. Im vorliegenden Fall hätte es solche „Schonarbeitsplätze“ gegeben. Erschwerend für den Arbeitgeber kam hinzu, dass ein BEM zwar angefangen, aber nicht beendet wurde. Der Kündigungsschutzklage des Mannes wurde stattgegeben.
    Arbeitsgericht Aachen 06.12.2022 – 2 Ca 3550 /21
  • Kündigung wegen Rheinsprungs
    Im vorliegenden Fall wurde ein Beschäftigter außerordentlich gekündigt, der während einer Betriebsfeier auf einem Schiff in den Rhein sprang. Nach einer kurzen Schwimmeinheit kletterte der Mann in Unterwäsche wieder an Board.
    Der Arbeitgeber begründete die Kündigung damit, dass der Beschäftigte durch sein Verhalten den Betriebsfrieden massiv gestört habe. Die Stimmung sei nach dem Vorfall jäh umgeschlagen.
    Der Beschäftigte legte Kündigungsschutzklage ein. Zum einennläge kein Kündigungsgrund vor, zum anderen sei die Anhörung des Betriebsrates wegen Fehlinformation unwirksam, weil diesem mitgeteilt wurde, er sei unbekleidet in den Rhein gesprungen.
    Das Arbeitsgericht Düsseldorf gab dem Mann bezüglich der Anhörung recht und entschied, dass die Kündig unwirksam sei.
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf bestätigte die Unwirksamkeit der Kündigung. Dem LAG kam es aber nicht auf die unwirksame Anhörung des Betriebsrates an. Vielmehr betonte das Gericht, dass ein Sprung in den Rhein während einer Betriebsfeier kein Grund ist, um zu kündigen. Eine Abmahnung hätte als milderes Mittel ausgereicht.
    LAG Düsseldorf 18.07.2023 Az.: 3 Sa 211/23
  • Kündigung wegen öffentlicher Kritik
    Hinweisgeber sind nach dem neuen Gesetz (siehe Punkt 2 dieses Newsletters) besser geschützt. Das Gesetz schütz aber auch künftig nicht, wenn die Kritik am eigenen Arbeitgeber eine reine Diffamierung darstellt.
    Im vorliegenden Fall hatte ein Beschäftigter den eigenen Arbeitgeber massiv kritisiert und dies auch öffentlich gemacht. Er kritisierte die Zustände im Maßregelvollzug und bezeichnete den Arbeitgeber als Fachklinik für Mobbing und Bossing inklusiver Verleumdungen und Datenschutzverletzungen.
    Kritik am eigenen Arbeitsplatz ist von der Meinungsfreiheit gedeckt und darf auch polemisch oder überspitzt sein.
    Hier wurde der Beschäftigte allerdings gekündigt, da seine Äußerungen als reine Schmähkritik bewertet wurden, mit dem alleinigen Ziel, den Arbeitgeber zu Diffamieren. Das Landesarbeitsgericht Thüringen (LAG) bestätigte die Kündigung, da die Kritik keine sachliche Auseinandersetzung mit Missständen war. Die arbeitsvertraglichen Pflichten verlangen nach § 241 BGB ein gewisses Maß an Rücksichtnahme auf den Arbeitgeber.
    LAG Thüringen 19.04.2023 Az 4 Sa 269/22
  • Krankheitsbedingte Kündigung
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat entschieden, dass Ausfallzeiten aufgrund von Unfällen, im Fall einer personenbedingten Kündigung wegen Erkrankung, nicht bei der negativen Zukunftsprognose berücksichtigt werden dürfen.
    In seiner Entscheidung führte das LAG aus, in welchen Fällen eine krankheitsbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.
    Damit eine solche Kündigung sozial gerechtfertigt ist, müssen drei Stufen geprüft werden:
    Erste Stufe:
    Die Gesundheitsprognose muss negativ ausfallen. Zum Zeitpunkt der Kündigung müssen objektive Tatsachen vorliegen, die weitere Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen.
    Zweite Stufe:
    Die prognostizierten Fahlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Diese Beeinträchtigung kann z.B. mit Betriebsablaufstörungen oder Entgeltfortzahlungen über 6 Wochen hinaus begründet werden.
    Dritte Stufe:
    Im Rahmen einer gebotenen Interessenabwägung muss die Prüfung ergeben, dass das Interesse des Arbeitgebers bezüglich der Beseitigung seiner Beeinträchtigung das Interesse des Beschäftigten auf Arbeitsplatzerhalt, übersteigt.
    Das interessante an diesem Fall war, dass der Arbeitgeber für seine negative Zukunftsprognose sämtliche Fehlzeiten der Beschäftigten herangezogen hatte. Insgesamt stützte er seine Prognose auf 130 Fehltage von 2019 bis 2022.
    Die meisten der Fehltage waren aber die Folge von Unfällen der Frau. Letztlich blieben nur 28 Tage Arbeitsunfähigkeit aufgrund anderer Ursachen.
    Das LAG entschied, dass die Kündigung der Beschäftigten wegen mangelnder negativer Zukunftsprognose unwirksam ist.
    Zwar hat die Frau krankheitsbedingt häufig gefehlt, allerdings dürfen bestimmte Ursachen nicht für die Prognose herangezogen werden.
    Bei Unfällen handelt es sich in der Regel um einmalige Ereignisse. Denen ist ihrer Natur nach oder aufgrund ihrer Entstehung keine Aussagekraft für eine Wiederholungsgefahr beizumessen.
    LAG Köln 28.03.2023 Az. 4 Sa 659/22
  • Belästigung auf der Weihnachtsfeier
    Auch auf einer Weihnachtsfeier ist benehmen ein Muss, und wer sich trotz lockerer Atmosphäre danebenbenimmt, muss mit einer außerordentlichen Kündigung rechnen. Im vorliegenden Fall belästigte ein Beschäftigter verbal auf der Weihnachtsfeier des Betriebes eine Kollegin sexuell und verletzte dadurch ihre Würde. Einige Tage später folge daraufhin die außerordentliche Kündigung.
    Das Arbeitsgericht Elmshorn bestätigte die Kündigung. Durch die Äußerungen hat der Beschäftigte seine vertraglichen Pflichten verletzt gemäß § 7 Abs. 3 AGG. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist für den Arbeitgeber nicht zumutbar. Alkohol und lockere Stimmung sind kein Freifahrtschein für sexuelle Belästigung. Vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein einigten sich die Parteien auf einen Vergleich und beendeten das Arbeitsverhältnis.
    Arbeitsgericht Elmshorn 26.04.2023 Az. 3 Ca 1501 e/22
    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 09.11.20223 Az. 6 Sa 71/23
  • Kündigungsschutzklage (3 Wochen)
    Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) regelt grundsätzlich, dass nach Zugang einer Kündigung die Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht eingegangen sein muss. Das dem nicht immer so ist, hat jetzt das Arbeitsgericht Iserlohn bei einem schwerbehinderten Menschen entschieden.
    Der schwerbehinderte Mann wurde gekündigt, ohne vorher die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen, obwohl die Schwerbehinderung dem Arbeitgeber bekannt war. Kündigungsschutzklage erhob der Mann zunächst nicht.
    Erst nach Beratung durch den DGB-Rechtsschutz wurde 5 Monate später die Kündigungsschutzklage eingereicht.
    Das Arbeitsgericht erklärte die Kündigung wegen fehlender Zustimmung des Inklusionsamtes für nichtig. Die Kündigung ist nicht deshalb wirksam, weil der Mann die Klagefrist versäumt hat. Das Kündigungsschutzgesetz bestimmt, dass die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Beschäftigten zu laufen beginnt, wenn die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf.
    Weil das bei schwerbehinderten Menschen so ist und dem schwerbehinderten Mann zu keinem Zeitpunkt eine Zustimmung des Inklusionsamtes bekannt gegeben worden war, hat die Klagefrist nicht zu laufen begonnen.
    § 4 KSchG regelt: „Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.“
    Schwerbehinderte Menschen können also bei Nichtbeteiligung des Integrationsamtes auch nach den 3 Wochen noch gegen die Kündigung vorgehen. Dies sollten sie aber innerhalb von 6 Monaten tun, siehe § 5 KSchG.
    AG Iserlohn 24.10.2023 Az. 4 Ca 675/23
  • Kündigungsschutz auch nach mehrfacher Befristung
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Lehrerin, die dreimal hintereinander befristet beschäftigt war. Während der dritten Befristung wurde sie gekündigt.
    Für den Arbeitgeber war klar, dass das Arbeitsverhältnis mit der dritten Befristung neu begründet worden war und es sich somit um eine Probezeitkündigung handelt. Das Kündigungsschutzgesetz wäre hier erst ab dem 7. Monat der Beschäftigung anwendbar. Eine Kündigung wäre ohne Angabe von Gründen rechtswirksam. Der Arbeitgeber sah seine Auffassung auch darin bestärkt, dass es sich bei der dritten Befristung sowohl um geänderte Aufgaben als auch um eine geänderte Entgeltgruppe gehandelt hatte.
    Dieser Auffassung folgte das Arbeitsgericht Saarland nicht. Für das Gericht war das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Bei der Lehrerin schloss sich an ein beendetes befristetes Arbeitsverhältnis nahtlos jeweils ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis an. Sie schied also nicht aus dem Arbeitsverhältnis aus. Somit lag nach Auffassung des Gerichts, ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes vor. Die drei Befristungen waren zusammenzuzählen. Der Arbeitgeber hätte also entsprechende Gründe für die Kündigung zur sozialen Rechtfertigung gebraucht. Der Arbeitgeber hatte aber weder ausreichende betriebliche, personelle noch verhaltensbedingte Gründe vorgebracht. Die Kündigung war unwirksam und die Lehrerin musste weiterbeschäftigt werden.
    Arbeitsgericht Saarland 11. Juli 2022 – 2 Ca 183/22
  • Fristlose Kündigung nicht zwingend nach grober Beleidigung
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Beschäftigte, die wegen grober Beleidigung des Arbeitgebers und von Kolleginnen außerordentlich gekündigt wurde. Es fielen Worte wie, fett, stinkend und blöde. Solche Beleidigungen für sich, wären Grund für eine außerordentliche Kündigung.
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen erklärte die Kündigung trotzdem für unwirksam. Das Gericht würdigte die Gesamtumstände der Arbeitsplatzsituation der Frau. Sie hatte unter menschenunwürdigen Bedingungen in einem kalten und verschimmelten Kellerraum arbeiten müssen. Hinzu kam für das Gericht, dass sich die Frau berechtigte Ansprüche von Urlaubsentgelt erst gerichtlich erstreiten musste.
    Aufgrund dieser besonderen Umstände urteilte das LAG, dass eine Abmahnung, als milderes Mittel gereicht hätte, eine Verhaltensänderung herbeizuführen.
    LAG Thüringen 29.06.2022 Az.: 4 Sa 212/21
  • Änderungskündigung in der Elternzeit
    Im vorliegenden Fall sollte eine schwerbehinderte Beschäftigte während der Elternzeit zu geänderten Bedingungen auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden. Diese lehnte das Angebot ab. Nach erfolgter Zustimmung durch das Integrationsamt sprach der Arbeitgeber die Änderungskündigung aus.
    Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte die Kündigung. Durch eine zulässige unternehmerische Entscheidung sei der ursprüngliche Arbeitsplatz der Beschäftigten weggefallen. Daher sei eine Beschäftigung zu den bisherigen Bedingungen nicht mehr möglich gewesen.
    Die Beschäftigte hat das Angebot eines Arbeitsplatzes zu geänderten Bedingungen nicht akzeptiert. Daher wurde das Arbeitsverhältnis durch die Änderungskündigung beendet.
    Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg 05.07.2022 Az.: 16 Sa 1750/21
  • Kündigungsgründe müssen bewiesen werden
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Beschäftigten dessen Arbeitgeber ihm ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt hatte. Dem Mann wurden, neben zweier Schäden am Fahrzeug, fehlende Abrechnungsbelege und Fahrerflucht vorgeworfen. Die Ermittlungen wegen Fahrerflucht wurden eingestellt. Aufgrund der Vorfälle kündigte der Arbeitgeber ordentlich, blieb aber die Beweise für rechtswidriges Verhalten schuldig.
    Das Arbeitsgericht Neuruppin erklärte die Kündigung für unwirksam. Der Arbeitgeber konnte für die Kündigungsgrüne nicht beweisen. Bei den fehlenden Abrechnungsbelegen hätte als milderes Mittel eine Abmahnung ausgereicht.
    Arbeitsgericht Neuruppin 24.05.2022 – 2 Ca 16/22
  • Kündigung unwirksam bei einseitig abgebrochenem BEM
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Beschäftigten bei dem regelmäßig BEM-Gespräche durchgeführt wurden. Nachdem ein erneuter Termin wegen Arbeitsunfähigkeit des Mannes abgesagt wurde, erklärte der Arbeitgeber das BEM für beendet und kündigte krankheitsbedingt.
    Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat entschieden, dass ein BEM nur den Rahmen eines verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozesses vorgibt. Es sollen individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermittelt werden, ohne explizit vorzusehen, wann dieser Suchprozess abgeschlossen ist. Ein BEM ist dann abgeschlossen, wenn Arbeitgeber und Betroffener darin übereinstimmten, dass der Suchprozess durchgeführt worden ist oder nicht weiter durchgeführt werden soll. Das Arbeitsgericht hat die Kündigung für unwirksam erklärt, weil wegen einseitiger Beendigung, kein regelkonformes BEM durchgeführt worden ist.
    Interessanterweise hat das Arbeitsgericht auch wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrates die Kündigung für unwirksam erklärt. In der Anhörung hatte der Arbeitgeber behauptet, das BEM-Verfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt und beendet worden. Was nicht der Fall war, da der Arbeitgeber die Beendigung einseitig beschlossen hatte.
    Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven 24.02.2022 – 8 Ca 8152-21
  • Rentenähe darf bei Sozialauswahl berücksichtigt werden
    Bei der Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung kann berücksichtigt werden, dass ältere Beschäftigte bereits eine vorgezogene, abschlagsfreie Altersrente beziehen oder dies bald tun können. Eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen darf hingegen nicht berücksichtigt werden.
    BAG Az 6 AZR 31/22
  • Kündigung per WhatsApp unwirksam
    Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bedarf der Schriftform. Ein abfotografiertes Kündigungsschreiben, das dem Empfänger allein per WhatsApp übermittelt wird, genügt nicht den Formerfordernissen und ist somit nichtig.
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Arbeitnehmer der betrunken am Arbeitsplatz erschienen war. Er wurde außerordentlich gekündigt, indem er ein abfotografiertes, unterschriebenes Kündigungsschreiben per WhatsApp erhielt.
    In der Kündigungsschutzklage machte der Mann geltend, dass die per Messenger übermittelte Kündigung mangels Schriftform unwirksam sei.
    Das LAG entschied, dass die per WhatsApp zugestellte Kündigung nicht dem Schriftformerfordernis nach § 126 Abs. 1 BGB genügt. Eine Erklärung unter Abwesenden wird erst wirksam, wenn sie dem Empfänger “in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zugeht”.
    Landesarbeitsgericht München 28.10.2021 Az.: 3 Sa 362/21
  • Schutz von Initiatorin einer BR Wahl bestätigt
    Im Vorliegenden Fall ging es um eine Mitarbeiterin, die eine Betriebsratswahl initiierte. Der Arbeitgeber kündigte die Frau dreimal außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Im ersten Fall ging es um wiederholtes Zuspätkommen zur Arbeit, im zweiten Fall um die Anmietung eines zu kleinen Raumes für eine Betriebsversammlung und im dritten Fall um Hausfriedensbruch, weil die bereits gekündigte Mitarbeiterin in Räumen des Arbeitgebers eine Einladung zur Wahlversammlung aufgehängt hatte.
    Das Arbeitsgericht Düsseldorf erklärte alle drei Kündigungen für unwirksam. Zuspätkommen rechtfertigt lediglich eine ordentliche Kündigung, die aber aufgrund des Sonderkündigungsschutzes einer Initiatorin einer BR Wahl aus-geschlossen ist. Verfehlungen bezüglich der Anmietung des Raumes konnten nicht hinreichend belegt werden. Der Hausfriedensbruch wurde angesichts der Situation als nicht schwerwiegend erachtet, eine Abmahnung als milderes Mittel hätte gereicht.
    Urteil ArbG Düsseldorf 23.02.2022 Az.: 10 Ca 4119/21
  • Außerordentliche Kündigung eines Mitglieds im Wahlvorstand unwirksam
    Im vorliegenden Fall ging es um den Fahrer eines Kurierdienstes, der wegen angeblicher Teilnahme an einem illegalen Streik außerordentlich gekündigt wurde. Der Fahrer war Mitglied im Wahlvorstand zur Vorbereitung der anstehenden Betriebsratswahl.
    Das LAG erklärt die Unwirksamkeit der Kündigung, da der Fahrer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Mit-glied des Wahlvorstands gewesen und damit von dem besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Absatz 3 Kündi-gungsschutzgesetz erfasst war. Die aufgrund dieses Sonderkündigungsschutzes für eine Kündigung gemäß § 103 Abs. 2a BetrVG erforderliche vorherige gerichtliche Zustimmungsersetzung lag nicht vor. Das LAG bejaht im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzes die tatsächliche Weiterbeschäftigung des Fahrers.
    LAG Berlin-Brandenburg vom 12.01.2022 (Az.: 23 SaGa 1521/21).
  • Fristlose Kündigung wegen unbefugter Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten
    Im vorliegenden Fall verschaffte sich eine Verwaltungsangestellte im Rahmen ihrer Tätigkeit am Dienstcomputer Zugang zu einer privaten E-Mail mit Chat-Verlauf im Anhang ihres Vorgesetzten. Aus ihrer Sicht enthielt der Chat-Verlauf Beweise gegen ihren Vorgesetzten in einem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren. Sie speicherte die-se Daten und gab sie an eine dritte Person weiter.
    Nach Bekanntwerden der Vorkommnisse wurde ihr Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt.
    Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte die fristlose Kündigung. Das notwendige Vertrauensverhältnis sei durch den Vorfall unwiederbringlich zerstört. Die unbefugte Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten stellte für das Gericht wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Dieser sei auch nicht dadurch gerechtfertigt gewesen, dass sie in der Absicht gehandelt habe, im laufenden Ermittlungsverfahren durch die möglichen Beweise helfen zu wollen. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
    Landesarbeitsgericht Köln 02.11.2021 Az 4 Sa 290/21
  • Auskunftsrecht über gespeicherte Daten LAG Hessen 10.06.2021 Az 9 Sa 1431/19
  • Zustimmung zur Kündigung des Inklusionsamtes ist verpflichtend BAG (22.07.2021) Aktenzeichen 2 AZR 193/21
  • Anspruch auf behinderungsgerechten Arbeitsplatz LAG Hessen, Urteil vom 21.01.2020, Az: 15 Sa 449/19
  • Behinderungsgerechte Beschäftigung erstritten ArbG Hamburg, Urteil vom 03.07.2019, Az: 17 Ca 41/19
  • Änderungskündigung zur Herabsetzung der Arbeitszeit LAG Berlin-Brandenburg vom 8.5.2018, 7 Sa 1588/17
  • Keine Beschäftigungsgarantie für Menschen mit Behinderung BAG, Urteil vom 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18 –
  • Kündigung bei telefonischem Gleichstellungantrag LAG Niedersachsen, Urteil vom 23.10.2018, 11 Sa 225/18
  • SBV-Beteiligung bei Kündigung (Negativ-Urteil) BAG, Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 378/18 –
  • SBV-Beteiligung auch bei Kündigung in der gesetzlichen Wartezeit ArbG Hamburg, Urteil vom 12.06.2018 – 21 Ca 455/17
  • SBV nicht angehört – Kündigung unwirksam LAG Chemnitz – 08.06.2018 – 5 Sa 458/17
  • Außerordentliche Kündigung eines unkündbaren Arbeitnehmers LAG Rheinland-Pfalz v. 11.7.2017, 8 Sa 23/17
  • Integrationsamt muss auch bei teilweiser Erwerbsminderung zustimmen BAG, Urteil vom 16.1.2018 – 7 AZR 622/15
  • Krankheitsbedingte Kündigung – ordnungsgemäße Einladung zu einem BEM LAG Hamburg, Urteil vom 08.06.2017, 7 Sa 20/17
  • Änderungskündigung – korrekte Beteiligung der SBV ArbG Hagen, Urteil vom 06.03.2018, Az.: 5 Ca 1902/17
  • Kündigung – Unwirksamkeitsklausel ArbG Darmstadt, Urteil v. 14.11.2017 – 9 Ca 249/17
  • Beteiligung der SBV bei Versetzung in den Ruhestand OVG Berlin-Brandenburg v. 15.11.2017 – 4 S 26.17
  • Versagung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung war rechtswidrig VG Bayreuth, v. 17.08.2017 – B 3 K 16.346
  • Aufklärungspflicht des Integrationsamtes bei betriebsbedingter Kündigung VG Hannover, Beschluss vom 24.04.2017 – 3 A 11496/14
  • Wieviel Fehler sind erlaubt? ArbG Siegburg – Az 3 Ca 1305/17 vom 25.08.2017
  • Unterschlagene Faktenlage macht Kündigung unwirksam BAG, Urteil vom 22.09.16 – 2 AZR 700/15
  • BEM ist mehr als Anhörung – Kündigung gestoppt Arbeitsgericht Berlin, Beschluß vom 23.02.2017 – 54 Ca 12814/16
  • Entschädigung – wenn der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Integrationsamts (IA) kündigt ArbG Neumünster 1.7.2015 – 3 Ca 332a/15
  • Kündigung „platzt“ wegen unterlassenem BEM LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 22.9.2015, Az.: 1 Sa 48a/15
  • Abweisung einer Kündigung trotz Zustimmung des BR und des Integrationsamtes Arbeitsgericht Gießen, 22.01.2015, Az. 11 Ca 340/14
  • Kündigung nach der Antragstellung LAG Hessen vom 24.03.2014, Az.: 16 Sa 1239/13
  • Krankheitsbedingte Kündigung und Eingliederungsmanagement LAG – Hamm vom 01. August 2014; Az.: 1 Sa 182/14
  • Entlassung eines schwerbehinderten Beamten auf Widerruf wegen Dienstunfähigkeit OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 07.01.2013 – 6 A 2371/11 –
  • Rechtswirksamkeit eíner ordentlichen Kündigung Arbeitsgericht Regensburg, 8 Ca 1565/13
  • Integrationsamt muß bei einer Kündigung ggf. ein Gutachten einholen Bayerischer VGH • Urteil vom 31.01.2013 • Az. 12 B 12.860
  • Kündigung schwerbehinderter „Schleckerfrau“ – Zustimmung des Integrationsamts rechtswidrig VG Stuttgart, Urteil vom 04.03.2013, Az: 11 K 3968/12
  • Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis BAG, Urteil vom 16.02.2012, 6 AZR 553/10
  • Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen BAG, Urteil vom 09.06.2011, 2 AZR 703/09
  • Abhören von Gesprächen durch die SBV / Keine Zustimmung zur Kündigung durch die SBV notwendig BAG, Urteil vom 19.07.2012, Az: 2 AZR 989/11
  • Kündigungsschutz von sbM gegen betriebsbedingte Kündigungen gestärkt LAG BB, Urteil vom 30.03.2010, 7 Sa 58/10
  • Kündigung einer SBV – Wer ist zu beteiligen? LAG Hamm, Az.: 13 TaBV 72/10
  • Kündigung eines Schwerbehinderten in der Wartezeit LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 27.08.2010 – 13 Sa 988/10
  • Arbeitgeber fragt (bei anstehendem Interessensausgleich) nach Grad der Behinderung LAG Hamm vom 30.06.2010; Az.: 2 Sa 49/10
  • Pflicht zur Information des Arbeitgebers über Schwerbehindertenantrag binnen drei Wochen LAG SH Urteil vom 06.07.2010 – 1 Sa 403 e/09
  • Anmerkungen zur Änderungskündigung OVG NRW; Beschluss v. 03.02.2009, 12 A 2931/08
  • Fristen nicht eingehalten – Außerordentlichen Kündigung unwirksam ArbG Berlin, Urteil vom 28.10.2009, Az. 56 Ca 15400/09
  • Kündigung nach Ablehnung einer Reha durch den AN BAG, Urteil vom 10.12.2009 – 2 AZR 400/08
  • Kündigung im privaten Haushalten ArbG Düsseldorf, 12.01.2009, 2 Ca 6263/08
  • AN muss bei amtsärztlicher Untersuchung mitwirken LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.05.2009; Az: 5 Sa 458/08
  • Schwerbehinderung – Betriebsübergang – Anzeigepflicht BAG, Urteil vom 11.12.2008, 2 AZR 395/07
  • Feststellungsbescheid muss für Sonderkündigungsschutz nicht vorgelegt werden LAG SH, 21.04.2009 – Az: 5 Sa 412/08
  • Sozialauswahl – Keine Ausweitung auf vergleichbare Arbeitsplätze trotz Schwerbehinderung LAG Hamm, Urteil vom 23.03.2009, Az. 8 Sa 313/08
  • Umzug von Schwerbehinderten kann im Sozialplan ausgeschlossen werden BAG, Urteil vom 06.11.2007 – 1 AZR 960/06
  • Keine Info über BEM an BR – Kündigung nichtig Arbeitsgericht Marburg Az.: 2 Ca 466/07
  • Sonderkündigungsschutz im Klageverfahren BAG – Urteil vom 06.09.2007, Az: 2 AZR 324/06
  • Kündigung hängt von Genesungschancen ab LAG-SH Urteil vom 11.03.2008, Az: 2 Sa 11/08
  • Personenbedingte Kündigung wegen Krankheit BAG, Urteil vom 08.11.2007; Az.: 2 AZR 292/06
  • Besonderer Kündigungsschutz – ab wann? BAG, Urteil vom 29.11.2007 – 2 AZR 613/06 –
  • Personenbedingte Kündigung wegen Krankheit BAG, Urteil vom 08.11.2007 – 2 AZR 425/06
  • Integrationsamt stimmt Kündigung zu – Klage – LAG gab Kläger recht! LAG Baden-Württemberg am 19.09.2007, Az. 2 Sa 35/07
  • Klagefrist beginnt erst nach der Zustimmung des Integrationsamtes BAG, Urteil vom 13.02.2008 – 2 AZR 864/06 –
  • Lange Arbeitsunfähigkeit führt nicht automatisch zu Kündigung LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 12.09.2007, Az 7 Sa 253/07
  • Kündigung wegen häufiger, verschiedener Krankheiten LAG Köln, Urteil vom 18.05.2007, Az 11 Sa 632/06
  • (Kein) Sonderkündigungsschutz im Anerkenntnisverfahren ArbG Essen, Urteil vom 15.05.2007, Az. 2 Ca 4309/06
  • Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer BAG, Urteil vom 19.06.2007 – 2 AZR 94/06
  • Sozialauswahl und krankheitsbedingte Ausfallzeiten BAG Urteil vom 31.05.2007 – 2 AZR 306/06
  • Kündigung unwirksam – Verstoß gegen das AGG ArbG Osnabrück, 05.02.2007 – 3 Ca 721/06
  • Hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten rechtfertigen nicht immer eine Kündigung LAG Berlin 25.01.2007, 6 Sa 1245/06
  • Anhörung des Betriebsrats bei Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers LAG Hamm, Urteil vom 16.02.2007, Az. 13 Sa 1126/06
  • Betriebs- oder Abteilungsschließung – Wohin mit der Interessensvertretung? BAG, 02.03.2006 – 2 AZR 83/05
  • Kündigung, Integrationsamt, arbeitsrechtliche Bedenken VG Frankfurt, Urteil vom 17.01.2006 – 7 E 2541/05
  • Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen BAG, 01.03.2007 – 2 AZR 217/06
  • Häufige Erkrankungen rechtfertigen nicht ohne weiteres die Kündigung LAG Rheinland-Pfalz, 29.03.2006, 10 Sa 883/05
  • Zeitfenster zum Ausspruch der Kündigung ArbG Herne, 18.05.2006, 2 Ca 210/06
  • Krankheitsbedingte Kündigung – Eingliederungsmanagement erforderlich LAG Niedersachsen, 25.10.2006, Az. 6 Sa 974/05
  • Personenbedingte Kündigung – Eingliederungsmanagement nicht zwangsweise erforderlich BAG, 07.12.2006 – 2 AZR 182/06
  • Beginn des Kündigungsschutzes gleichgestellter Arbeitnehmer LAG Rheinland-Pfalz, 12.10.2005 – Az: 10 Sa 502/05
  • Wann „greift“ der Sonderkündigungsschutz? LAG BaWü, 14.06.2006, 10 Sa 43/06
  • Ausspruch einer Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer in der fehlerhaften Annahme –
    die Zustimmung des Integrationsamtes gelte als erteilt LAG BaWü 06.09.2004, Az. 15 Sa 39/04
  • EuGH-Urteil zur krankheitsbedingten Kündigung EuGH vom 11.07.2006, C-13/05
  • Kündigung der VP der schwerbehinderten Menschen LAG Köln, 26.06.2006, 14 Sa 111/06
  • Sonderkündigungsschutz – Frist für Mitteilung der Schwerbehinderung BAG vom 02.08.2006 – 2 AZR 539/05
  • Gerichtsentscheidungen zur „fehlender Mitwirkung“ im Kündigungsschutzverfahren
    VG Arnsberg 11 K 644 05 und OVG NRW 2 A 1778 06
  • Sonderkündigungsschutz gemäß § 173 Abs. 2a SGB IX nach Gleichstellungsantrag ArbG Freiburg 16 Ca 19/06
  • Eingliederungsmanagement – Krankheitsbedingte Kündigung LAG Berlin 10 Sa 783/05
  • Außerordentliche Kündigung – Zustimmung durch Widerspruchsausschuss BAG vom 21.04.2005, 2 AZR 255/04
  • Kommentar zur Kündigung bei fehlendem EM LAG Niedersachsen, 29.03.2005 – 1 Sa 1429/04
  • Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer BAG 20.01.2005, 2 AZR 675/03
  • Krankheitsbedingte Kündigung trotz fehlendem EM ArbG Halberstadt – 3 Ca 114/05
  • Kündigung – Zugangsvereitelung BAG – 2 AZR 366/04
  • Kündigung wegen Verweigerung von Überstunden rechtens
  • Schwerbehinderte genießen Sonderkündigungsschutz – auch wenn der Arbeitgeber nichts davon weiß
  • Auch wiederholte Erkrankungen sind nicht ohne weiteres ein Kündigungsgrund
  • Kündigung: Zustimmung des Integrationsamtes auch wenn GdB noch nicht festgestellt ist
  • Zustimmung des IA zur Kündigung reicht auch fernmündlich
  • Eine krankheitsbedingte Kündigung ist auch bei Schwerbehinderten möglich
  • Bei Betriebsratsanhörung muss Kündigungsgrund klar dargelegt werden.
  • Kündigung einer schwerbehinderten Krankenschwester wegen Kirchenaustritt
  • Zugang eines Kündigungsschreibens während der Abwesenheit des Arbeitnehmers
  • Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankung
  • Kündigung wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit
  • Schwerbehinderter hat sich über alle Gesetze zu informieren, die seinen Kündigungsschutz regeln
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Prävention

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Eingliederungsmanagement (BEM)

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Einstellung / Versetzung / Beförderung / Be- und Entfristung

  • Keine Beteiligung des Integrationsamtes bei Versetzung in den Ruhestand eines schwerbeh. Beamten
    Das Integrationsamt ist bei der Versetzung eines schwerbehinderten Lebenszeitbeamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht nach Maßgabe des § 168 SGB IX zu beteiligen. Gegenteiliges ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) insbesondere nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 9.3.2017 – Rs. C-406/15), weil das durch das Verfahren der Zurruhesetzung für Lebenszeitbeamte bewirkte Schutzniveau (§§ 44 ff. BBG) jedenfalls nicht hinter dem durch die §§ 168 ff. SGB IX für Beschäftigte begründeten zurückbleibt.
    BVerwG 07.07.2022 – 2 A 4.21
  • Entschädigung eines schwerbehinderten Bewerbers
    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat einem schwerbehinderten Bewerber einen Entschädigungsanspruch zugesprochen wegen fehlender Meldung des Arbeitsplatzes bei der Agentur für Arbeit (AfA). Verstoßen Arbeitgeber gegen Vorschriften, Verfahrens- oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen, begründet dies in der Regel die gesetzliche Vermutung, dass der erfolglose schwerbehinderte Bewerber im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und damit benachteiligt wurde. § 165 SGB IX regelt die Verpflichtung öffentlicher Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig freiwerdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze zu melden. Im vorliegenden Fall hatte sich ein schwerbehinderter Mensch bei einem öffentlichen Arbeitgeber beworben. Dieser lud den Bewerber mangels Qualifikation nicht zum Vorstellungsgespräch ein. Daraufhin machte der Bewerber gemäß § 15 (2) AGG Schadenersatz gelten wegen Benachteiligung. Das Gericht sprach dem Bewerber einen Entschädigungsanspruch zu, da das Stellenangebot nur über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht worden war. Dies begründet einen Verstoß gegen § 165 S.1 SGB IX. Der öffentliche Arbeitgeber hätte, die mit schwerbehinderten Menschen besetzbare Stelle der zuständigen AfA melden müssen.
    BAG 25.01.2021 8 AZR 313/21
  • Anspruch auf einen „leidensgerechten“ Arbeitsplatz haben nur schwerbehinderte oder deren gleichgestellte Menschen.
    Ein Bankbeschäftigter wollte nach längerer Erkrankung zurück an seinen Arbeitsplatz. Zuletzt war er als Vermögensberater beschäftigt, dort hatte ihn der Leistungsdruck, der Zahlenstress und das Fehlen von Unterstützung krank gemacht.
    Über drei Monate hinweg lehnte der Arbeitgeber eine Rückkehr des Mannes an seinen alten Arbeitsplatz ab, mit dem Hinweis auf seine Erkrankung.
    Der rückkehrungswillige Mann bot von sich aus verschiedene Tätigkeit in der Bank an, was der Arbeitgeber auch ablehnte. Schließlich wurde er im Bereich Firmenkunden wieder beschäftigt.
    Der Mann verklagte die Bank auf Schadensersatz in Höhe von fast 18000€. Er war der Meinung, die Bank hätte ihn bereits ab April entsprechend seiner Vorstellungen beschäftigen müssen.
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln lehnte die Ansprüche des Mannes auf Nachzahlung des Lohnes ab und machte klar, dass der Mann keinen Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz hat.

    Kein Annahmeverzug
    Der Mann hat keinen Anspruch auf Nachzahlung des ausgebliebenen Gehalts aufgrund Annahmeverzug (§§ 615, 611a BGB). Er konnte aus gesundheitlichen Gründen seinen zuletzt zugewiesenen Job nicht mehr ausüben. Er konnte nicht einfach selbst eine andere Tätigkeit anbieten. Geschuldet ist immer nur die vom Arbeitgeber zugewiesene Tätigkeit (BAG 14.10.2020 – 5 AZR 649/19).

    Kein Schadenersatz für fehlenden leidensgerechten Arbeitsplatz
    Der Mann konnte aus gesundheitlichen Gründen seine ursprüngliche Tätigkeit nicht mehr ausüben. Vom Arbeitgeber hätte er unter bestimmten Umständen die Neuausübung seines Weisungsrechts nach § 106 GewO verlangen können. Der Arbeitgeber muss die gesundheitlichen Einschränkungen grundsätzlich berücksichtigen. Er muss versuchen, einen „leidensgerechten“ Arbeitsplatz für Beschäftigte zu ermöglichen. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, wird er nach § 280 BGB schadensersatzpflichtig.

    Dazu muss ein solcher Arbeitsplatz aber im Betrieb vorhanden und auch frei sein. Im vorliegenden Fall war dies nicht der Fall. Der Arbeitgeber konnte keine passende Stelle in der Bank finden, die den Anforderungen des Mannes entsprochen hätten. Die Entscheidung, wie Arbeitsplätze im Unternehmen gestaltet werden, liegt im Ermessen des Arbeitgebers.

    Kein Anspruch aus dem SGB IX
    Der Beschäftigte war weder schwerbehindert noch einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Er kann er sich daher nicht auf einen Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung nach § 164 Abs. 4 SGB IX berufen oder auf das Benachteiligungsverbot nach § 164 Abs. 2 SGB IX in Verbindung mit dem AGG.

    Grundsätzlich haben Beschäftigte schon einen Anspruch aus gesundheitlichen Gründen auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz. Aber, der Arbeitgeber muss keinen solchen Arbeitsplatz extra schaffen. Der Beschäftigte muss diesen explizit nachweisen.
    LAG Köln 17.10.2023 Az. 4 Sa 1/23

  • Innerbetriebliche Ausschreibung offener Stellen
    Betriebsräte können verlangen, dass offene Stellen zuerst innerbetrieblich ausgeschrieben werden. Rechtsgrundlage hierzu ist der § 93 BetrVG. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet dies zu tun, bevor er eine Entscheidung über die Besetzung der Stelle trifft und den Betriebsrat um Zustimmung bittet.
    Im zugrundeliegenden Fall wollte ein Arbeitgeber insgesamt 12 Beschäftigte versetzen und ihnen andere Aufgaben bzw. Funktionen zuweisen. Unstrittig war, dass es sich hierbei um Versetzungen gehandelt hat. Eine Versetzung liegt nicht nur vor, bei räumlicher Veränderung, von einer Abteilung z.B. in eine andere. Arbeitsrechtlich kann es sich auch um eine Versetzung handeln, wenn Aufgaben in Gänze oder teilweise wegfallen oder dazukommen.
    Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zur Versetzung begründet gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG. Der Betriebsrat begründetet die Zustimmungsverweigerung damit, dass es der Arbeitgeber versäumt hatte die neuen Stellen vorher innerbetrieblich auszuschreiben.
    Der Arbeitgeber wollte dies nicht hinnehmen und leitete das Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht ein. Im Verlauf gab das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln dem Arbeitgeber recht. Grund für dieses Urteil war eine Betriebsvereinbarung. In dieser Betriebsvereinbarung hatten sich der Arbeitgeber und der Betriebsrat gemäß § 93 BetrVG geeinigt, künftig immer zuerst offene Stellen innerbetrieblich auszuschreiben. Diese Vereinbarung hatte allerdings der Arbeitgeber gekündigt. Das LAG war der Ansicht, der Betriebsrat hätte nach der Kündigung die interne Ausschreibung erneut explizit verlangen müssen.
    Gegen diese Entscheidung legte der Betriebsrat Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein und bekam Recht. Nach Ansicht des BAG hatte der Betriebsrat mit Abschluss der Betriebsvereinbarung wirksam die innerbetriebliche Ausschreibung verlangt. Durch die Kündigung dieser Vereinbarung konnte der Arbeitgeber dieses Verlangen des Betriebsrates nicht rechtswirksam beseitigen. Einmal geltend gemacht, geht der Anspruch auch durch Kündigung einer entsprechenden Vereinbarung nicht mehr unter.
    Die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrat gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG war somit rechtens und hält Stand.
    BAG 11.10.2022 1 ABR 16/21
  • Schwangerschaft
    Schwangerschaft muss nicht offenbart werden und Arbeitgeber dürfen im Vorstellungsgespräch nicht danach fragen. Diese Grundsätze hat das Arbeitsgericht (AG) Gera aktuell bestätigt.
    Eine Frau unterschrieb einen befristeten Vertrag als Pflegeassistentin. Bei Aufnahme der Tätigkeit informierte sie ihren Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft. Dieser sprach umgehend ein Beschäftigungsverbot aus. Mit dem Fall beschäftigen musste sich das Arbeitsgericht Gera deshalb, weil der Arbeitgeber wegen arglistiger Täuschung den Arbeitsvertrag anfocht.
    Eine Anfechtung des Arbeitsvertrages geht in der Regel durch, wenn eine Frage z.B. im Vorstellungsgespräch zulässig ist und ein potentieller Bewerber die Unwahrheit sagt. Zulässig ist eine Frage aber nur, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung hat. Lügt ein Bewerber auf eine unzulässige Frage ist eine Anfechtung des Arbeitsvertrages in der Regel ausgeschlossen.
    Das Arbeitsgericht Gera entschied, dass die Frau weder ihre Schwangerschaft selbst noch die damit verbundene, zum mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot führende Leistungsunfähigkeit für die vereinbarte Tätigkeit als Pflegeassistentin offenbaren musste. Das Arbeitsverhältnis wurde durch die Anfechtung nicht beendet.
    Bewerberinnen nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden. Eine Einstellung wegen einer Schwangerschaft zu verweigern, kommt nur Frauen gegenüber in Betracht und stellt daher eine unmittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts dar. Siehe EuGH, 08.11.1990 – Rs. C-177/88.
    Fragen nach einer Schwangerschaft im Vorstellungsgespräch sind diskriminierend und verboten.
    AG Gera Az. 3 Ca 1074/22
  • Innerbetriebliche Ausschreibung offener Stellen
    Betriebsräte können verlangen, dass offene Stellen zuerst innerbetrieblich ausgeschrieben werden. Rechtsgrundlage hierzu ist der § 93 BetrVG. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet dies zu tun, bevor er eine Entscheidung über die Besetzung der Stelle trifft und den Betriebsrat um Zustimmung bittet.
    Im zugrundeliegenden Fall wollte ein Arbeitgeber insgesamt 12 Beschäftigte versetzen und ihnen andere Aufgaben bzw. Funktionen zuweisen. Unstrittig war, dass es sich hierbei um Versetzungen gehandelt hat. Eine Versetzung liegt nicht nur vor, bei räumlicher Veränderung, von einer Abteilung z.B. in eine andere. Arbeitsrechtlich kann es sich auch um eine Versetzung handeln, wenn Aufgaben in Gänze oder teilweise wegfallen oder dazukommen.
    Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zur Versetzung begründet gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG. Der Betriebsrat begründetet die Zustimmungsverweigerung damit, dass es der Arbeitgeber versäumt hatte die neuen Stellen vorher innerbetrieblich auszuschreiben.
    Der Arbeitgeber wollte dies nicht hinnehmen und leitete das Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht ein. Im Verlauf gab das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln dem Arbeitgeber recht. Grund für dieses Urteil war eine Betriebsvereinbarung. In dieser Betriebsvereinbarung hatten sich der Arbeitgeber und der Betriebsrat gemäß § 93 BetrVG geeinigt, künftig immer zuerst offene Stellen innerbetrieblich auszuschreiben. Diese Vereinbarung hatte allerdings der Arbeitgeber gekündigt. Das LAG war der Ansicht, der Betriebsrat hätte nach der Kündigung die interne Ausschreibung erneut explizit verlangen müssen.
    Gegen diese Entscheidung legte der Betriebsrat Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein und bekam Recht. Nach Ansicht des BAG hatte der Betriebsrat mit Abschluss der Betriebsvereinbarung wirksam die innerbetriebliche Ausschreibung verlangt. Durch die Kündigung dieser Vereinbarung konnte der Arbeitgeber dieses Verlangen des Betriebsrates nicht rechtswirksam beseitigen. Einmal geltend gemacht, geht der Anspruch auch durch Kündigung einer entsprechenden Vereinbarung nicht mehr unter.
    Die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrat gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG war somit rechtens und hält Stand.
    BAG 11.10.2022 1 ABR 16/21
  • Versetzung
    Im vorliegenden Fall wollte ein Betrieb die Teamzuordnung von Beschäftigten neu regeln. Die Schichteinteilung blieb unverändert, die konkrete Arbeitszeit veränderte sich jedoch. Weiter sollte ein neues, sog. Arbeitsregime gelten, wo es ggf. notwendig werden könnte, dass die Beschäftigten andere Tätigkeiten hätten übernehmen müssen. Der Arbeitgeber sah hierin keine beteiligungsrechtliche Versetzung. Der Betriebsrat dagegen schon.
    Das Landesarbeitsgericht (LAG)Thüringen folgte der Ansicht des Betriebsrates und bejahte bei dem Vorgang eine Versetzung und somit eine Beteiligung des Betriebsrat gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG.
    LAG Thüringen 09.05.2023 Az. 1 TaBV 5/22
  • Entfristung auf dem grünen Tisch
    Eine neue Variante für Entfristungen auf dem grünen Tisch hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen beigesteuert.
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Paketboten. Dieser wurde befristet mit Sachgrund weiterbeschäftigt. Der Sachgrund war die Vertretung anderer Beschäftigter. Der Paketbote war aber selber langfristig krank und dem Arbeitgeber war diese Erkrankung auch bekannt. Der Bote konnte somit niemanden vertreten. Er unterschrieb den Vertrag und machte die Entfristung vor Gericht geltend.
    Das LAG entschied, dass eine Vertretung von Stammbeschäftigten nur möglich ist, wenn zwischen deren Ausfall und dem befristeten Einstellen von Aushilfsbeschäftigten ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Dies war aber hier gerade nicht der Fall.
    Dem Arbeitgeber war bekannt, dass der Bote während der Dauer der Vertretung nicht arbeiten konnte. Der Abschluss eines befristeten Vertrages mit Sachgrund Vertretung war somit hier völlig sinnlos. Sinnlos, weil der Zweck der Befristung nicht ansatzweise erfüllt werden kann.
    Das LAG entschied somit, dass der Paketbote dauerhaft weiterbeschäftigt werden muss.
    LAG Niedersachsen Az. 5 Sa 27/23
  • Schadensersatz wegen Diskriminierung
    Im vorliegenden Fall bewarb sich ein schwerbehinderter Mann auf eine ausgeschriebene Stelle. Ohne Beteiligung von SBV und BR erteilte der potentielle Arbeitgeber dem Bewerber eine Absage. Begründet wurde die Absage damit, dass der Bewerber nicht über die in der Ausschreibung geforderten Kriterien und Qualifikationen verfüge und nicht eingestellt werden würde.
    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sprach dem Bewerber 7500 Euro Schadensersatz gemäß § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu.
    § 22 AGG sieht eine Beweislastumkehr vor, wenn der Bewerber, wie hier, Indizien vorträgt, die eine Diskriminierung vermuten lassen. Der Arbeitgeber hätte also beweisen müssen, dass er nicht diskriminiert hat. Alleine die Vermutung des Bewerbers, dass der Arbeitgeber gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen hat, reicht dem BAG. Konkret, die Unterrichtung von SBV und BR über die Bewerbung gemäß § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX.
    BAG 14.06.2023 Az. 8 AZR 136/22
  • Versetzung ins Ausland
    Eine Versetzung ins Ausland kann vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt sein.
    Im vorliegenden Fall wurde ein Beschäftigter von der Arbeitgeberin ins Ausland versetzt. Hilfsweise erhielt der Mann eine Änderungskündigung mit gleichem Inhalt. Der inländische Arbeitsplatz sollte betriebsbedingt wegfallen und der Arbeitsvertrag sah eine unternehmungsweite Versetzungsmöglichkeit vor.
    Der Beschäftigte war der Meinung, dass eine Versetzung ins Ausland nicht vom Direktionsrecht gemäß § 106 GewO der Arbeitgeberin gedeckt sei.
    Das Bundesarbeitsgericht argumentierte, dass im Arbeitsvertrag kein bestimmter inländischer Arbeitsort vereinbart worden sei, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen war. Da den gesetzlichen Vorgaben keine Begrenzung des Direktionsrecht auf Arbeitsorte in Deutschland zu entnehmen sei, umfasst das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort.
    BAG 30.11.2022 Az.: 5 AZR 336/21
  • Entschädigung eines schwerbehinderten Bewerbers
    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat einem schwerbehinderten Bewerber einen Entschädigungsanspruch zuge-sprochen wegen fehlender Meldung des Arbeitsplatzes bei der Agentur für Arbeit (AfA). Verstoßen Arbeitgeber gegen Vorschriften, Verfahrens- oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen, begründet dies in der Regel die gesetzliche Vermutung, dass der erfolglose schwerbehinderte Bewerber im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und damit benachteiligt wurde. § 165 SGB IX regelt die Verpflichtung öffentlicher Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig freiwerdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze zu melden. Im vorliegenden Fall hatte sich ein schwerbehinderter Mensch bei einem öffentlichen Arbeitgeber beworben. Dieser lud den Bewerber mangels Qualifikation nicht zum Vorstellungsgespräch ein. Daraufhin machte der Bewerber gemäß § 15 (2) AGG Schadenersatz gelten wegen Be-nachteiligung. Das Gericht sprach dem Bewerber einen Entschädigungsanspruch zu, da das Stellenangebot nur über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht worden war. Dies begründet einen Verstoß gegen § 165 S.1 SGB IX. Der öffentliche Arbeitgeber hätte, die mit schwerbehinderten Menschen besetzbare Stelle der zuständigen AfA melden müssen.
    BAG 25.01.2021 8 AZR 313/21
  • Versetzungen innerhalb einer Stadt sind mitbestimmungspflichtig
    In dem Fall ging es um drei Mitarbeitende, die zwischen zwei Standorten in einer Stadt „versetzt“ wurden. Diese Nähe der Standorte zueinander, etwa 12 km, nutzte die Arbeitgeberin und versetzte ohne Zustimmung des Be-triebsrats von einem zum anderen Standort. Mit diesen Versetzungen waren die betroffenen Mitarbeitenden nicht einverstanden. Auch der Betriebsrat erteilte keine Zustimmung zu den Vorhaben. Das focht die Geschäftsführung nicht an: Aus ihrer Sicht handelte es sich nicht um mitbestimmungspflichtige Maßnahmen. Schließlich ändere sich nichts am Arbeitsort. Der sei und bleibe dieselbe Stadt.
    Das LAG Nürnberg dagegen unterstrich das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmervertretung bei einer Verset-zung. Das greife auch dann, wenn zwei Standorte nur zwölf Kilometer voneinander entfernt sind.
    Selbst dann, „wenn sich weder die Arbeitsaufgabe noch die Verantwortung noch die Eingliederung in die Organisa-tion ändern“, löst „die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches im Sine des § 95 Abs. 3 BetrVG“ dann „eine Zu-stimmungspflicht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG aus“, wenn die Versetzung die Dauer von vier Wochen über-schreitet, so die Richter.
    Im vorliegenden Fall sei „der Arbeitsort wegen der entsprechenden Nähe“ nicht vernachlässigbar. Vielmehr ist „die Zuweisung der Arbeit am anderen Klinikstandort als Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches anzusehen“ und somit mitbestimmungspflichtig. Da eine Zustimmung des Betriebsrats nicht vorliege, seien die Versetzungen un-wirksam und aufzuheben. Revision zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt wurde wegen der grundsätzlichen Bedeu-tung zugelassen.
    LAG Nürnberg vom 10.05.2021 Az.: 1 TaBV 3/21
  • Entschädigung eines schwerbehinderten Bewerbers BAG 25.01.2021 8 AZR 313/21
  • Einsichtsrecht bei Bewerbungen BAG, Beschluss vom 16.09.2020, 7 ABR 2/20 BAG, Beschluss vom 16.09.2020, 7 ABR 2/20
  • Benachteiligung wegen Schwerbehinderung? BAG vom 27.08.2020, Az.: 8 AZR 45/19
  • Beschäftigungsanspruch BAG, Urteil vom 3.12.2019, 9 AZR 78/19
  • Entschädigung – Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.01.2020, 5 Sa 128/19
  • Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 27.11.2019 – 15 Sa 949/19
  • Benachteiligung schwerbehinderter Bewerber bei der Einstellung (7434 €) BAG, Urteil vom 23. Januar 2020 – 8 AZR 484/18 –
  • 2000 € – sbM nicht eingeladen Arbeitsgericht München, Az: 12 Ca 6331/19 vom 23.01.2020
  • SBV kann Maßnahme stoppen ArbG Berlin – 07.03.2019 – 58 BVGa 2319/19
  • Fast 10.000 € Entschädigung, weil die SBV im Vorstellungsgespräch fehlt  ArbG Dresden, Urteil vom 19. Dezember 2018-13 CA 275/18
  • Muss ein Bewerber im Öff. Dienst immer eingeladen werden? LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18. 12. 2018 – 1 Sa 26 öD/18 ‑
  • Einladung von sbM auch bei interner Ausschreibung LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.11.2018, Az: 21 Sa 1643/17 
  • Gleichzeitige Beteiligung von 2 SBV´n Bay. VGH Beschluss vom 23.02.2018, 6 CS 17.2556
  • Vorstellungsgespräch: Interne bzw. externe Bewerber VG Schleswig, Beschluss vom 26.07.2018 – 12 B 49/17
  • Einstellung – Wiederholte Bewerbung – Diskriminierung? ArbG Karlsruhe 26.1.2016, 2 Ca 425/15
  • Die Benachteiligung eines Schwerbehinderten ist bereits durch den Arbeitsvertrag möglich ArbG Hamburg vom 27.6.201720 Ca 22/17
  • Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung Hessisches LAG Urteil vom 02.11.2015 – 16 Sa 473/15
  • Einladung zum Vorstellungsgespräch – unabhängig von Ergebnis eines Auswahltests LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 9.9.2015 – 3 Sa 36/15
  • Überqualifizierung – Bewerbung – Absage BAG, Urteil vom 20.01.2016 Aktenzeichen 8 AZR 194/14
  • Änderung des Arbeitsortes – Hat der schwerbehinderte Beschäftigte Ansprüche? LAG Hamburg, Urteil vom 15.04.2015 – 5 Sa 107/12
  • Beschäftigungsanspruch – auch wenn ich nicht a l l e Tätigkeiten ausüben kann LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.06.2012, 1 Sa 225 e/11
  • Schwerbehinderung im Bewerbungschreiben mitteilen! BAG, Urteil vom 18.09.2014 – 8 AZR 759/13
  • Mitbestimmung bei Einstellung eines Leiharbeitnehmers (Prüfpflicht nach § 81 SGB IX) BAG Beschluss vom 23.06.2010, 7 ABR 3/09
  • Verstoß gegen die Prüfpflicht gemäß § 164 (1) SGB IX – BR kann Zustimmung verweigern LAG Berlin vom 21.08.2014, Az.: 10 TaBV 671/14
  • Verstoß gegen die Prüfpflicht gemäß § 164 (1) SGB IX – BR kann Zustimmung verweigern LAG Berlin-Brandenburg vom 12.12.2013 – 26 TaBV 1164/13
  • Angemessenheit der Änderungskündigung eines Schwerbehinderten VGH Bayern, Urteil v. 13.11.2012 – 12 B 12.1675 –
  • Benachteiligung im internen Stellenbesetzungsverfahren – 5000 € Arbeitsgericht Frankfurt, Urteil vom 03.07.2013 Az.: 14 Ca 8641/12
  • Benachteiligung der SBV in einem Stellenbesetzungsverfahren – keine nachträgliche Heilung VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.09.2013, 4 S 547/12
  • Frage nach einer Schwerbehinderung bei der Jobsuche ArbG Stuttgart · Urteil vom 16.03.2011 · Az. 30 Ca 1772/10
  • Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung BAG, Urteil vom 22.08.2013 – 8 AZR 574/12 –
  • Beteiligungsrechte der SBV bei der Stellenausschreibung LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 28.06.2012 – 10 TaBV 4/12 –
  • Einstellungen bei Jobcentern BAG, Beschluss vom 15.10.2014, 7 ABR 71/12
  • Kein Vorstellungsgespräch bei interner Ausschreibung BVerwG, Urteil vom 15.12.2011 – 2 A 13. 10
  • Kein Recht auf Bevorzugung für schwerbehinderten Beamten OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.08.2012, Az: 1 A 1777/10
  • Versetzung ohne Anhörung der SBV ist unwirksam LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.10.2011, Az 8 TaBV 9/11
  • Entschädigung wegen Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers bei Einstellung BAG, Urteil vom 16.02.2012, Az 8 AZR 697/10
  • Offensichtlich nicht geeignet – keine Einladung zum Vorstellungsgespräch LAG Schleswig-Holstein, 19.09.2011 – Az: 3 Sa 182/11
  • Falsche Antwort bei der Frage nach Schwerbehinderung BAG, Urteil vom 07.07.2011, Az: 2 AZR 396/10
  • Anspruch auf Beschäftigung gemäß § 164 SGB IX LAG München vom 05.05.2011 – 3 Sa 1241/10
  • Arbeitgeber müssen Besetzung freier Stellen mit Schwerbehinderten prüfen BAG, Urteil vom 13.10.2011 – 8 AZR 608/10 –
  • Entschädigung wegen einer Diskriminierung BVerwG, Urteile vom 03.03.2011- 5 C 15.10 und 16.10
  • Entschädigungsanspruch des schwerbehinderten Bewerbers BAG vom 17.08.2010 – 9 AZR 839/08
  • Keine Prüfung bei Stellenbesetzung durchgeführt – BR darf ablehnen LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.09.2010, Az: 6 TaBV 10/10
  • Schwerbehinderter Beamter – Stellenbesetzung – Beurteilung OVG NRW, Beschluss vom 04.01.2010 – 6 B 1482/09
  • Rechte der SBV bei Besetzung von Führungsstellen BAG, Beschluss vom 17.08.2010 Az.: 9 ABR 83/09
  • Keine Prüfungs- und Meldepflichten bei interner Stellenbesetzung LAG Köln, Beschluss vom 08.02.2010 – 5 TaBV 73/09
  • Schwerbehinderte Bewerber im ÖD – Einladen? Ja, aber mit Ausnahmen BAG, Urteil vom 21.07.2009, 9 AZR 431/08
  • Förderung der Aus- und Weiterbildung ist kein Befristungsgrund BAG, Urteil vom 22.04.2009, Az. 7 AZR 96/08
  • Einstellung; schwerbehinderter Mensch; freier Arbeitsplatz LAG Köln – 14.11.2007 – 7 TaBV 50/07
  • Unterlassene Anhörung bei Beförderung eines Beamten OVG Münster, Beschluss vom 19.06.2007 – 6 B 383/07Urteilsbesprechung
  • Freie Stelle im Betrieb – Anfragen bei der AfA – sonst Ablehnungsgrund BAG vom 12.09.2006 – 9 AZR 807/05
  • Informationsrechte der Schwerbehindertenvertretung BAG, Beschluss vom 15.08.2006 – 9 ABR 61/05
  • Beteiligung der Schwerbehinderung bei Einstellungen Hessisches LAG, 22. März 2006, – 2 Sa 1686/05
  • Personelle Auswahlrichtlinien zulässig? LAG Köln vom 03.05.2005 9 TaBV 76/04
  • Fehlende Beteiligung der SBV bei Einstellung – Schadenersatz ArbG Marburg vom 29,07.2005 2 Ca 65/05
  • Eigenständige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Einstellungen BAG – 9 AZR 635/03
  • Arbeitgeber muss schwerbehinderten Bewerber einladen ArbG Berlin, 91 Ca 17871/03 und 5 Sa 277/05 LAG SH
  • Kranker Arbeitnehmer darf in Teilzeit versetzt werden AG Frankfurt 15 Ca 10479/03
  • Einstellungsunterlagen – Personalberatungsunternehmen BAG, Beschluss vom 18.12.1990 – 1 ABR 15/90
  • Kein Schutz Schwerbehinderter gegen betriebsbedingte Versetzung
  • Frage nach der Schwerbehinderung beim Einstellungsgespräch zulässig?
  • Beschäftigungsanspruch eines Schwerbehinderten und Betriebsratsanhörung
  • Mitbestimmung des Betriebsrates bei Versetzung
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AGG

  • Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG – Benachteiligung schwerbehinderter Menschen
    Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ohne vorherige Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes begründet die Vermutung i.S.v. § 22 AGG, dass er oder sie wegen der Schwerbehinderung benachteiligt worden ist. Grundsätzlich kann auch bei der Berechnung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG vom Bruttomonatsgehalt ausgegangen werden.
    Die Kündigung stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG dar, der eine Entschädigung von vier Gehältern rechtfertigen kann.
    Eigentlich ging es aber in dem Urteil um Abtretung und Pfändung des Anspruches auf Entschädigung wegen des immateriellen Schadens. Dieser fällt auch in die Insolvenzmasse (im Anschluss an BGH 18.06.2020 – IX ZB 11/19). Der benachteiligte Mensch bleibt zwar Anspruchsinhaber, verliert aber die Befugnis, das Recht in eigener Person geltend zu machen. Der Insolvenzverwalter kann den Betroffenen aber ermächtigen, das Recht im eigenen Namen zur Zahlung an den Insolvenzverwalter geltend zu machen
    LAG Baden-Württemberg 17.05.2021 Az: 10 Sa 49/20
  • Keine Diskriminierung
    Öffentliche Arbeitgeber können schwerbehinderte Bewerber wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ablehnen.
    Ein schwerbehinderter Mann hatte sich bei einer Stadt um einen Ausbildungsplatz beworben. Die Stadt sagte dem Mann zu, vorbehaltlich einer noch durchzuführenden ärztlichen Untersuchung. Diese Untersuchung ergab, dass der Mann aufgrund seiner Diabetes Erkrankung für die ausgeschriebene Stelle ungeeignet war. Die Stadt zog die Einstellungszusage wieder zurück.
    Der Bewerber verklagte die Stadt auf Schadensersetz wegen Diskriminierung eines schwerbehinderten Menschen.
    Das Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg sah in der Absage der Stadt keine Diskriminierung oder Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Eine Ungleichbehandlung mit anderen, nicht behinderten Bewerbern lag nicht vor. Die Absage wurde nicht mit der Behinderung des Bewerbers begründet. Die Absage erfolgte ausschließlich aufgrund des Attestes, das dem Mann mangelnde gesundheitliche Eignung bescheinigte.
    ArbG Siegburg 0.03.2024 Az. 3 Ca 1654/23
  • Diskriminierung von Männern, diesmal gerechtfertigt
    Im vorliegenden Fall wurde eine Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten für eine Frau ausgeschrieben. Die Ausschreibung stellt eine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar, kann aber durch § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt sein. Maßgeblich für die Rechtfertigung ist der Stellen- und Aufgabenzuschnitt der zu besetzenden Stelle. Zwar kann ein Mann grundsätzlich in gleicher Weise wie eine Frau an der Gleichberechtigung von Männern und Frauen mitwirken und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickeln. Nach der Stellenanzeige und dem beschriebenen Aufgabenbereich sollte die Gleichstellungsbeauftragte u.a. Hochschulangehörige in allen Fragen der Gleichstellung, der Vereinbarkeit von Studium und Beruf sowie in Fällen von Diskriminierung, sexueller Belästigung etc. beraten. Das Gericht entschied, dass die Diskriminierung gerechtfertigt war, da die Gleichstellungsbeauftragte insbesondere zuständig war als Ansprechpartnerin bei sexuellen Belästigungen, deren Hauptbetroffene Frauen sind.
    LAG Niedersachsen 24.02.2023 AZ. 16 Sa 671/22
  • Gleichbehandlung für behinderte Praktikanten
    Arbeitgeber müssen auch bei der Einstellung schwerbehinderter Praktikanten die gesetzlichen Vorschriften zur Gleichbehandlung behinderter Menschen beachten. Dient das Praktikum dem Erwerb „beruflicher Fähigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder beruflicher Erfahrungen“, kann bei einer Benachteiligung wegen der Behinderung ein Entschädigungsanspruch bestehen.
    Im Leitsatz des Bundesarbeitsgerichtsurteils (BAG) heißt es:
    Dem persönlichen Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AGG unterfallen auch Praktikanten, die im Sinne des § 26 BBiG eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben.
    BAG Az. 8 AZR 212/22
  • Benzin im Blut
    Im vorliegenden Fall schaltete ein Tankstellenpächter eine Stellenanzeige mit dem Wortlaut:
    „Wir sind ein junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut und suchen Verstärkung!“
    Ein nicht berücksichtigter Bewerber im Alter von 50 Jahren verlangte Schadensersatz wegen Altersdiskriminierung nach dem AGG. Seiner Meinung nach bezog sich das Wort „jung“ auf das Alter der auszusuchenden Teammitglieder.
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern sah in der Formulierung jedoch keine Diskriminierung und lehnet die Schadensersatzforderung ab. Eine Stellenausschreibung wie hier im Fall, stellt keine unmittelbare Diskriminierung des Alters dar und ist deshalb nicht geeignet, die Vermutung im Sinne von § 22 AGG zu begründen. Eine allgemein gültige Definition von „jung“ besteht nicht. Welches Alter bzw. welche Altersgruppe damit bezeichnet wird, definiert sich auch aus der Sicht des jeweiligen Betrachters.
    LAG Mecklenburg-Vorpommern 17.10.2023 Az. 2 Sa 61/23
  • Diskriminierung von Männern, diesmal gerechtfertigt
    Im vorliegenden Fall wurde eine Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten für eine Frau ausgeschrieben. Die Ausschreibung stellt eine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar, kann aber durch § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt sein. Maßgeblich für die Rechtfertigung ist der Stellen- und Aufgabenzuschnitt der zu besetzenden Stelle. Zwar kann ein Mann grundsätzlich in gleicher Weise wie eine Frau an der Gleichberechtigung von Männern und Frauen mitwirken und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickeln. Nach der Stellenanzeige und dem beschriebenen Aufgabenbereich sollte die Gleichstellungsbeauftragte u.a. Hochschulangehörige in allen Fragen der Gleichstellung, der Vereinbarkeit von Studium und Beruf sowie in Fällen von Diskriminierung, sexueller Belästigung etc. beraten. Das Gericht entschied, dass die Diskriminierung gerechtfertigt war, da die Gleichstellungsbeauftragte insbesondere zuständig war als Ansprechpartnerin bei sexuellen Belästigungen, deren Hauptbetroffene Frauen sind.
    LAG Niedersachsen 24.02.2023 AZ. 16 Sa 671/22
  • Flinke Frauenhände diskriminieren Männer
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Stelle die Fingerfertigkeit, Geschick und konzentriertes Arbeiten verlangte. Kleinteile musste teils mit Pinzette platziert werden. Ein männlicher Bewerber wurde mit der Begründung abgelehnt, die Arbeit sei eher etwas für flinke Frauenhände.
    Der Arbeitgeber begründete die Absage weiter mit den großen Händen des Mannes, ohne ihm die Chance zu geben, zum Beispiel bei einem Probearbeiten seine Fingerfertigkeit unter Beweis zu stellen.
    Das Gericht sprach dem Mann 2500€ Schadensersatz zu wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (§ 15 AGG).
    LAG Nürnberg 13.12.2022 Az 7 Sa 168/22
  • Lohngleichheit
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Vertriebsangestellte, die nachweislich erheblich weniger Geld bekam als ein männlicher Kollege, obwohl sie die gleiche Arbeit machte. Sie verlangte das Gehalt und eine Diskriminierungsentschädigung.
    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) verurteilte den Arbeitgeber zur Nachzahlung des Gehalts gemäß § 7 EntgTranspG und zur Zahlung von 2000€ Diskriminierungsentschädigung gemäß § 15 (2) AGG.
    BAG 16.02.2023 8 AZR 450/21
  • Entschädigung eines schwerbehinderten Bewerbers BAG 25.01.2021 8 AZR 313/21
  • Entschädigung – Benachteiligung schwerbehinderter Menschen LAG Baden-Württemberg 17.05.2021 Az: 10 Sa 49/20
  • Entschädigung – Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.01.2020, 5 Sa 128/19
  • Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 27.11.2019 – 15 Sa 949/19
  • Benachteiligung schwerbehinderter Bewerber bei der Einstellung (7434 €) BAG, Urteil vom 23. Januar 2020 – 8 AZR 484/18 –
  • 2000 € – sbM nicht eingeladen Arbeitsgericht München, Az: 12 Ca 6331/19 vom 23.01.2020
  • Fast 10.000 € Entschädigung, weil die SBV im Vorstellungsgespräch fehlt  ArbG Dresden, Urteil vom 19. Dezember 2018-13 CA 275/18
  • Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers – Entschädigungsanspruch LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.11.2018, Az: 21 Sa 1643/17 
  • Einstellung – Wiederholte Bewerbung – Diskriminierung? ArbG Karlsruhe 26.1.2016, 2 Ca 425/15
  • Fehlende Bestellung eines Schwerbehindertenbeauftragten ist Indiz für eine Diskriminierung LAG Hamm, Urteil vom 13.06.2017, Az: 14 Sa 1427/16
  • Schwerbehinderter Bewerber bekommt Entschädigung BAG, Urteil vom 11. August 2016 – 8 AZR 375/15 –
  • Kein Anspruch auf Präventionsverfahren in der Probezeit BAG, Urteil vom 21. April 2016 – 8 AZR 402/14 –
  • Diskriminierung Schwerbehinderter durch einen Sozialplan BAG, Urteil vom 17.11.2015 – 1 AZR 938/13 –
  • AGG – Benachteiligung im internen Stellenbesetzungsverfahren – 5000 € Arbeitsgericht Frankfurt, Urteil vom 03.07.2013 Az.: 14 Ca 8641/12
  • Benachteiligung der SBV in einem Stellenbesetzungsverfahren – keine nachträgliche Heilung VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.09.2013, 4 S 547/12
  • Frage nach einer Schwerbehinderung bei der Jobsuche ArbG Stuttgart · Urteil vom 16.03.2011 · Az. 30 Ca 1772/10
  • Entschädigungsanspruch – abgelehnter Bewerber – Benachteiligung wegen Behinderung BAG, Urteil vom 21.02.2013 – 8 AZR 180/12
  • Entschädigung wegen Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers bei Einstellung BAG, Urteil vom 16.02.2012, Az 8 AZR 697/10
  • Falsche Antwort bei der Frage nach Schwerbehinderung BAG, Urteil vom 07.07.2011, Az: 2 AZR 396/10
  • Entschädigung wegen einer Diskriminierung BVerwG, Urteile vom 03.03.2011- 5 C 15.10 und 16.10
  • Schutz behinderter, aber nicht schwerbehinderter Menschen BAG, Urteil vom 27.01.2011 – 8 AZR 580/09 –
  • Stellenanzeige ohne Hinweis auf erwünschte Bewerbungen sbM – kein Entschädigungsanspruch! LAG Köln, Urteil v. 21.01.2009 – 3 Sa 1369/08
  • Entschädigungsklagen nach dem AGG bei Bewerbungsverfahrensfehlern Hessisches LAG Urteile vom 28.08.200919/3 Sa 340/08 und 19/3 Sa 1636/08
  • Beschwerdestelle nach AGG und Mitbestimmung des Betriebsrats BAG, Beschluss vom 21.07.2009 – 1 ABR 42/08 –
  • Benachteiligung durch Nichtlesen der Bewerbung BAG, Urteil vom 16.09.2008, 9 AZR 791/07
  • Entschädigungsanspruch für Bewerber mit einem GdB von weniger als 50 BAG, Urteil vom 03.04.2007 – 9 AZR 823/06
  • EuGH weitet Schutz aus – Diskriminierung nicht auf Personen mit einer Behinderung beschränkt EuGH Urteil vom 17.07.2008 – C-303/06 –
  • Kein Entschädigungsanspruch wenn Behinderung erst nachträglich festgestellt wird Hessisches LAG, Urteil vom 27.06.2007, Az. 2 Sa 219/07
  • Beschwerdestelle ist einigungsstellenfähig
    LAG Nürnberg, Beschluss vom 19.02.2008, Az: 6 TaBV 80/07
    ArbG Frankfurt/Main, Urteil vom 23.10 2006, Az: 21 BV 690/06
    LAG Saarbrücken, Beschluss vom 6. Juni 2007, Az.: 2 TaBV 2/07
  • Kündigung unwirksam – Verstoß gegen das AGG ArbG Osnabrück, 05.02.2007 – 3 Ca 721/06
  • Neuere Rechtsprechung zur Vermutung einer Benachteiligung – Urteilsbesprechungen
    BAG, Urt. v. 15.2.2005 – 9 AZR 635/03 – LArbG Frankfurt, Urt. v. 7.11.2005 – 7 Sa 473/05 – LArbG Schleswig-Holstein, Urt. v. 8.11.2005 – 5 Sa 277/05
  • Fehlende Unterrichtung bei einer Bewerbung kann teuer (hier 1000 Euro) werden! Hessisches LAG, 22.03.2006 – Az: 2 Sa 1686/05
  • Kein „Entschädigungshopping“ LAG Schleswig-Holstein – 5 Sa 152/06
  • Einstellung: Diskriminierung wegen Schwerbehinderung BAG 15.02.2005, 9 AZR 635/03
  • Urteilsbesprechung zum Diskriminierungsverbot ArbG Berlin, 13.07.2005, Az.: 86 Ca 24618/04
  • Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft
  • Schwerbehinderter erhält wegen Diskriminierung Entschädigung
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Gleichstellung

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Arbeit von SBV, BR, PR, MAV

  • SBV hat Einsichtsrecht in alle entscheidungsrelevanten Bestandteile der Bewerbungsunterlagen
    Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die SBV auch bei Entfristungen zu beteiligen ist und Anspruch auf dienstliche Beurteilungen hat, wenn diese entscheidungsrelevant sind.
    Im vorliegenden Fall ging es um Entfristungen ohne Stellenausschreibungen. Bei der Auswahl der zu entfristenden Personen waren dienstliche Beurteilungen für den Arbeitgeber mitentscheidend. Diese dienstlichen Beurteilungen als Ganzes, wurden der SBV vorenthalten.
    Das BAG stellt klar, dass die SBV, um vorab Einfluss nehmen zu können, auch bei Entfristungen nicht nur zu informieren, sondern anzuhören ist. Um schwerbehinderte Bewerbende mit nicht behinderten Bewerberbenden vergleichen zu können, um sicherzustellen, dass es nicht zu Benachteiligungen kommt, hat die SBV das Recht alle entscheidungsrelevanten Unterlagen einzusehen. Bei der Entscheidung welche Unterlagen für die SBV relevant sind, steht der SBV ein eigener Beurteilungsspielraum zu. Liegen allgemeine Beurteilungsrichtlinien dienstlichen Beurteilungen zugrunde, hat die SBV auch den Anspruch, diese Richtlinien einzusehen.
    BAG 7 ABR 2/20
  • Datenschutz und Gleichbehandlung (AGG) sind Themen der SBV
    In vorliegenden Fall ging es um die Freistellung und Übernahme von Seminargebühren und Hotelkosten für die Teilnahme einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen an einem Seminar zum Thema: Datenschutz und Gleichbehandlung. Die Arbeitgeberin lehnte Kostenübernahme wegen fehlender Erforderlichkeit ab. Eine Seminarteilnahme darf die SBV laut LAG für erforderlich halten, wenn die vermittelten Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb notwendig sind. Das war hier beim AGG-Teil der Fall. Ist das Seminar auf die Vermittlung von Spezialwissen ausgerichtet – wie in diesem Fall der datenschutzrechtliche Teil der Veranstaltung – ist zu hinterfragen, ob dieses Spezialwissen für die aktuelle Situation in der Dienststelle erforderlich ist, also für die praktische Arbeit benötigt wird. Das war im vorliegenden Fall gegeben, da aktuell datenschutzrelevante Fragen in der Dienststelle diskutiert wurden und die SBV darin involviert war.
    LAG Berlin-Brandenburg (09.03.2021) Az 11 TaBV 1371/20
  • Laptop für den Betriebsrat
    Im vorliegenden Fall beantragte ein Betriebsrat ein Laptop für mobile Betriebsratsarbeit. Der Arbeitgeber lehnte die Kostentragung ab mit dem Hinweis, Betriebsratsarbeit habe in den Räumlichkeiten der Betriebsstätte stattzufinden und das dortige Büro sei mit einem PC ausgestattet.
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln bejaht den Anspruch des Betriebsrats auf ein Laptop mit gewünschten Merkmalen und entsprechender Software. Die Anschaffung eines Laptops bewege sich im Beurteilungsspielraum des Betriebsrats. Ein Laptop ist notwendig für die Erledigung der gesetzlichen Aufgaben. § 30 BetrVG unterstützt den Anspruch insofern, als Betriebsratssitzungen auch mittels Videokonferenz stattfinden können.
    Eine Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Die SBV hat gemäß SGB IX dieselbe Rechtsstellung wie der Betriebsrat. Somit ist die Rechtsprechung grundsätzlich für die SBV-Arbeit übertragbar.
    LAG Köln 24.06.2022 Az.: 9 TaBV 52/21
  • Präsenzseminar vor Webinar
    Im vorliegenden Fall ging es um die Personalvertretung einer Luftverkehrsgesellschaft, für die das Betriebsverfassungsgesetz gilt. Konkret ging es um die Entsendung zu einem Präsenzseminar und die Pflicht zur Kostentragung der Arbeitgeberin gemäß § 40 BetrVG.
    Die Arbeitgeberin verweigerte die Übernahme der Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten mit dem Hinweis, dass es kostengünstigere Seminare näher am Arbeitsplatz und vor allem Webinare zum Thema gäbe. Die Interessenvertretung (IV) war der Meinung, dass sie sich grundsätzlich nicht auf Online-Seminare verweisen lassen muss. Die Termine der anderen Präsentseminare, näher vor Ort, kamen aus privaten Gründen nicht in Frage.
    Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) führte aus, dass die Arbeitgeberin gemäß § 40 BetrVG sämtliche Kosten für die Teilnahme eines Seminares zu tragen hat, wenn das Seminar Inhalte vermittelt, die für die Arbeit der Interessenvertretung erforderlich sind. Dies war hier inhaltlich gegeben.
    Auf ein Webinar anstelle einer Präsenzveranstaltung muss sich die IV nicht verweisen lassen. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat sie die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Allerdings ist der IV bei der Seminarauswahl ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen nach Ansicht der IV innerhalb dieses Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kommt eine Beschränkung der Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin auf die Kosten des preiswerteren Seminars in Betracht. Es ist vom Beurteilungsspielraum der IV gedeckt, wenn sie selbst ein inhaltgleiches Webinar mit einer entsprechenden Präsenzveranstaltung nicht für qualitativ vergleichbar erachtet. Die Einschätzung, dass der Lerneffekt im Rahmen einer Präsenzveranstaltung deutlich höher ist als bei einem Webinar, ist nicht zu beanstanden. Ein Austausch und eine Diskussion über bestimmte Themen sind bei einem Webinar in weitaus schlechterem Maße möglich als bei einer Präsenzveranstaltung. Insoweit ist das Webinar eher als Frontalunterricht anzusehen, was wohl auch daran liegen dürfte, dass die Hemmschwelle, sich online an Diskussionen zu beteiligen, weitaus höher ist als bei einem Präsenzseminar. Die Rechtsbeschwerde ist zugelassen.
    LAG Düsseldorf 24.11.2022 – 8 TaBV 59/21
    Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg.
    Ebenso wie ein Betriebsrat hat die Personalvertretung einen gewissen Spielraum in der Frage, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsendet. Diese Rechtsprechung ist auf die SBV anwendbar.
    Dieser Spielraum umfasse grundsätzlich auch das Schulungsformat. Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass bei einem Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung der Schulungsteilnehmer regelmäßig höhere Kosten anfallen als bei einem Webinar.
    Nach §§ 40, 37 Abs. 6 BetrVG haben Betriebsräte darauf Anspruch, dass der Arbeitgeber die Kosten der für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Schulungen trägt. Dazu gehören auch die Übernachtungs- und Verpflegungskosten von Präsenzseminaren.
    BAG 07.02.2024 Az.: 7 ABR 8/23
  • Betriebsratsvorsitzende dürfen allein keine Betriebsvereinbarung abschließen
    Im vorliegenden Fall ging es um Entgeltfragen basierend auf einer Betriebsvereinbarung, die ein BR Vorsitzender ohne Beschluss seines Gremiums unterzeichnet hatte. Ein Beschäftigter klagte gegen die daraus resultierende Entgelteinbuße.
    Das Bundesarbeitsgericht hat bestätigt, dass das Betriebsratsgremium als Kollektivorgan seinen gemeinsamen Willen durch Beschluss bildet. Eine Erklärung des Vorsitzenden, die nicht von einem solchen Beschluss gedeckt ist, kann keine Rechtswirkung entfalten. Das BAG hat weiter klargestellt, dass es Arbeitgeberpflicht ist, sich zu vergewissern, ob ein gültiger Beschluss des BR vorliegt oder nicht. Die Mittel dazu gibt ihm das Betriebsverfassungsgesetz.
    Entweder können Arbeitgeber nach § 29 Abs 4 eine BR Sitzung verlangen, an der sie selbst teilnehmen dürfen oder Abschrift des Teiles der Sitzungsniederschrift nach §§ 29 Abs. 4 und 34 Abs. 2 verlangen, der die Beschlussfassung des Gremiums festhält.
    BAG 08.02.2022 Az 1 AZR 233/21
  • Das Mandat der SBV endet nicht automatisch, wenn die Anzahl der wahlberechtigten Menschen während der Amtszeit unter den Wert von 5 absinkt.
    Das Bundesarbeitsgericht musste sich mit dieser Frage beschäftigen, nachdem das Arbeitsgericht Köln und das LAG Köln diese Frage anders entschieden hatten. Die Vorinstanzen waren der Auffassung, dass der Grundsatz des Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) auf die SBV übertragbar ist. Laut BetrVG endet die Amtszeit des Betriebsrates bei Absinken unter 5 wahlberechtigte Beschäftigte.
    Das BAG hob diese Entscheidung auf und entschied, dass das Amt der SBV nicht vorzeitig endet. Der Schwellenwert von 5 schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten muss nur zum Zeitpunkt der Wahl erfüllt sein (§ 177 Abs. 1 SGB IX). Ein vorzeitiges Ende ist im SGB IX nicht vorgesehen.
    BAG 19.10.2022 7 ABR 27/21
  • Schulungsanspruch der SBV
    Die SBV muss vieles können und hat den Anspruch nach SGB IX sich für ihre Aufgaben schulen zu lassen.

    Ein Anspruch auf Schulung für die Aufgaben einer SBV steht der Vertrauensperson und zumindest der ersten Stellvertretung zu (§ 179 Abs. 4). Dieser Anspruch gilt für alle Schulungen die Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der SBV erforderlich sind. Diese Kosten muss der Arbeitgeber tragen (§ 179 Abs. 8). Zur Frage der Erforderlichkeit lässt sich sagen:
    Grundlagenschulungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BAG stets zu bezahlen und erfordern keine besondere Begründung. Grundlagenschulungen sind solche Schulungen, die die SBV überhaupt erst in die Lage versetzen anstehende Aufgaben bewältigen zu können.
    Aufgaben, Rechte und Pflichten, die das Amt mit sich bringt (BAG, 08.06.2016 – 7 ABR 39/14):

    Arbeiten mit Gesetzen und juristischer Literatur
    Systematik und Hierarchie von gesetzlichen Regelungen
    Wahrnehmung von Kontrollaufgaben
    Kenntnisse des SGB IX
    Grundlegende Kenntnisse des BetrVG bzw. des BPersVG
    Amtsführung der SBV und praktische Umsetzung
    Zusammenarbeit mit BR oder PR bzw. externer Kooperationspartner
    Spezialschulungen sind grundsätzlich auch erforderlich, müssen aber speziell begründet werden. Die Schulung kann damit begründet werden, dass ein aktueller betriebsbezogener Anlass besteht, aufgrund dessen die SBV annehmen kann, dass die zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft benötigt werden. Nur mit diesen Kenntnissen kann die SBV ihre Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen. Der Gesetzgeber erkennt eine Augenhöhe zwischen SBV und Arbeitgeber an in Bezug auf Wissen und Fähigkeiten.
    Ob eine Schulung erforderlich ist entscheidet zunächst die SBV selbst. Der Gesetzgeber gewährt der SBV diesbezüglich einen gewissen Beurteilungsspielraum. Im Streitfall muss die SBV allerdings dem Gericht nachvollziehbar darlegen, warum sie eine bestimmte Schulung für erforderlich gehalten hat. Die SBV muss bei der Beurteilung die betriebliche Situation und die finanzielle Belastung des Arbeitgebers berücksichtigen. Das heißt aber nicht, dass die SBV die billigste oder kürzeste Schulung auswählen muss. Schulungszweck und aufzuwendende Mittel müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen (LAG Berlin 30.09.2020 – 24 TaBV 817/19).
    SBV-Mandat endet nicht vorzeitig

  • Privatsphäre im Betriebsratsbüro
    Im vorliegenden Fall wollte ein Arbeitgeber die Räumlichkeiten seines Betriebsrates anderweitig nutzen und wies diesem andere Räumlichkeiten für deren Büros zu. Der Betriebsrat weigerte sich zunächst umzuziehen, weil seiner Meinung nach, die neuen Räumlichkeiten ungeeignet waren. Konkret bemängelte der BR den fehlenden Schall- und Sichtschutz.
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen gab dem Betriebsrat letztlich Recht. Räumlichkeiten des Betriebsrates müssen optisch und akustisch soweit abgeschirmt sein, dass sie von Zufallszeugen von außen nicht eingesehen und abgehört werden können.
    Hessischen LAG Az. 16 TaBV 151/22
  • Grenzen der SBV-Beteiligung
    Im vorliegenden Fall musste das Bundesarbeitsgericht (BAG) klären, inwieweit die SBV im Bewerbungsverfahren zu beteiligen ist, wenn der Bewerber einen Antrag auf Gleichstellung gestellt hat, über den allerdings noch nicht positiv entschieden wurde.
    Konkret ging es um einen Bewerber mit GdB 40, der sich bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) um eine gut bezahlte Praktikantenstelle beworben hatte. Der Mann hatte einen Antrag auf Gleichstellung gestellt, über den aber zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht entschieden war. Die BA, informiert über die Behinderung des Bewerbers und den Antrag, entschied, den Mann nicht einzuladen und sagte ihm telefonisch ab.
    Nach Auffassung des Bewerbers lag hierin eine Benachteiligung auf Grund seiner Behinderung und verlangte nach § 15 Abs. 2 AGG von der BA eine Entschädigung. Weiter war er der Ansicht, dass die SBV hätte ordnungsgemäß beteiligt werden müssen, da der BA sowohl seine Behinderung als auch der laufende Antrag auf Gleichstellung bekannt waren. Er war der Meinung, es liege ein Verstoß gegen die §§ 164 Abs. 1, und 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX vor.
    Das BAG sah keine Indizien für eine Benachteiligung aufgrund Behinderung. Auch die Beteiligungsrechte der SBV sah das BAG nicht verletzt.
    Die BA war nicht verpflichtet die SBV nach den §§ 164 Abs. 1, und 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zu beteiligen. Der Bewerber fiel während des Bewerbungsverfahren noch nicht unter den Anwendungsbereich des SGB IX (3. Teil), da er weder schwerbehindert noch gleichgestellt war.
    Bei Angelegenheiten wie z.B. Versetzung, Umgruppierung, Einstellung und Eingruppierung gilt, die SBV ist nach § 178 Abs. 2 SGB IX erst anzuhören, wenn ein bekannt positiver Bescheid z.B. über die Gleichstellung vorliegt.
    Mit seiner Ansicht, dass eine vorsorgliche Beteiligung der SBV hier nicht geboten ist, bekräftigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung (vergleiche auch zum Thema Umsetzung BAG 22.01.2022 – 7 ABR 18/18).
    Für die SBV bleibt es also dabei, dass eine Beteiligung im Falle einer Stellenbesetzung erst erfolgen muss, wenn mindestens ein Bewerbender schwerbehindert oder gleichgestellt, bzw. offenkundig schwerbehindert ist.
    BAG 23.11.2023 – 8 AZR 212/22
  • BR-Vorsitz und Datenschutzbeauftragter, geht das?
    Im vorliegenden Fall wurde ein teilfreigestellter BR-Vorsitzender zum Datenschutzbeauftragten des Arbeitgebers ernannt. In der Folge mussten die Gerichte klären, ob hier ein möglicher Interessenkonflikt vorliegt oder nicht.
    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diesen Interessenkonflikt klar bejaht. Die hervorgehobene Funktion eines BR-Vorsitzenden hebt die zur Erfüllung der Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten erforderliche Zuverlässigkeit auf.
    BAG 06.06.2023 Az 9 AZR 383/19
  • Präsenzseminar vor Webinar
    Im vorliegenden Fall ging es um die Personalvertretung einer Luftverkehrsgesellschaft, für die das Betriebsverfassungsgesetz gilt. Konkret ging es um die Entsendung zu einem Präsenzseminar und die Pflicht zur Kostentragung der Arbeitgeberin gemäß § 40 BetrVG.
    Die Arbeitgeberin verweigerte die Übernahme der Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten mit dem Hinweis, dass es kostengünstigere Seminare näher am Arbeitsplatz und vor allem Webinare zum Thema gäbe. Die Interessenvertretung (IV) war der Meinung, dass sie sich grundsätzlich nicht auf Online-Seminare verweisen lassen muss. Die Termine der anderen Präsentseminare, näher vor Ort, kamen aus privaten Gründen nicht in Frage.
    Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) führte aus, dass die Arbeitgeberin gemäß § 40 BetrVG sämtliche Kosten für die Teilnahme eines Seminares zu tragen hat, wenn das Seminar Inhalte vermittelt, die für die Arbeit der Interessenvertretung erforderlich sind. Dies war hier inhaltlich gegeben.
    Auf ein Webinar anstelle einer Präsenzveranstaltung muss sich die IV nicht verweisen lassen. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat sie die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Allerdings ist der IV bei der Seminarauswahl ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen nach Ansicht der IV innerhalb dieses Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kommt eine Beschränkung der Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin auf die Kosten des preiswerteren Seminars in Betracht. Es ist vom Beurteilungsspielraum der IV gedeckt, wenn sie selbst ein inhaltgleiches Webinar mit einer entsprechenden Präsenzveranstaltung nicht für qualitativ vergleichbar erachtet. Die Einschätzung, dass der Lerneffekt im Rahmen einer Präsenzveranstaltung deutlich höher ist als bei einem Webinar, ist nicht zu beanstanden. Ein Austausch und eine Diskussion über bestimmte Themen sind bei einem Webinar in weitaus schlechterem Maße möglich als bei einer Präsenzveranstaltung. Insoweit ist das Webinar eher als Frontalunterricht anzusehen, was wohl auch daran liegen dürfte, dass die Hemmschwelle, sich online an Diskussionen zu beteiligen, weitaus höher ist als bei einem Präsenzseminar. Die Rechtsbeschwerde ist zugelassen.
    LAG Düsseldorf 24.11.2022 – 8 TaBV 59/21
  • BR-Beschluss für Rechtsvertretung
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Betriebsrat der einen rechtsgültigen Beschluss gefasst hatte sich vor dem Arbeitsgericht erstinstanzlich von einem Anwalt vertreten zu lassen, um seine Rechte durchzusetzen. Der folgende Prozess vor dem Landesarbeitsgericht scheiterte an einer Formalie.
    Die eingereichten Unterlagen wurden von einem nicht ordnungsgemäß bevollmächtigten Vertreter eingereicht.
    Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg stellte klar, dass der ursprüngliche Beschluss des Betriebsrats nur die Prozessbevollmächtigung für die erste Instanz beinhaltete. Der Betriebsrat hätte für die zweite Instanz einen erneuten Beschluss fassen müssen.
    Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg 02.09.2022 Az: 1 TaBV 773/22
  • Privatsphäre im Betriebsratsbüro
    Im vorliegenden Fall wollte ein Arbeitgeber die Räumlichkeiten seines Betriebsrates anderweitig nutzen und wies diesem andere Räumlichkeiten für deren Büros zu. Der Betriebsrat weigerte sich zunächst umzuziehen, weil seiner Meinung nach, die neuen Räumlichkeiten ungeeignet waren. Konkret bemängelte der BR den fehlenden Schall- und Sichtschutz.
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen gab dem Betriebsrat letztlich Recht. Räumlichkeiten des Betriebsrates müssen optisch und akustisch soweit abgeschirmt sein, dass sie von Zufallszeugen von außen nicht eingesehen und abgehört werden können.
    Hessischen LAG Az. 16 TaBV 151/22
  • Fehlerhafte Anhörung
    Für die Anhörung des Personalrats zur außerordentlichen Kündigung (§ 86 BPersVG) gilt Gleiches wie für die Anhörung des Betriebsrates (§102 BetrVG) und der SBV (§178 Abs. 2 SGB IX). Arbeitgeber müssen vor Ausspruch der Kündigung die Anhörung jeweils richtig durchführen.
    Hier gilt der Grundsatz der sog. „subjektiven Determination“. Das bedeutet, dass Arbeitgeber nichts weglassen dürfen oder entstellenden oder verfälschende Angaben machen.
    Mit anderen Worten, die Arbeitgeber müssen in der Anhörung die Interessenvertretungen so informieren, dass diese die Sachlage zutreffend beurteilen können. Fehlen z.B. entscheidende Angaben bei der Anhörung und hat der Arbeitgeber diese fehlenden Informationen mehr oder weniger bewußt weggelassen, ist die Anhörung nicht ordnungsgemäß erfolgt und die Kündigung deswegen unwirksam. Ob eine Kündigung aber letztlich unwirksam ist oder nicht, entscheidet immer ein Arbeitsrichter im Rahmen einer Kündigungsschutzklage.
    Im vorliegenden Fall ließ ein Arbeitgeber einen Beschäftigten zur Vorbereitung einer Kündigung von einer Detektei beschatten. Ausspioniert wurde die Arztpraxis, die den Mann krankgeschrieben hatte und das Wohnhaus der damaligen Lebensgefährtin des Mannes. Nach erfolgter außerordentlicher Kündigung legte der Mann Kündigungsschutzklage ein und verlangte Entschädigung wegen der erfolgten Videoüberwachung.
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf entschied, dass die Anhörung des Betriebsrats unwirksam war, weil der Arbeitgeber bewusst Teilaspekte des angenommenen Fehlverhaltens weggelassen hatte. Es handelte sich um wesentliche, für den Beschäftigten möglicherweise entlastende Umstände. Konkret hatte der Beschäftigte dem Arbeitgeber vorgeworfen, die ihm per Änderungskündigung zugewiesenen Aufgaben anderweitig vergeben und ihm stattdessen unterwertige Aufgaben übertragen zu haben. Der Arbeitgeber hatte nur einseitig, seine Sicht der Dinge dem Betriebsrat mitgeteilt. Dem Betriebsrat war es somit nicht möglich sich ein vollständiges Bild der Kündigungsgründe zu machen.
    Das LAG Düsseldorf sprach dem Mann auch 1500€ Entschädigung gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu, wegen der Videoüberwachung.
    LAG Düsseldorf 26.04.2023 Az 12 Sa 18/23 Auskunftsanspruch auch für leitende Angestellte
    Die Aufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG i.V.m. § 176 SGB IX, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern, erfasst auch die Gruppe der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten leitenden Angestellten.
    Im vorliegenden Fall verlangte ein Betriebsrat Auskunft über die Anzahl der schwerbehinderten Beschäftigten und eine Namensliste. Als Begründung nannte der Betriebsrat seinen gesetzlichen Auftrag. Die Arbeitgeberin verweigerte die Auskunft und verwies zudem auf den Datenschutz. Dem Betriebsrat wurde lediglich mitgeteilt, dass der Schwellenwert für eine Wahl der Schwerbehindertenvertretung im Betrieb erreicht sei. Der Betriebsrat war der Ansicht, dass Datenschutzrechtliche Gründe seinem Auskunftsanspruch nicht entgegenstehen, zumal ein entsprechendes Datenschutzkonzept erstelle worden war.
    Das Bundesarbeitsgericht hob die Aufgabe des Betriebsrats hervor, sich um die schwerbehinderten Beschäftigten zu kümmern und zu überwachen, ob die Arbeitgeberin ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommt. U.a. die Gestaltung behindertengerechter Arbeitsplätze und die Förderung von Teilzeit.
    Das BAG entschied, dass der Betriebsrat seinen Aufgaben nur nachkommen kann, wenn er die Namen aller dem Arbeitgeber bekannten schwerbehinderten und deren gleichgestellten Beschäftigter kennt. Dies gelte ohne Einschränkung auch für schwerbehinderte oder gleichgestellte leitende Angestellte. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und den Zielen des Gesetzgebers. Welche Aufgaben und Befugnisse schwerbehinderte Menschen im Betrieb haben, darauf kommt es nicht an.
    Weiter stellte das BAG klar, dass der Datenschutz dem Auskunftsanspruch des Betriebsrates nicht entgegensteht, wenn dieser ein entsprechendes Datenschutzkonzept vorweisen kann. Eine Zustimmung der betroffenen Beschäftigten zur Weitergabe der Daten an den Betriebsrat ist dann nicht erforderlich.
    BAG 09.05.2023 1 ABR 14/22
  • Handy Nutzung am Arbeitsplatz
    Im vorliegenden Fall verbot ein Arbeitgeber mit Aushang die private Handy Nutzung während der Arbeitszeit ohne den Betriebsrat zu beteiligen. Dieser verlangte bei der Ausgestaltung des Verbots beteiligt zu werden und forderte seine Mitbestimmung ein.
    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied zugunsten des Arbeitgebers. Die Weisung betrifft unmittelbar das Arbeitsverhalten der Beschäftigten und somit steht dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zu. Der Arbeitgeber kann im Rahmen des Direktionsrechts einseitig ein Verbot aussprechen.
    Die ausführliche Begründung des BAG steht noch aus.
    BAG 17.10.2023 (Az.: 1 ABR 24/22)
  • Soziale Medien
    Im vorliegenden Fall ging es um eine öffentliche Verwaltung, die eigene Seiten und Kanäle in den sozialen Medien betrieb. Der zuständige Personalrat forderte seine Mitbestimmung ein, da es sich seiner Ansicht nach um eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten handelte. Alle Nutzer hatten die Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren und Leistung und Verhalten einzelner Beschäftigter thematisieren.
    Nach Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Einrichtung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG).
    Das Bundesverwaltungsgericht (BVG) hat nicht entschieden, dass das Betreiben von Kanälen und Seiten in den sozialen Medien generell der Mitbestimmt unterliegt. Hat aber entschieden, dass das im konkreten Einzelfall sein kann.
    BVG 04.05.2023 Az. 5 P 16.21
  • Hausverbot für BR-Vorsitzenden
    Im vorliegenden Fall sprach ein Arbeitgeber ein Hausverbot gegen den BR-Vorsitzenden aus, wegen angeblicher Urkundenfälschung. Der Vorsitzende wollte dem Arbeitgeber Unterlagen übergeben. Nachdem dieser die Annahme verweigerte, stempelte er diese selber ab, mit einem Stempel aus dem Vorzimmer des Betriebsleiters. Daraufhin leitete der Arbeitgeber gegen den BR-Vorsitzenden ein Ausschlussverfahren aus dem Betriebsrat ein.
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) Frankfurt am Main gab dem Betriebsrat recht und hob das Hausverbot wegen unzulässiger Behinderung der BR-Arbeit auf. Der Vorfall stelle keine so gravierende Störung der Zusammenarbeit dar, dass ein Betretungsverbot gerechtfertigt gewesen wäre.
    Hess. LAG 28.08.2023 Az. 16 TaBVGa 97/23
  • Mandatsverlust des BR
    Im vorliegenden Fall schloss ein Einzelhandelsunternehmen eine Filiale und eröffnete in räumlicher und zeitlicher Nähe eine neue Filiale. Da auch die meisten Mitarbeitenden mit umzogen beantragte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht Regensburg das Weiterbestehen des Mandats für die neue Filiale.
    Nach Ansicht des BR lag hier keine echte Betriebs-Stilllegung vor. Das Arbeitsgericht gab dem BR recht und sah in der Schließung lediglich einen Umzug.
    Das Landesarbeitsgericht München dagegen sah eine echte Stilllegung, da beide Betriebe, zumindest kurz, parallel existierten. Ein Mandat für den neuen Betrieb wurde verneint. Selbst dann, wenn es nur darum gegen wäre, den alten Betriebsrat loszuwerden. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
    LAG München 05.06.2023 Az. 4 TaBV 51/22
  • Schulungsansprüche der SBV sind eindeutig im SGB IX geregelt. Gesetzlich nicht eindeutig geregelt ist, wer die Kosten für Seminare von Bürokräften der SBV tragen muss. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat hierzu Kriterien aufgestellt.
    Im vorliegenden Fall ging es um eine SBV im Öffentlichen Dienst die für 130 schwerbehinderten Menschen zuständig war. Zwei Bürokräfte standen zur Unterstützung an ihrer Seite. Die SBV entsendete die beiden Bürokräfte zu einem Seminar Datenschutz im Büro.
    Der Arbeitgeber lehnte die Kosten für eine Bürokraft ab. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass es keinen gesetzlichen Anspruch gäbe und die geschulte Person, die nichtgeschulte Person unterrichten könne.
    Vor dem LAG bekam die SBV recht. Das Gericht stellte klar, dass die SBV selbstständig und eigenverantwortlich über die erforderlichen Kosten ihrer Bürokräfte entscheidet. Wichtig ist nur, dass es um die konkrete Unterstützung bei gesetzlichen SBV-Aufgaben geht und auch die Interessen der Belegschaft und es Arbeitgebers berücksichtigt werden. Nach diesen Kriterien kann die SBV selbst entscheiden, ob eine Qualifizierung ihrer Bürokräfte erforderlich ist. Die SBV hat einen eigenen Anspruch auf geeignetes Büropersonal, was auch die erforderliche Schulung auf Kosten des Arbeitgebers betrifft.
    Im konkreten Fall kam das LAG zum Ergebnis, dass das Thema Datenschutz für die Bürokräfte zweifelsfrei erforderlich war. Es war auch erforderlich, beide Bürokräfte zu schulen. Eine Weitergabe der Inhalte wäre wegen der didaktischen Aufbereitung des Themas und des erheblichen Zeitaufwandes ineffizient gewesen.
    Das LAG entschied weiter, dass der Arbeitgeber die Seminarkosten als Sachkosten der Bürokräfte nach § 179 Abs. 8 S. 3 SGB IX zu übernehmen hat. Dies umfasst auch den Anspruch auf die Freistellung der Bürokräfte, die für die Teilnahme keinen Urlaub nehmen müssen.
    Interessant an dem Urteil war auch eine Klarstellung des LAG. Die SBV entscheidet selbst, wie viele Bürokräfte sie benötigt.
    Der SBV stehen Bürokräfte in erforderlichem Umfang zu. Wichtig für die SBV ist es, konkrete Aufgaben der Bürokräfte festzuhalten und den Zeitaufwand zu dokumentieren. Eine SBV ist nach § 178 SGB IX nicht verpflichtet, Bürotätigkeiten selbst zu erledigen. Sie kann allerdings nicht verlangen, eine bestimmte Person als Bürokraft zu verlangen, dies legt der Arbeitgeber fest. Sie kann allerdings bei konkreten Anhaltspunkten für fehlendes Vertrauen, bestimmte Personen ablehnen.
    LAG Berlin-Brandenburg 03.11.2022 26 TaBV 751/22
  • Anhörung des BR
    Das Arbeitsgericht Ulm hat die Anforderungen an die Anhörung des Betriebsrats gestärkt und präzisiert.
    Im vorliegenden Fall wurde ein Vertriebsingenieur außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt. Grund war, dass Angebote verspätet erstellt wurden auf die Kunden nun länger warten mussten.
    Dem Arbeitsgericht Ulm kann es aber nicht darauf an, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung des Mannes vorgelegen hat oder nicht. Das AG Ulm erachtete die Kündigungen für unwirksam, weil die Anhörung gemäß § 102 BetrVG des Betriebsrats fehlerhaft gewesen war.
    Der notwendige Inhalt der Unterrichtung nach § 102 BetrVG richtet sich nach Sinn und Zweck der Anhörung, so das AG Ulm. Dieser besteht darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, d. h. auch zugunsten des Beschäftigten auf den Arbeitgeber einzuwirken. Der Betriebsrat soll überprüfen, ob die Kündigungsgründe für die beabsichtigte Kündigung stichhaltig und gewichtig sind. Er soll sich eine eigene Meinung bilden können. Dabei geht es nicht um die selbständige, objektive Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern darum, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss nehmen zu können. Der Inhalt der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist deshalb grundsätzlich subjektiv festgelegt. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat alle Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben.
    Hier hatte der Arbeitgeber dem Betriebsrat in der Anhörung wichtige Mails verschwiegen, die als Rechtfertigungsgrund für mögliche Pflichtverletzungen hätten gelten können. Dem Betriebsrat nicht mitgeteilte Umstände wirken sich zugunsten des Beschäftigten aus.
    Arbeitsgericht Ulm 15.03.2023 – 2 Ca 274/22
  • Mitbestimmung bei Urlaubsgrundsätzen
    Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat seine bisherige Rechtsprechung geändert und die Mitbestimmung eines Personalrats in NRW bei Festlegung von Urlaubsgrundsätzen bejaht. Diese Entscheidung hat bundesweit Bedeutung für alle Landespersonalvertretungsgesetze mit ähnlichen Mitbestimmungstatbeständen.
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Anweisung in einer Klinik, dass sich Beschäftigte nicht mehr stationsübergreifend beim Urlaub vertreten und absprechen durften. Künftig sollte dies nur mehr stationsintern geschehen. Der Personalrat machte im Beschlussverfahren seine Mitbestimmt gelten.
    Das BVerwG hat entschieden, dass von der Formulierung „Aufstellung des Urlaubsplans“ auch die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze erfasst sind.
    Eine frühere Einschränkung des Mitbestimmungsrechts, wegen Anordnung von Grundsätzen aus dringenden dienstlichen Notwendigkeiten, hält das Gericht nicht mehr aufrecht.
    BVerwG 21.09.2022 Az 5 P 17.21
  • SBV-Mandat endet nicht vorzeitig
    Das Mandat der SBV endet nicht automatisch, wenn die Anzahl der wahlberechtigten Menschen während der Amtszeit unter den Wert von 5 absinkt.
    Das Bundesarbeitsgericht musste sich mit dieser Frage beschäftigen, nachdem das Arbeitsgericht Köln und das LAG Köln diese Frage anders entschieden hatten. Die Vorinstanzen waren der Auffassung, dass der Grundsatz des Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) auf die SBV übertragbar ist. Laut BetrVG endet die Amtszeit des Betriebsrates bei Absinken unter 5 wahlberechtigte Beschäftigte.
    Das BAG hob diese Entscheidung auf und entschied, dass das Amt der SBV nicht vorzeitig endet. Der Schwellenwert von 5 schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten muss nur zum Zeitpunkt der Wahl erfüllt sein (§ 177 Abs. 1 SGB IX). Ein vorzeitiges Ende ist im SGB IX nicht vorgesehen.
    BAG 19.10.2022 7 ABR 27/21
  • Auskunft über Leistungsbeurteilung
    Arbeitgeber sind verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung (SBV) vor Mitteilung der nach Betriebsvereinbarung geschuldeten Leistungsbeurteilung an einen schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten hierüber zu unterrichten und die SBV hierzu anzuhören.
    Der Arbeitgeber kann aber Art und Weise der Unterrichtung der SBV selbst festlegen (§ 178 Abs. 2 SGB IX). Die SBV kann keine Unterrichtung durch Einsichtnahme in bestimmte Unterlagen verlangen. Ein generelles Recht zur Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen analog dem BR wurde der SBV verwehrt.
    LAG Hamburg 22.04.2022 7 TaBV 8/21
  • BR-Beschluss für Rechtsvertretung
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Betriebsrat der einen rechtsgültigen Beschluss gefasst hatte sich vor dem Arbeitsgericht erstinstanzlich von einem Anwalt vertreten zu lassen, um seine Rechte durchzusetzen. Der folgende Prozess vor dem Landesarbeitsgericht scheiterte an einer Formalie.
    Die eingereichten Unterlagen wurden von einem nicht ordnungsgemäß bevollmächtigten Vertreter eingereicht.
    Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg stellte klar, dass der ursprüngliche Beschluss des Betriebsrats nur die Prozessbevollmächtigung für die erste Instanz beinhaltete. Der Betriebsrat hätte für die zweite Instanz einen erneuten Beschluss fassen müssen.
    Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg 02.09.2022 Az: 1 TaBV 773/22
  • Ausgestaltung von Arbeitszeiterfassung
    Im vorliegenden Fall wollte ein Betriebsrat seine Mitbestimmung bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung initiativ durchsetzen und bekam recht.
    Konkret ging es um die Zeiterfassung im Außendienst. Bisher lag lediglich eine Konzernbetriebsvereinbarung vor zur Zeiterfassung des Innendienstes. Der Arbeitgeber hatte sich zwar grundsätzlich auf ein System der elektronischen Zeiterfassung festgelegt, verneinte aber das Mitbestimmungsrecht des örtlichen Betriebsrates und verweigerte Verhandlungen mit dem Hinweis auf die unklare Rechtslage nach dem BAG-Urteil (13.09.22 Az. 1 ABR 22/21), insbesondere wegen möglicher Tariföffnungen. Das Arbeitsgericht München bestätigte das Mitbestimmungsrecht des örtlichen Betriebsrates beim „Wie“ der Ausgestaltung der Zeiterfassung und setze eine Einigungsstelle ein. Das Landesarbeitsgericht (LAG) München bestätigte diese Entscheidung. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.
    LAG München 22.05.2023 Az 4 TaBV 24/23
  • Betriebsratsvorsitzende dürfen allein keine Betriebsvereinbarung abschließen
    Im vorliegenden Fall ging es um Entgeltfragen basierend auf einer Betriebsvereinbarung, die ein BR Vorsitzender ohne Beschluss seines Gremiums unterzeichnet hatte. Ein Beschäftigter klagte gegen die daraus resultierende Entgelteinbuße.
    Das Bundesarbeitsgericht hat bestätigt, dass das Betriebsratsgremium als Kollektivorgan seinen gemeinsamen Willen durch Beschluss bildet. Eine Erklärung des Vorsitzenden, die nicht von einem solchen Beschluss gedeckt ist, kann keine Rechtswirkung entfalten. Das BAG hat weiter klargestellt, dass es Arbeitgeberpflicht ist, sich zu vergewissern, ob ein gültiger Beschluss des BR vorliegt oder nicht. Die Mittel dazu gibt ihm das Betriebsverfas-sungsgesetz.
    Entweder können Arbeitgeber nach § 29 Abs 4 eine BR Sitzung verlangen, an der sie selbst teilnehmen dürfen oder Abschrift des Teiles der Sitzungsniederschrift nach §§ 29 Abs. 4 und 34 Abs. 2 verlangen, der die Beschlussfas-sung des Gremiums festhält.
    BAG 08.02.2022 Az 1 AZR 233/21
  • Keine Rücknahme von „Abmahnung“
    Ein Betriebsrat als Gremium hat keinen Anspruch auf Entfernung einer betriebsverfassungsrechtlichen „Abmah-nung“. Es bestehe eine andere Rechtslage als bei einer Abmahnung im Arbeitsverhältnis.
    Im zugrundeliegenden Fall ging es um Haustarifverhandlungen. Im Rahmen dieser Verhandlungen veröffentlichte die Arbeitgeberin einen Aushang in dem sie das Verhalten der Tarifkommission als „Klientelpolitik für Altbeschäf-tigte“ bezeichnete. Der Betriebsrat schrieb daraufhin eine E-Mail an die Arbeitgeberin, in der deutliche Kritik an ihrem Vorgehen in den Verhandlungen geübt wurde.
    Die Arbeitgeberin wiederum reagierte mit einem Schreiben an den Betriebsrat, in dem ein Verstoß gegen die Neut-ralitätspflicht in der Tarifauseinandersetzung angeprangert wurde. Das Schreiben enthielt den Betreff „betriebsver-fassungsrechtliche Abmahnung“.
    Der Betriebsrat hielt die Abmahnung für unzulässig, weil seine Aussagen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Er verlangte die Entfernung der Schreiben aus den Akten der Arbeitgeberin.
    Das Arbeitsgericht Magdeburg verneinte einen Entfernungsanspruch des Betriebsrats. Die §§ 1004, 242 BGB gel-ten für individualrechtliche, aber keine betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen. Der individualrechtliche Ent-fernungsanspruch dient vorrangig dem Schutz des Persönlichkeitsrechts. Der Betriebsrat als Gremium steht aber in keinem arbeitsvertraglichen Schuldverhältnis mit der Arbeitgeberin. Die Nutzung der Formulierung „Abmahnung“ sei hier irreführend, weil es sich nicht um eine Abmahnung gegenüber einem individuellen Betriebsratsmitglied han-delte.
    Arbeitsgericht Magdeburg 12.01.2022 Az.: 10 BV 43/21
  • Anspruch des Betriebsrats auf dienstliche E-Mail-Adressen
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Betriebsrat, der mit der Vorbereitung der Betriebsratswahl beschäftigt war. Dieser verlangte vom Arbeitgeber die Herausgabe der dienstlichen E-Mail-Adressen, die dieser verweigerte. Das LAG bejahte den Anspruch des Betriebsrates, weil dieser die Adressen zur ordnungsgemäßen Amtsführung benö-tigt. Rechtsgrundlage ist § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Der Betriebsrat muss in die Lage versetzt werden, mit allen Beschäftigten zu kommunizieren. Dies ist gerade für die Vorbereitung der Wahl und die Bestellung des Wahlvor-stands sehr wichtig. Anderenfalls kann die angekündigte Abfrage bei den Beschäftigten, wer von ihnen bereit ist, als Wahlvorstand zu agieren, nicht erfolgen.
    LAG Köln (12.10.2021) Aktenzeichen 4 TaBVGa 10/21
  • Tablets bzw. Notebooks für den Betriebsrat
    Im Rahmen des bis Ende Juni 2021 befristeten § 129 BetrVG ist der Betriebsrat berechtigt, Sitzungen per Video-konferenz abzuhalten und benötigt hierfür die notwendigen technischen Mittel. Der Betriebsrat eines großen Textil-unternehmens hatte vom Arbeitgeber die Anschaffung von Tablets bzw. Notebooks gefordert. Welche Geräte kon-kret angeschafft werden, ist dem Arbeitgeber überlassen. Um die Kostentragungspflicht gem. § 40 (2) BetrVG auszulösen, ist es ausreichend, wenn der Betriebsrat die Geräte als „handelsüblich“ und „dem technischen Stan-dard entsprechend“ beschreibt. Auch die befristete Einführung des § 129 BetrVG während der Pandemie ändert daran nichts.
    Hessisches LAG (21.05.2021), Aktenzeichen 16 TaBVGa 79/21
  • Betriebsratssitzung als Videokonferenz zulässig
    Um das Infektionsrisiko während der Corona-Pandemie zu minimieren, wurde § 129 BetrVG eingeführt. Dieser ist aktuell noch bis zum 30.06.2021 gültig und regelt die Möglichkeit per Videokonferenz an BR-Sitzungen teilzuneh-men. Betriebsräte wurden wegen einer solchen Teilnahme abgemahnt und Arbeitszeit und Entgelt vorenthalten. Das Gericht wertete dieses Verhalten des Arbeitgebers als Behinderung der Mitglieder des BR in der Ausübung ihrer Mandatstätigkeit (ArbG Köln Az. 18 BVGa 11/21).
  • Freistellung von angeordneten Bereitschaftszeiten BAG, Urt. v. 27.7.2021 – 9 AZR 448/20
  • Krankheitszeiten – was darf die SBV sehen? LAG Hamm. 10.01.2020  13 TaBV 60/19
  • Abmeldepflicht für Freigestellte BAG, Beschluss vom 24.2.2016, 7 ABR 20/14
  • Verfall von Erholungsurlaub bzw. Zusatzurlaub LAG Niedersachsen Urteil vom 16.01.2019, 2 Sa 567/18 und Besprechung vom EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C 684/16
  • Hat PR oder SBV-Arbeit Vorrang? OVG Berlin-Brandenburg, 23.08.2018, Az:OVG 60 PV 8.17
  • Namensliste der sbM an den Gesamtbetriebsrat BAG, Beschluss vom 20.3.2018, 1 ABR 11/17
  • Ansprüche der Arbeitnehmer bei Versammlungen BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06
  • Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Abmahnungen LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.04.2017 – 7 TaBV 1/17
  • Kein Smartphone für die SBV LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24.10.2017, 5 TaBV 9/17
  • Stellung der SBV gestärkt – Zuständig bereits bei Antragsbeginn, ArbG Berlin, Beschluss vom 17.10.2017, AZ: 16 BV 16895/15
  • Missachtung der SBV bei ERA-Leistungsbeurteilung LAG München, Beschluss vom 26.01.2017, 3 TaBV 95/16
  • Auskunft (Liste) über Schwerbehinderte LAG München, 11.10.2016 – 9 TaBV 49/16
  • Ruhezeit zwischen Nachtschicht und Betriebsratssitzung BAG v. 18. Januar 2017 – 7 AZR 224/15
  • Keinen eigenen Raumanspruch für die SBV ArbG Neunkirchen, Beschluss vom 17.12.2015, 3 BV 11/15
  • SBV-Stellvertretung bei über 200 Wahlberechtigten bei einem Jobcenter ArbG HH, Beschluss vom 19.05.2016, Az: 12 bv 7/15
  • Teilnahme an Vorstellungsgesprächen – Anhörung vor der Auswahlentscheidung LAG Hessen, 17.03.2016 – 9 TaBV 128/15
  • Schwerbehindertenvertretung hat Anspruch auf privater Adressdaten Arbeitsgericht Bonn Beschluss vom 21.1.2015 – 4 BV 81/14 –
  • Anspruch auf Ruhezeit vor Sitzungen LAG Hamm, Urteil vom 20.02.2015, Az.: 13 Sa 1386/14
  • Rechtzeitige Beteiligung der SBV bei Abmahnungen ArbG Bochum, Beschluss vom 29.09.2014, AZ: 3 BV 1/14
  • Betriebliche Vertrauensperson wird nicht zum Konzernschwerbehindertenvertreter LAG Hamburg, Beschluss vom 07.02.2013, Aktenzeichen: 7 TaBV 10/12
  • Einstweilige Verfügung auch für Schulungen der SBV möglich Hessisches LAG, Urteil vom 04.04.2013, Az.: 16 TaBVGa 57/13
  • Mitglied mit Doppelmandat muss nicht ersetzt werden Hess. LAG, Beschluss vom 01.11.2012, Aktenzeichen: 9 TaBV 156/12
  • Freistellung: Zum Schwellenwert „200“ zählen auch befristet zugewiesene Mitarbeiter ArbG Berlin, Beschluss vom 07.03.2013 – 33 BV 14898/12
  • Folgen der Nichtbekanntgabe von Sitzungen des Personalrats gegenüber der SBV VG Ansbach, Beschluss v. 17.04.2012 – AN 8 P 11.02408 –
  • Freistellung der GSBV ArbG Heilbronn, Beschluss v. 30.08.2012 – 7 BV 5/12 –
  • Teilnahe an der BR-Sitzung trotz Wahlanfechtung LAG Hessen v. 05.07.2012 – 9 TaBVGa 158/12
  • Versetzung in den Ruhestand – Beteiligung Integrationsamt BAG, Urteil vom 24.05.2012 – 6 AZR 679/10
  • Höhergruppierung bei teilfreigestellten Personalrat (SBV) ArbG Stuttgart am 22.02.2012, Az. 22 Ca 6204/11
  • Aufhebungsvertrag – Anhörung der SBV, Beschluss vom 14.03.2012 Aktenzeichen: 7 ABR 67/10
  • Arbeitsbefreiung für außerhalb der persönlichen Arbeitszeit geleistete BR- oder SBV-Tätigkeit – BAG, Urteil vom 15.02.2012 – 7 AZR 774/10 –
  • SBV und BR-Mandat – kein Vertretungsfall Arbeitsgericht Frankfurt, Beschluss vom 20.03.2012, Az.: 5 BV 619/11
  • Arbeitsgericht für Streit in kirchlicher Einrichtung nicht zuständig LAG München, Beschluss vom 22.02.2012 – 10 TaBVGa 16/11 –
  • Beschlussverfahren mit dem Ziel eines Ordnungsgeldes gegen den AG, wegen Behinderung der SBV ArbG Berlin, 93 BV 18270/02 vom 25.10.2002
  • Kosten der Schwerbehindertenvertretung BAG, Beschluss vom 30.03.2010, 7 AZB 32/09
  • Kündigung einer SBV – Wer ist zu beteiligen? LAG Hamm, Az.: 13 TaBV 72/10
  • Keine pauschale Aufwandsentschädigung für die SBV BAG, Beschluss vom 02.06.2010 – 7 ABR 24/09
  • Teilzeit – Mehrarbeit – und dann? LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.06.2010, Az: 6 Sa 675/10
  • Kündigungsschutz eines Ersatzmitglieds LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2010 – 16 Sa 59/10
  • Zumutbarkeit täglicher Rückkehr zum Wohnort bei Freigestellten BVerwG, Beschluss vom 12.11.2009 – 6 PB 17.09 –
  • Teilnahmerecht der SBV an den Vorstandssitzungen des Personalrats LAG München, Beschluss vom 14.11.2008, 5 TaBV 36/08
  • Kein Anspruch der SBV auf Teilnahme an vorbereitenden Gesprächen des BR mit AG LAG Schleswig-Holstein Az: 3 TaBV 26/08 vom 10.09.2008
  • Arbeitsgericht ist für sämtliche (organschaftlichen) Streitigkeiten der SBV zuständig LAG Nürnberg, Beschluss vom 22.10.2007 – 6 Ta 155/07
  • Schadensersatz wegen weniger Zuschlägen LAG Hessen, Urt. v. 07.01.2008 – 12 Sa 387/05
  • Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung an Erörterungsgesprächen des Personalrates OVG Münster, Beschluss vom 02.10.1998 – 1 A 905/97.PVL
  • Teilnahme an einer Sitzung während der Krankheit ArbG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.01.2004 – 15 Ca 5387/03
  • Kein Anspruch auf Abschluss einer bestimmten Integrationsvereinbarung (NEU: Inklusionsvereinbarung) LAG Hamm, Beschluss vom 19.01.2007 – 13 TaBV 58/06 –
    Bewertung und Besprechung des Beschlusses
  • Personalakte – Aufbewahrung von Gesundheitsdaten BAG, Urteil vom 12.09.2006 – 9 AZR 271/06
  • Betriebs- oder Abteilungsschließung – Wohin mit der Interessensvertretung? BAG, 02.03.2006 – 2 AZR 83/05
  • Teilnahmerecht der Schwerbehindertenvertretung an der konstituierender Sitzung und an Ausschüssen
  • Keine zweite Arbeitshilfe für die SBV Oberverwaltungsgericht Schleswig, 2 LA 46/03
  • Bußgeld gegen den Beauftragten des AG wegen Verstoß gegen die Beteiligungspflicht 08.02.1990, 302 OWi/902 Js 1689/89
  • Handy für die Interessensvertretung
  • Betriebsrat hat Anspruch auf Internetzugang BAG, Beschluss vom 17.02.2010, 7 ABR 81/09
  • Wer darf die Post öffnen?
  • Liste – Auskunftspflicht des AG über Schwerbehinderte im Betrieb gegenüber der SBV BAG, Beschluss. v. 16.04.2003 – 7 ABR 27/02
  • Rechtsprechung zu Seminaren (verschiedene Urteile für die SBV, BR und PR)
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Sonstiges

  • Pausenzeit kann Arbeitszeit sein
    Gemäß § 2 ArbeitszeitG sind die Pausen keine Arbeitszeit. In Ausnahmefällen können aber Pausenzeiten auch Arbeitszeit sein. Im vorliegenden Fall ging es um einen Arbeitnehmer, der während seiner gewährten Ruhepausen, wenn nötig, binnen zwei Minuten einsatzbereit sein musste. Der EuGH urteilte, dass hier Arbeitszeit“ vorliegt. Aus einer Gesamtwürdigung der Umstände ergibt sich, dass dem Arbeitnehmer während seiner Ruhepausen solch erhebliche Einschränkungen auferlegt sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen.
    EuGH 09.09.2021 Rs. C-107/19
  • Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
    Ein Arbeitnehmer kündigte sein Arbeitsverhältnis und wurde am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann insbesondere dann erschüttert sein, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit zeitgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst. Hat der Arbeitgeber grundsätzlich Zweifel an der Bescheinigung, muss er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Im vorliegenden Fall muss der Beschäftigte substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen.
    BAG 08.09.2021 Az: 5 AZR 149/21
  • Arbeitgeber darf Rückkehr aus Home-Office anordnen
    Ein Arbeitgeber, der während der Pandemie aus Gründen des Gesundheitsschutzes seinen Beschäftigten gestattet hatte, Tätigkeit von zuhause aus zu erbringen ist gemäß § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich berechtigt, seine Weisung zu ändern. Im konkreten Fall handelte es sich um einen Grafiker, bei dem sich später betriebliche Gründe ergaben, die gegen eine Erledigung von Arbeiten im Homeoffice sprachen.
    LAG München 26.08.2021 Az: 3 SaGa 13/21
  • Anspruch auf Handbike
    Die Krankenkasse muss einem querschnittsgelähmten Versicherten ein Handbike gewähren (elektrische Rollstuhlzughilfe mit Handkurbelunterstützung).
    Er muss sich nicht auf einen günstigeren Rollstuhl verweisen lassen, wenn das Handbike eine selbstbestimmte Lebensführung fördert.
    Hessisches LSG, 6.10.2021 – L 1 KR 65/20
  • Rüstzeit ist Arbeitszeit
    Das Arbeitsgericht (AG) Berlin hat sich mit der Frage beschäftigt, wann die Arbeitszeit beginnt. Zeiterfassungssysteme befinden sich in der Regel am Eingang. Im vorliegenden Fall musste sich eine Beschäftigte aber mithilfe einer Software „einstempeln“, aktivierbar über ihren Computerarbeitsplatz.
    Für den Arbeitgeber begann und endete die Arbeitszeit mit elektronischem Ein- bzw.- Ausstempeln.
    Für die Beschäftigte war die An- und Abmeldung im elektronischen System nicht maßgeblich. Der Computer brauchte teils erhebliche Zeit zum Hochfahren und zur Installation von Updates. Laut Arbeitsanweisung fielen weitere Vorbereitungshandlungen an, wie z.B. das Aufräumen des Arbeitsplatzes und das Reinigen des Headsets. Sie vertrat die Auffassung, dass diese sogenannte Rüstzeit zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehört.
    Das Gericht entschied, dass der Arbeitgeber hier seit Jahren eine unzureichende Arbeitszeiterfassung betrieben und sämtlichen Beschäftigten die Vergütung für notwendige Vor- und Nacharbeiten vorenthalten hat. Beginn und Ende der Arbeitszeit waren falsch festgelegt.
    Für die Vergütungspflicht von Arbeitszeit gilt nach dem Bundesarbeitsgericht folgendes:
    Systembedingte Arbeitsvorbereitung, wie die Versetzung des Arbeitsplatzcomputers in einen Zustand, der die Aufnahme der geschuldeten Arbeitsleistung ermöglicht (z.B. Hochfahren, etwaige Anmeldungen und Programmöffnungen) – für gewöhnlich unter dem er bei Soldaten, Feuerwehrleuten und Rettungssanitätern gebräuchlichen Begriff „Rüstzeit“ mit abgebildet – stellen vergütungspflichtige Arbeitszeit dar.
    Somit zählen zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit sämtliche Tätigkeiten, die zur Erbringung der eigentlichen Arbeitsleistung erforderlich sind, sofern sie einem fremden Bedürfnis dienen. Die Einsatzfähigkeit der Frau war hier also erst geben, nach Abschluss aller systembedingten Vorbereitungen.
    AG Berlin 13.10.2022 – 41 Ca 5879/22
  • Kostenübernahme für Sexualassistenz
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Auszubildenden, der einen schweren Arbeitsunfall erlitt. Nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma blieben massivste Funktionseinschränkungen und Pflegebedürftigkeit in allen Alltagsverrichtungen. Der Mann beantragte bei der BG die Kostenübernahme für den monatlichen Besuch einer zertifizierten Sexualbegleiterin. Als junger vitaler Mann könne er seine Sexualität nicht ausleben. Rechtlich begründete der Mann die Sexualbegleitung damit, dass sie ein Element der Teilhabe sei, weil ein sexuelles Leben zu den elementaren Aktivitäten gehöre. Es handelt sich dabei um ein elementares Bedürfnis und ein zentrales Element der interpersonellen Beziehung sowie des sozialen Lebens. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist durch die UN-Behindertenrechtskonvention geschützt. Das Sozialgericht Hannover bestätigte diese Auffassung.
    SG Hannover 11.07.2022 S 58 U 134/18
  • Begutachtung im Beisein einer Vertrauensperson
    Wer sich in einer sozialrechtlichen Angelegenheit von einem medizinischen Sachverständigen begutachten lassen muss, kann zur Untersuchung grundsätzlich eine Vertrauensperson hinzunehmen. Das hat das Bundessozialgericht im Fall eines Schwerbehinderten entschieden, der erst seine Tochter und dann seinen Sohn mitbrachte. Der Ausschluss einer Vertrauensperson sei nur möglich, wenn dies im Einzelfall zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege erforderlich sei. Im Streitfall wehrte sich ein Mann gegen die Herabsetzung des bei ihm ursprünglich festgestellten Grades der Behinderung (GdB) durch das Versorgungsamt von 50 auf 30. Der Gas- und Wasserinstallateur war zu handwerklichen Tätigkeiten nicht mehr in der Lage, nachdem ihm im Jahr 2011 ein gutartiger Tumor aus der rechten Schulter entfernt worden war, und wurde daraufhin Energieberater. Vor dem SG Osnabrück erstritt er sich eine Einstufung mit GdB 50. Nach einer Befragung des Ärztlichen Diensts stufte die Behörde ihn dann im Jahr 2016 auf GdB 20 herab. Dagegen ging er abermals vor und machte nun außerdem Beschwerden in Hals- und Lendenwirbelsäule, in beiden Knien und mit den Augen sowie im Hals-Nasen-Ohren-Bereich (beidseitige Schwerhörigkeit nebst Tinnitus) geltend, außerdem diverse Allergien mit lebensbedrohlichen Reaktionen.
    Das erneut angerufene SG bestellte daraufhin bei einem Orthopäden ein Gutachten. Der ließ sich jedoch entpflichten, weil der Kläger zum Termin seine Tochter mitgebracht und auf ihrer Anwesenheit während der gesamten Untersuchung bestanden hatte: Die Anwesenheit Dritter stoße bei ihm prinzipiell auf erhebliche Bedenken, da die Erhebung objektiver Befunde erschwert werde. Daraufhin beauftragte das Gericht einen anderen Sachverständigen. Bei dem erschien der Mann in Begleitung seines Sohns, woraufhin auch dieser Experte die Arbeit verweigerte: Durch die Anwesenheit einer Begleitperson entstehe eine „Zeugenungleichheit“.
    Nun wurde es dem SG zu bunt – es wies die Klage kurzerhand ab, weil eine „Heilungsbewährung“ eingetreten sei. In der Berufung forderte der Kläger hilfsweise, einen von ihm benannten Arzt zum Sachverständigen zu bestellen (§ 109 SGG). Das lehnte das LSG Niedersachsen-Bremen jedoch ebenfalls ab: Der Antrag sei rechtsmissbräuchlich, weil der Behinderte eine weitere Aufklärung vereitelt und dadurch die Beweislast umgedreht habe.
    Das Bundessozialgericht urteilte nun, dass es einem zu Begutachtenden im Grundsatz freistehe, eine Vertrauensperson zu seiner Untersuchung mitzunehmen. Ein Gericht könne jedoch deren Ausschluss anordnen, wenn ihre Anwesenheit im Einzelfall „eine geordnete, effektive oder unverfälschte Beweiserhebung erschwert oder verhindert“. Differenzierungen zum Beispiel nach der Beziehung des Beteiligten zur Begleitperson, dem medizinischen Fachgebiet oder unterschiedlichen Phasen der Begutachtung seien dabei in Betracht zu ziehen.
    Artikel von Franz Josef Düwell; Redaktion Beck-aktuell 28.10.2022
    BSG 27.10.2022 – B 9 SB 1/20 R
  • Jahresurlaub verjährt nicht
    Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt nicht der regelmäßigen Verjährungsfrist des BGB, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten nicht durch entsprechende Aufforderung in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch auszuüben.
    Die Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren auf Urlaubsansprüche stellt eine Einschränkung des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub dar, die nur unter den besonderen Voraussetzungen zulässig ist. Danach muss die Einschränkung gesetzlich vorgesehen sein, den Wesensgehalt des betreffenden Rechts achten sowie unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sein und von der Europäischen Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen tatsächlich entsprechen.
    Die Einschränkung ist zwar in § 195 BGB gesetzlich vorgesehen und tastet durch die bloße zeitliche Begrenzung der Möglichkeit der Geltendmachung des Urlaubsanspruchs nicht den Wesensgehalt des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub an. Sie ist jedoch hinsichtlich der Erreichung des verfolgten Ziels der Gewährleistung der Rechtssicherheit im Falle der unterlassenen Mitwirkungshandlung durch den Arbeitgeber nicht erforderlich. Andernfalls dürfe sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis, den Beschäftigten in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben, berufen und sich im Rahmen der auf diesen Anspruch gestützten Klage des Beschäftigten einen Vorteil ziehen, indem er die Verjährung geltend macht. Dies führt wiederum zu einer unrechtmäßigen Bereicherung des Arbeitgebers, welche dem eigentlichen von Art. 31 Abs. 2 der Charta verfolgten Zweck, die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen, zuwiderläuft.
    EuGH 22.9.2022 – Rs. C.120/21
  • Wunsch- und Wahlrecht bei Hilfsmittelversorgung
    Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat bekräftigt, dass Menschen mit Behinderung ein weitgehendes Wunsch- und Wahlrecht bei der Hilfsmittelversorgung zusteht. Im vorliegenden Fall ging es um einen querschnittsgelähmten Mann, der mit einem Aktivrollstuhl und mechanischem Zugteil (Handbike) versorgt war. Wegen nachlassender Kraft und zunehmenden Schulterschmerzen beantragte er ein elektrisch unterstütztes Zuggerät.
    Die Versorgung wurde von der Kasse abgelehnt und stattdessen ein Elektrorollstuhl angeboten. Das elektrisch unterstütze Zuggerät sei zwar wünschenswert, stelle aber eine nicht notwendige Überversorgung dar. Die Basismobilität wäre auch mit dem Rollstuhl gesichert.
    Der querschnittsgelähmte Mann lehnte die Versorgung mit dem Elektrorollstuhl ab, da für ihn eine rein passive Fortbewegung keine Alternative sei.
    Entgegen dem Sozialgericht (SG) Oldenburg gab das LSG dem Versicherten Recht. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 haben Versicherte Anspruch auf notwendige Krankenbehandlung, die Krankheiten erkennt, Verschlechterung verhindert und Beschwerden lindert. Dazu gehört auch die Versorgung mit Hilfsmitteln. Hilfsmittel müssen erforderlich sein, Behandlungen zu sichern, drohender Behinderung vorzubeugen oder Behinderung auszugleichen. Die Erschließung des Nahbereichs der Wohnung mit Hilfsmitteln darf nicht zu eng ausgelegt werden. Der Mann hatte sich mit dem Hilfsmittelwunsch, den Nahbereich auf zumutbare und angemessene Weise erschlossen. Dies geht auch aus den Teilhabezielen des SGB IX, aus dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 GG und dem Recht auf persönliche Mobilität gemäß UN-Behindertenrechtskonvention hervor.
    Angesichts dieser Vorgaben entschied das LSG, dass der Mann Anspruch auf das elektrisch unterstütze Zuggerät hat. Er kann nicht gegen seinen Willen auf einen rein elektrischen Rollstuhl zur Erschließung des Nahbereichs verwiesen werden. Das Hilfsmittel verschafft dem Mann viel Raum zur eigenverantwortlichen Gestaltung seiner Lebensumstände und fördert die Selbstbestimmung. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
    LSG Niedersachsen-Bremen 13.9.2022 – L 16 KR 421/21
  • Entscheidungsfreiheit von Patienten bei der Hörsystemversorgung bestätigt
    Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hatte zu entscheiden, ob eine verpflichtende ärztliche Abnahme der Hörsystemversorgung in der Hilfsmittel-Richtlinie verankert wird. Dies hätte zur Folge gehabt, dass Hörakustiker ihre erbrachte Leistung erst dann hätten abrechnen dürfen, nachdem der Versicherte beim Arzt die finale Abnahme eingeholt hätte. Laut einer Umfrage sind aber 90% der Versorgten mit ihrer Hörhilfe zufrieden und hätten quasi gezwungen werden müssen, final zum Arzt zu gehen.
    Das LSG hat die gesetzlich Versicherten vor diesen überflüssigen Arztbesuchen bewahrt. Laut Begründung besitzen Ärzte nicht die Ausbildung, die Leistung des Hörakustikers zu beurteilen. Die Aufgabe der Ärzte ist die Erstdiagnose der Schwerhörigkeit, die Aufgabe des Hörakustikers ist die Versorgung des Patienten mit diagnostizierter Schwerhörigkeit durch eine individuelle Anpassung von Hörsystemen an seinen Hörverlust.
    Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 24.08.2022Az L 1 KR 267/20 KL
  • Pflicht zur Zeiterfassung
    Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit aller Beschäftigter erfassen. Diese Pflicht leitet das Bundesarbeitsgericht (BAG) aus dem Arbeitsschutzgesetz ab.
    Den Stein ins Rollen brachte ein Betriebsrat, der sich das Initiativrecht vor dem Arbeitsgericht erstreiten wollte, auf Einführung einer elektronischen Zeiterfassung. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm bejahte dieses Initiativrecht (27.07.2021 – 7 TaBV 79/20). Die Arbeitgeberin legte gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ein und das BAG verneinte das Initiativrecht des BR bei der Einführung der Zeiterfassung. Für Experten überraschend, verneinte das BAG das Initiativrecht des BR deshalb, weil es ohnehin eine gesetzliche Verpflichtung zum Erfassen aller Arbeitszeiten in Deutschland gibt.
    Das BAG stellte in seiner richtungsweisenden Entscheidung klar, dass Arbeitgeber gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet sind, ein System einzuführen, mit dem die von den Beschäftigten geleisteten Arbeitszeiten erfasst werden kann. Die Vorschrift sei, laut BAG so zu verstehen, dass es Grundpflicht aller Arbeitgeber sei, die Organisation und die nötigen Mittel für Arbeitsschutzmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Also ein Zeiterfassungssystem. Wegen der bereits bestehenden Pflicht kann der BR nicht erzwingen, im Rahmen seines Initiativrechts die Einführung eines solchen System zu fordern. Ein Mitbestimmungsrecht besteht gemäß § 87 BetrVG nur, soweit die Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist. Im vorliegenden Fall hat also der BR kein Mitbestimmungsrecht beim „ob“ sondern nur beim „wie“ (Ausgestaltung) der Zeiterfassung.
    Bereits 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH 14.05.2019 – C 55/18) entschieden, dass Arbeitgeber zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit verpflichtet sind. Vor der BAG-Entscheidung gab es in Deutschland keine allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Das Arbeitszeitgesetz sah bislang nur z.B. bei Sonntagsarbeit oder Überschreibung der täglichen Regelarbeitszeit eine Dokumentation vor.
    Nach dem BAG ist Zeiterfassung eine Maßnahme des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und muss folglich die gesamte Tages- und Wochenarbeitszeit der Beschäftigten umfassen.
    BAG 13.09.2022 – 1 ABR 22/21
  • Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat ein wegweisendes Urteil gesprochen und das sog. Stechuhrurteil des EUGH aus dem Jahre 2019 für Deutschland präzisiert. Nach dem Urteil des BAG besteht nun auch in Deutschlang die Pflicht zur systematischen Erfassung der Arbeitszeit. Arbeitgeber werden verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die geleistet Arbeitszeit der Beschäftigten exakt erfasst werden kann. Dieses Urteil könnte weitreichende Auswirkungen auf die sog. Vertrauensarbeitszeit haben bis hin zu Home-Office und mobiler Arbeit. Mehr Kontrolle ist nötig als wie bisher, die reine Dokumentationspflicht von Überstunden und Sonntagsarbeit nach dem Arbeitszeitgesetz.
    BAG 13.09.2022 1 ABR 22/21
  • Hohe Anforderung an die Anerkennung eines versicherten Wegeunfalls
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Praktikanten, der während eines längeren Praktikums mit seinem Arbeitgeber einen Arztbesuch vor Dienstantritt abgesprochen hatte. Nach dem Arztbesuch passierte ihm auf dem Weg zur Arbeit ein schwerer Unfall. Die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab, da der Praktikant keiner beruflichen, sondern einer „eigenwirtschaftlichen“ Tätigkeit nachgegangen war. Er hatte sich zum Zeitpunkt des Unfalls auf einem „Abweg“ befunden. Der Arztbesuch stand nicht in einem beruflichen Zusammenhang und war somit kein „Betriebsweg“.
    Das Sozialgericht (SG) Oldenburg bestätigte die Auffassung der BG. Um einen Betriebsweg handelt es sich u.a. dann, wenn eine, dem Arbeitgeber dienende Tätigkeit ausgeübt wird und der Weg in unmittelbarem Betriebsinteresse unternommen wird. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben.
    Auch die Tatsache, dass der Arztbesuch vorab mit dem Arbeitgeber abgesprochen und genehmigt war, ändert daran nichts.
    Der Arztbesuch war auch keine „geringfügige“ Unterbrechung des Arbeitsweges. Bei Erledigungen „ganz nebenbei“ oder „im Vorbeigehen“ wäre laut Gericht die Einhaltung des Arbeitswegs möglicherweise zu bejahen. So jedoch befand sich der Praktikant auf einem Abweg.
    Das SG verneinte auch, dass der Arbeitsweg möglicherweise von einem anderen Ort aus begonnen haben könnte, nämlich von der Arztpraxis aus. Das Gericht bezog sich auf ein früheres Urteil des Bundes Sozialgerichts. Ein Arbeitsweg kann theoretisch auch an einem anderen Ort als der Wohnung beginnen. Dazu hätte sich der Praktikant aber mindestens zwei Stunden in der Arztpraxis aufhalten müssen, was hier nicht der Fall war.
    Sozialgericht Oldenburg 7. Juli 2022 S 71 U 211/18
  • Volle Erwerbsminderung bei Wegeunfähigkeit
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Beschäftigten, der aufgrund einer schweren Nervenerkrankung der Beine nicht mehr in der Lage war, längere Strecken zu Fuß zurückzulegen. Laut Gutachten konnte er noch leichte körperliche Arbeiten von 6 Stunden ausführen.
    Das Sozialgericht Münster sprach dem Mann eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu.
    Nach üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ist erwerbsgemindert, wer nicht wenigsten 3 Stunden täglich einer leichten körperlichen Arbeit nachgehen kann. Das SG hat im vorliegenden Fall nun entschieden, dass trotz sechsstündiger Arbeitsfähigkeit, eine volle Erwerbsminderung vorliegt, weil der Arbeitsmarkt für den Mann aufgrund fehlender Wegefähigkeit nicht erreichbar ist.
    Bei der Feststellung der Wegefähigkeit gilt nicht der Einzelfall, sondern grundsätzliche Maßstäbe. Versicherte müssten in der Lage sein, täglich viermal eine Wegstrecke von etwas mehr als 500 m innerhalb von 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit benutzen zu können. Für die Beurteilung der Mobilität seien alle tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel wie zum Beispiel Gehstützen und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Das schließe auch die Nutzung eines Autos oder Fahrrads ein.
    Das SG hat entschieden, dass der Mann die notwendige Strecke zum Arbeitsplatz nicht mehr in der notwendigen Zeit bewältigen kann und die Rente wegen voller Erwerbminderung bestätigt.
    Sozialgericht Münster 25.05.2022 – S 24 R 214/21
  • Weg vom Bett ins Home-Office versichert
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Beschäftigten, der nach dem Aufstehen, direkt die Treppe innerhalb seiner Wohnung zu seinem Büro benutzte und dabei stürzte. Er brach sich einen Brustwirbel und machte diesen Sturz als Arbeitsunfall geltend. Üblicherweise frühstückte der Mann nicht, sondern begann direkt nach dem Aufstehen zu arbeiten. Das urteilende Landessozialgericht (LSG) lehnte einen Arbeitsunfall ab, da es den Weg zum Büro als unversicherte Vorbereitungshandlung sah. Die versicherte Tätigkeit beginne erst mit Durchschreiten der Haustür. Das LSG lehnte sich an alte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, die starr trennt zwischen dem häuslichen Lebensbereich und dem versicherten Weg zur Arbeit. Dies hätte zur Folge, dass Menschen im Home-Office niemals innerhalb des Hauses bzw. innerhalb der Wohnung auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit wegeunfallversichert gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII wären.
    Das BSG hat nun seine bisherige Rechtsprechung korrigiert. Als der Mann auf dem morgendlichen Weg in sein häusliches Büro (Homeoffice) stürzte, erlitt er einen Arbeitsunfall. Das Beschreiten der Treppe ins Homeoffice diente allein der erstmaligen Arbeitsaufnahme und ist deshalb als Verrichtung im Interesse des Arbeitgebers als Betriebsweg versichert.
    BSG 08.12.2021 Az. B 2 U 4/21 R
  • Abschaffung von Auto kann Erwerbsminderungsrente rechtfertigen
    Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat einer wegeunfähigen Versicherten einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zugesprochen, nachdem diese ihr Auto abgeschafft hatte.
    Im vorliegenden Fall hatte eine wegeunfähige Frau von ihrem Rentenversicherungsträger vergeblich die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung verlangt. Sie besaß einen Führerschein und zunächst auch ein Auto, das sie aber während des Gerichtsverfahrens abschaffte.
    Das LSG begründete seine Entscheidung u.a. damit, dass das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität Teil des versicherten Risikos sei. Dieses Risiko habe sich infolge der gesundheitlichen (Geh-)Einschränkungen in dem Zeitpunkt verwirklicht, in dem die Frau dieses nicht mehr durch den jederzeitigen, tatsächlichen Zugriff auf einen ihr zur Verfügung stehenden Pkw zumutbar habe beseitigen können.
    Ein versicherter Beschäftigter hat u.a. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 SGB VI), wenn er nicht mehr wegefähig ist. Dies setzt voraus, dass der Mensch nicht viermal am Tag Wegstrecken von über 500 m innerhalb von 20 Minuten zu Fuß bewältigen und ferner zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Der Grund für die Abschaffung des Autos sei unerheblich.
    Die weitgehend eingeschränkte Gehfähigkeit der Frau bestand unverschuldet und unabhängig von der Abschaffung des Pkw. Eine rentenschädliche Herbeiführung des Versicherungsfalles sei damit nicht gegeben. Die Frau hatte keine Pflicht, den Pkw zu behalten, um das versicherte Risiko nicht eintreten zu lassen.
    LAG Nordrhein-Westfalen 08.10.2021 Az.: L 4 R 1015/20
  • Schwerbehindertenausweis „soll“ befristet werden
    Der Schwerbehindertenausweis dient zum Nachweis von Rechten und ist gemäß § 152 Abs. 5 S. 3 SGB IX auf Antrag eines behinderten Menschen auszustellen. Nähere Einzelheiten über Eintragungen oder Gültigkeitsdauer sind in der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) geregelt. Laut Gesetzestext „soll“ die Gültigkeitsdauer des Ausweises befristet werden. Eine Soll-Vorschrift ist grundsätzlich zu befolgen, nur in begründeten Ausnahmefällen darf davon abgewichen werden. Eine Befristung der Gültigkeitsdauer des Ausweises ist somit die Regel und nicht die Ausnahme. In den Fällen, in denen aufgrund der gesundheitlichen Situation keine Besserung zu erwarten ist, kann der Ausweis unbefristet ausgestellt werden.
    Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein Mensch mit Behinderung nicht beanspruchen kann, dass der GdB unabhängig von möglichen künftigen Veränderungen seines Gesundheitszustandes auf Dauer unveränderbar festgestellt und ein entsprechender Ausweis ausgestellt wird. Im zugrundeliegenden Fall ging es um eine Frau, die u.a. wegen Geschwulstbeseitigung in der Brust auf einen GdB von über 50 geklagt hatte.
    Im Vergleich wurde der Klägerin ein GdB von 60 beschieden. Der Bescheid wies zugleich auf die zu beachtende Heilungsbewährung, eine mögliche Nachuntersuchung und eine mögliche Neufeststellung bei Stabilisierung des Gesundheitszustandes hin.
    Der beigefügte Schwerbehindertenausweis war mit dem Aufdruck »gültig bis 1/2026« versehen. Die Klägerin wollte erreichen, dass der Schwerbehindertenausweis unbefristet ausgestellt wird. Voraussetzung für den Abschluss des Vergleichs sei für sie gewesen, dass sie den GdB von 60 unbefristet erhalte.
    Das Landesozialgericht führte aus, die Regelungen des Vergleichs wurden vollständig umgesetzt und der GdB von 60 unbefristet erteilt. Eine Befristung sei auch nicht durch die Ankündigung der Nachuntersuchung getroffen worden. Hierbei handele es sich lediglich um die Mitteilung einer beabsichtigten Maßnahme. Ein atypischer Fall, der eine unbefristete Ausstellung begründet, liegt hier nicht vor. Vielmehr sei im Hinblick auf die für die Dauer von fünf Jahren nach Geschwulstbeseitigung abzuwartende Heilungsbewährung gerade mit einer möglichen Änderung der Verhältnisse zu rechnen.
    Der Schwerbehindertenausweis weist als öffentliche Urkunde auch lediglich die gesondert im Ausgangsbescheid getroffene Feststellung der Schwerbehinderung gegenüber Dritten nach und habe keine eigene konstitutive Bedeutung für die in ihm aufgeführten Feststellungen.
    Die Befristung des Ausweises bezweckt, zu gegebener Zeit prüfen zu können, ob die im Ausweis dokumentierten Merkmale bzw. Nachteilsausgleiche noch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Dem hat der Beklagte mit der Befristung bis Januar 2026 ausreichend Rechnung getragen.
    In Abhängigkeit von der zu Grunde liegenden Feststellung des GdB ist der Klägerin dann zu gegebener Zeit ein neuer Schwerbehindertenausweis auszustellen.
    LSG Baden-Württemberg 18.02.2022 Az L 8 SB 2527/21
  • E-Mail-Account auch von extern nutzbar
    Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitgeber ein firmenintern verwaltetes Funktions-Postfach sowie eine jeweils personalisierte E-Mail-Adresse für jedes Betriebsratsmitglied eingerichtet. Problem für den Betriebsrat war, diese waren nur intern nutzbar, also nur innerhalb der Betriebsstätte. Der Arbeitgeber lehnte den externen Zugang als nicht erforderlich mit dem Argument ab, andere Beschäftigte hätten auch keinen externe Mail-Zugang. Die Sache ging vor Gericht. Das Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (LAG) entschied, dass der BR für seine regulären Mitglieder die Einrichtung technischer Möglichkeiten zur betriebsexternen Nutzung von vorhandenen E-Mail-Konten des Betriebsrates bzw. der Betriebsratsmitglieder verlangen kann.
    Die BR-Mitglieder sind im Schichtdienst tätig und auch extern unterwegs. Betriebsratssitzungen sind weiterhin seit der Corona-Pandemie auch als Video- bzw. Telefonkonferenz möglich, wobei die Teilnehmenden ihre Teilnahme gegenüber der Vorsitzenden gem. § 34 Abs. 1 Satz 4 BetrVG in Textform bestätigen müssen. Ohne externen Zugang zu einem E-Mail-Account ist das nicht möglich. Der Postfach-Zugriff von außen ist daher eine angemessene und, im Sinne des § 40 Abs. 2 BetrVG, erforderliche Kommunikationsmöglichkeit.
    LAG Mecklenburg-Vorpommern 19.01.2022 Az:3 TaBV 10/21
    Leidensgerechter Arbeitsplatz
  • Simultandolmetscher
    Die Kosten für Simultandolmetscher auf einer Betriebsversammlung können unverhältnismäßig sein.
    Im vorliegenden Fall wollte ein BR für die Betriebsversammlung Simultandolmetscher für 5 verschiedene Sprachen. Insgesamt waren 57 unterschiedliche Sprachen in der Belegschaft vertreten und mehr als die Hälfte hatte Deutsch nicht als Muttersprache. Spontanübersetzungen in der Vergangenheit hatten teils zu großer Unruhe auf Versammlungen geführt.
    Das Sächsische Landesarbeitsgericht (LAG) entschied, dass der BR grundsätzlich das Recht hat Dolmetscher auf einer Betriebsversammlung einzusetzen und dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, diese Kosten gemäß § 40 BetrVG zu übernehmen, wenn Großteile der Belegschaft kein oder Kaum Deutsch sprechen.
    Im vorliegenden Fall lehnte das LAG den Anspruch u.a. ab, weil der BR den konkreten Bedarf nicht ausreichend überprüft und nachgewiesen hatte. Die Kosten von 31000€ waren auch nicht verhältnismäßig zur Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebes.
    LAG Sachsen 0.10.2023 Az: 2 TaBVGa 2/23
  • Heizen auch im Homeoffice
    Im vorliegenden Fall fing ein Beschäftigter im Homeoffice an zu frieren und stellte fest, dass die Heizung ausgefallen war. Beim Hochfahren der Heizung im Heizungskeller kam es zu einer Verpuffung und in der Folge zu einer schweren Augenverletzung. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte einen Arbeitsunfall ob und fand Unterstützung für diese Rechtsauffassung in der Sozialgerichtsbarkeit.
    Das Bundessozialgericht (BSG) jedoch teilte diese Auffassung nicht und bestätigte dem Mann den Arbeitsunfall. Auch wenn der Mann nicht nur für sich, sondern auch für seine Kinder heizen wollte, stand das Heizen doch in engem Zusammenhang mit seiner Arbeit. Die Überprüfung der Heizung hat daher der Ausübung der Arbeit gedient. Hier hatte der Betrieb der Heizung auch dem Unternehmen gedient. Von privaten Gegenständen ausgehenden Gefahren im Homeoffice sind versichert.
    Arbeitsunfall also immer dann, wenn konkreter örtlicher, zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen Schaden und beruflicher Tätigkeit besteht.
    BSG 21.03.2024 Az. B 2 U 14/21 R
  • Kostenübernahme für notwendige Arbeitsassistenz gilt unabhängig von Altersgrenze
    Im vorliegenden Fall ging es um einen blinden Menschen, mit einem Grad der Behinderung von 100. Damit er seinen Beruf als Lehrer, Berater und Gewerbetreibender ausüben konnte, stand ihm eine Assistenzkraft für 22 Stunden wöchentlich zur Seite. Mit Wirkung Juli 2016 erhielt der Mann Altersrente. Der Kostenträger lehnte es ab, die Kosten für die Assistenz weiter zu bezahlen. Obwohl der Mann anführte, zur Sicherung seines Lebensunterhalts weiter arbeiten zu müssen.
    Das BVerwG machten in seiner Begründung deutlich, dass – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen – „für den Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz … eine Altersgrenze weder ausdrücklich im Gesetz geregelt“ ist, noch sich eine solche „im Wege der Auslegung“ entnehmen lasse. Der Anspruch auf Kostenübernahme setze voraus, „dass der schwerbehinderte Mensch einer nachhaltig betriebenen Erwerbstätigkeit nachgehe“ und die notwendigen Assistenzleistungen tatsächlich erbracht werden.
    Bundesverwaltungsgerichts vom 12.01.2022 (Az.: 5 C 6.20)
  • Hund vom Arbeitsplatz verbannt
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Verwaltungsangestellte, deren Arbeitgeber ihr die Mitnahme ihres Hundes am Arbeitsplatz gestattete. Grund war eine posttraumatische Belastungsstörung. In der Folge verbot der Arbeitgeber den Hund am Arbeitsplatz, da dieser „nicht sozialisiert“ Betriebsabläufe störte und Mitarbeitende belästigte. Der Hund wurde zunehmend als Bedrohung wahrgenommen.
    Die Frau klagte gegen die Entscheidung mit der Begründung, sie würde wegen ihres Handikaps benachteiligt und der Hund sei als Assistenzhund unverzichtbar.
    Das Gericht gab dem Arbeitgeber Recht. Für eine Mitnahme eines Hundes am Arbeitsplatz gibt es keine gesetzliche Grundlage. Ein Verbot ist vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt. Einem Beweis, dass es sich bei dem Hund um einen Assistenzhund, analog z.B. einem Blindenhund gehandelt hatte, blieb die Frau schuldig. Und auch bei einem Assistenzhund muss gewährleistet sein, dass Mitarbeitende und Arbeitsabläufe nicht beeinträchtigt werden.
    LAG Rheinland-Pfalz 08.09.2022 Az. 2 Sa 490/21
  • Begrenzte Pflicht zur Rücksichtnahme
    Ist ein Beschäftigter aus, in seiner Person liegenden Gründen, nicht mehr in der Lage, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO näher bestimmte Leistung zu erbringen, kann es die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Absatz 2 BGB gebieten, dass der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht erneut Gebrauch macht. Er ist verpflichtet, dem leistungsgeminderten Arbeitnehmer dann innerhalb des arbeitsvertraglich vereinbarten Rahmens eine Tätigkeit zu übertragen, zu deren Erbringung dieser noch in der Lage ist.
    Flinke Frauenhände diskriminieren Männer
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Stelle die Fingerfertigkeit, Geschick und konzentriertes Arbeiten verlangte. Kleinteile musste teils mit Pinzette platziert werden. Ein männlicher Bewerber wurde mit der Begründung abgelehnt, die Arbeit sei eher etwas für flinke Frauenhände.
    Der Arbeitgeber begründete die Absage weiter mit den großen Händen des Mannes, ohne ihm die Chance zu geben, zum Beispiel bei einem Probearbeiten seine Fingerfertigkeit unter Beweis zu stellen.
    Das Gericht sprach dem Mann 2500€ Schadensersatz zu wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (§ 15 AGG).
    LAG Nürnberg 13.12.2022 Az 7 Sa 168/22
  • Berechnung GdB
    Leiden kranke Menschen unter mehreren Behinderungen, kann aus den einzelnen Beeinträchtigungen ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) gebildet werden. In der Regel geht es dabei um die Frage, ob die beiden Beeinträchtigungen in einem Zusammenhang stehen bzw. ob sich die beiden Beeinträchtigungen gegenseitig verstärken und somit das Gesamtausmaß der Beeinträchtigung im Alltag höher ist für den betroffenen Menschen.
    Im vorliegenden Fall hat sich das Sozialgericht Aurich mit der Frage beschäftigt, ob sich aus zwei Einzel-GdB von jeweils 30, eine Schwerbehinderteneigenschaft zugestehen lässt. Interessant war hierbei die Tatsache, dass sich die Funktionsbeeinträchtigungen auf unterschiedliche und völlig unabhängige Art und Weise voneinander gezeigt haben. Der betroffene Mann litt an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (GdB 30) und einer Lungenfunktionseinschränkung (GdB 30).
    Das Sozialgericht sprach dem Mann einen Gesamt-GdB von 50 zu und somit die Schwerbehinderteneigenschaft, obwohl die beiden führenden Funktionsbeeinträchtigungen voneinander völlig unabhängig bestehen und sich für den Kläger auf ganz unterschiedliche Bereiche im Ablauf seines täglichen Lebens auswirken. Das Gericht stellte in der Begründung weiter fest, dass im Regelfall davon auszugehen ist, dass zwei führende Einzel-GdB von 30 die Annahme der Schwerbehinderteneigenschaft begründen. Der Weg durch die Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit bleibt abzuwarten.
    Dieser Fall zeigt aber wieder, dass sich zur Erreichung eines höheren GdB der Weg über das Sozialgericht in den meisten Fällen lohnt.
    Sozialgericht Aurich 04.05.2022 Az. S 4 SB 154/21
  • Sturz beim Kaffee-Holen
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Verwaltungsangestellte, die beim Kaffee-Holen auf nassem Boden ausrutschte und sich den Lendenwirbel brach. Sie war auf dem Weg zu einem Getränkeautomaten in einem der Sozialräume, hier die Kantine. Die Frau beantragte den Sturz als Arbeitsunfall anzuerkennen, da ihrer Meinung nach der Weg zum Getränkeautomaten während ihrer Arbeitszeit unfallversichert war.
    Die zuständige Unfallkasse Hessen lehnte dies mit dem Argument ab, dass der Versicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Kantinentür endet.
    Das Hessische Landessozialgericht (LSG) entschied dagegen, den Sturz als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Weg, um sich Kaffee zu holen an einem Automaten, der im Dienstgebäude aufgestellt war, fand in einem engen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit der Angestellten statt. Beschaffen sich Beschäftigte während der Arbeitszeit Nahrungsmittel zum baldigen Verzehr am Arbeitsplatz, so ist dieser Weg grundsätzlich unfallversichert.
    In dem Zusammenhang stellte das LSG klar, dass die Beschaffung von Nahrungsmitteln für den privaten Gebrauch nicht unfallversichert ist, genau so ist der Verzehr der Nahrung stets dem privaten Lebensbereich zuzuordnen.
    Laut LSG endet der Unfallversicherungsschutz nicht an der Tür der Kantine, die sich als Sozialraum innerhalb des Dienstgebäudes befindet. Die Kantine gehört als Pausen- oder Freizeitraum eindeutig in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers.
    LSG Hessen 07.02.2023 Az L 3 U 202/21
  • Auskunft über Leistungsbeurteilung
    Arbeitgeber sind verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung (SBV) vor Mitteilung der nach Betriebsvereinbarung geschuldeten Leistungsbeurteilung an einen schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten hierüber zu unterrichten und die SBV hierzu anzuhören.
    Der Arbeitgeber kann aber Art und Weise der Unterrichtung der SBV selbst festlegen (§ 178 Abs. 2 SGB IX). Die SBV kann keine Unterrichtung durch Einsichtnahme in bestimmte Unterlagen verlangen. Ein generelles Recht zur Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen analog dem BR wurde der SBV verwehrt.
    LAG Hamburg 22.04.2022 7 TaBV 8/21
  • Urlaubstage verfallen nicht zwingend nach 15 Monaten
    Für Beschäftigte, die aus gesundheitlichen Gründen keinen Urlaub nehmen können, besteht ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten. Länger zurückliegende Ansprüche auf Mindesturlaub verfallen grundsätzlich. Arbeitet ein Beschäftigter allerdings in diesem Jahr, verfällt der Urlaubsanspruch nicht automatisch.
    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil präzisiert, dass der Anspruch nur dann erlischt, wenn der Arbeitgeber alle, im obliegenden Mitwirkungspflichten, erfüllt hat.
    Der Anspruch auf Mindesturlaub erlischt nur dann nach Ablauf der 15 Monate, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten rechtszeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG.
    Im zugrundeliegenden Fall ging es um Resturlaubsansprüche eines schwerbehinderten Menschen aus dem Jahre 2014. Der Mann erkrankte im Dezember 2014. Diese Ansprüche wären verfallen, wenn der Arbeitgeber seine Aufforderungs- und Hinweispflichten erfüllt hätte. Der Arbeitgeber hätte den Mann in die Lage versetzen müssen, seinen Urlaub zu nehmen. Dies hatte der Arbeitgeber versäumt.
    Die Besonderheit dieses Falles liegt also darin, dass der schwerbehinderte Mann im Jahre 2014 noch gearbeitet hat und dass es der Arbeitgeber versäumt hatte vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen.
    Aufgrund der Mitwirkungspflicht hätte der Arbeitgeber den Mann auf den bestehenden Urlaubsanspruch hinweisen müssen, sowie auf den bevorstehenden Verfalltermin. Weiter hätte er es dem Mann tatsächlich ermöglichen müssen, den Urlaub zu nehmen.
    Das BAG bestätigte in seinem Urteil den Anspruch des Mannes auf 24 Tage Resturlaub aus dem Jahr 2014. Die Verfallfrist von 15 Monaten beginnt also erst zu laufen, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten erfüllt hat.
    Die Vermutung liegt nahe, dass es in Deutschland enorme Ansprüche auf Resturlaub gibt (Anmerkung der Redaktion).
    BAG 20.12.2022 Az 9 AZR 245/19
  • Recht auf Nichterreichbarkeit
    Beschäftigte müssen berufliche Nachrichten während ihrer Freizeit nicht lesen. Sie müssen weder Nachrichten lesen, wie z.B. SMS noch Telefonanrufe entgegennehmen.
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Beschäftigten im Rettungsdienst. Diesem wurden Arbeitsstunden abgezogen, bzw. wurde im wegen unentschuldigtem Fehlbleibens eine Abmahnung erteilt. Grund war eine kurzfristige Dienstplanänderung, die der Arbeitgeber dem Beschäftigten per Telefon und in der Folge per SMS mitteilen wollte. Der Mann erschien aber zum ursprünglich vereinbarten Dienstbeginn, weil er in seiner Freizeit die Änderung seines Dienstbeginns nicht „mitbekommen“ hatte. Der Mann machte wegen Annahmeverzugs die Arbeitszeit geltend und verlangte die Entfernung der Abmahnung.
    Zusätzlich hoch interessant macht den Fall, dass es eine Betriebsvereinbarung gab, in der festgelegt worden war, dass, entgegen der Regelplanung, der Dienstbeginn bis 20 Uhr des Vortages präzisiert werden durfte. Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass es zu den arbeitsvertraglichen Pflichten eines Beschäftigten gehört, sich nach dem Beginn des Dienstes zu erkundigen. Das vorinstanzliche Arbeitsgericht bestätigte die Rechtsaufassung des Arbeitgebers, sowie die Rechtsgültigkeit der Betriebsvereinbarung.
    Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein urteilte, dass Beschäftigte nicht verpflichtet sind, während ihrer Freizeit eine dienstliche SMS zu lesen, um sich über Arbeitszeit zu informieren und damit zugleich ihre Freizeit zu unterbrechen. Genau das aber hatte der Arbeitgeber zu Unrecht verlangt. Denn auch beim Lesen einer dienstlichen SMS, mit der der Arbeitgeber sein Direktionsrecht im Hinblick auf Zeit und Ort der Arbeitsausübung konkretisiert, handelt es sich um Arbeitszeit. Während der freien Tage kann von Beschäftigten aber keinerlei Arbeitsleistung verlangt werden. Zudem steht allen Beschäftigten ein Recht auf Nichterreichbarkeit zu, da es zu den „vornehmsten“ Persönlichkeitsrechten gehört, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er oder sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass eine SMS schnell gelesen ist: “Arbeit”, so die Richter deutlich, “wird nicht deswegen zur Freizeit, weil sie nur in zeitlich ganz geringfügigem Umfang anfällt”.
    LAG Schleswig-Holstein 27.09.2022 Az.: 1 Sa 39 öD/22
    Leider hat das BAG bei Bestehen einer BV entschieden, dass Dienste kurzfristig geändert werden dürfen und Beschäftigte verpflichtet sind entsprechende SMS zu lesen. Der Grundsatz der Nichterreichbarkeit wurde bestätigt.
    BAG, Urteil vom 23. August 2023, Az: 5 AZR 349/22
  • Dienstplan muss gerecht sein
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Beschäftigte in einem Pflegedienst. Der Arbeitgeber legte die Arbeitszeit der Beschäftigten monatlich in einem Dienstplan fest. Die Frau informierte ihren Arbeitgeber über eine geplante OP und über den Ausfallzeitraum. Der Arbeitgeber trug der Frau daraufhin statt arbeitsunfähig, wunschfrei im Dienstplan ein und leistete keine Entgeltfortzahlung.
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen gab der Frau Recht. Der Arbeitgeber handelte hier allein aus eigenem wirtschaftlichem Interesse heraus und berücksichtigt nicht die Interessen der Beschäftigten. Laut LAG hat der Arbeitgeber damit die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes umgangen.
    Das Weisungsrecht erlaubt dem Arbeitgeber zwar selbst festzulegen, wann seine Beschäftigten arbeiten. Dabei muss er aber zwischen seinen und den Interessen aller Beschäftigten abwägen und folgende Kriterien beachten:

    die Risikoverteilung zwischen den Vertragspartnern
    die beiderseitigen Bedürfnisse
    wirtschaftliche Interessen oder Belastungen der Parteien,
    soziale Gesichtspunkte (Lebensverhältnisse, Familie, Kinder etc.)
    die Belange des Betriebs
    LAG Sachsen 08.09.2023 Az. 2 Sa 197/22

  • Evangelischer Kirchenkreis ist kein öffentlicher Arbeitgeber
    Eine kirchliche Körperschaft des öffentlichen Rechts ist nicht zur Einladung schwerbehinderter Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch verpflichtet.
    § 165 Satz 3 SGB IX sieht die grundsätzliche Einladungspflicht nur für öffentliche Arbeitgeber vor. Eine kirchliche Körperschaft des öffentlichen Rechts ist kein öffentlicher Arbeitgeber.
    Im vorliegenden Fall hatte sich ein schwerbehinderter Mann auf eine Stelle in der Verwaltung eines Kirchenkreises der Evangelischen Kirche im Rheinland beworben. Trotz Offenlegung seiner Schwerbehinderung wurde er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Seine Bewerbung blieb erfolglos. Nach Ansicht des Mannes wurde er im Auswahlverfahren wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert. Er begründete dies mit der unterbliebenen Einladung zum Vorstellungsgespräch. Hierzu sei der Kirchenkreis nach § 165 Satz 3 SGB IX verpflichtet gewesen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts gelte er gemäß § 154 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX als öffentlicher Arbeitgeber. Mit seiner Klage verlangte der Mann deshalb die Zahlung einer Entschädigung.
    Der beklagte Kirchenkreis hat dies abgelehnt. Er sei kein öffentlicher Arbeitgeber.
    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies die Klage als unbegründet ab. Der Kläger hat keine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung dargelegt. Eine solche kann nicht aufgrund der unterbliebenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch vermutet werden. Hierzu war der beklagte Kirchenkreis nicht verpflichtet. Die Einladungspflicht nach § 165 Satz 3 SGB IX besteht zwar gemäß § 154 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX u.a. für Körperschaften des öffentlichen Rechts. Dies betrifft aber nach dem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Begriffsverständnis nur Körperschaften, die staatliche Aufgaben wahrnehmen. Kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts dienen demgegenüber primär der Erfüllung kirchlicher Aufgaben. Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts soll dabei die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgesellschaft unterstützen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Einladungspflicht auf kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts erstrecken wollte. Insoweit stehen sie den ebenfalls staatsfernen privaten Arbeitgebern gleich.
    Anmerkung der Redaktion: Umso wichtiger ist der Abschluss einer guten Inklusionsvereinbarung, in der die „Einladungspflicht“ schwerbehinderter Menschen auf freiwilliger Basis geregelt ist.
    Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Januar 2024 – 8 AZR 318/22
  • Aufladen von Hybrid-Auto
    Im vorliegenden Fall hatte ein Beschäftigter während seines Dienstes sein Auto an einer Steckdose seines Arbeitgebers geladen. Dieser sprach wegen Stromdiebstahls und des damit einher gehenden Vertrauensverlustes eine außerordentliche Kündig aus.
    Das Arbeitsgericht (AG) Duisburg erklärte die Kündigung für unwirksam.
    Eine Abmahnung, so das Gericht, hätte in dem konkreten Fall als milderes Mittel gereicht, da der Arbeitgeber es geduldet hatte, dass Beschäftigte ihr Handy im Betrieb aufladen. Die Berufung beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf ist anhängig.
    AG Duisburg 10.03.2023 Az. 5 Ca 138/22
  • Fahrtkosten
    Das Sozialgericht (SG) Bremen hat die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) zur Übernahme von Fahrtkosten im Rahmen einer Stufenweisen Wiedereingliederung verurteilt. Die Stufenweise Wiedereingliederung nach § 44 SGB IX stellt eine eigenständige Leistung zur medizinischen Rehabilitation i. S. v. § 42 Abs. 1 SGB IX dar. Hiermit einhergehende Fahrtkosten sind gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB IX als ergänzende Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne von § 64 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX zu übernehmen.
    SG Bremen 26.10.2023 – S 14 R 125/19
  • Schwangerschaft
    Schwangerschaft muss nicht offenbart werden und Arbeitgeber dürfen im Vorstellungsgespräch nicht danach fragen. Diese Grundsätze hat das Arbeitsgericht (AG) Gera aktuell bestätigt.
    Eine Frau unterschrieb einen befristeten Vertrag als Pflegeassistentin. Bei Aufnahme der Tätigkeit informierte sie ihren Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft. Dieser sprach umgehend ein Beschäftigungsverbot aus. Mit dem Fall beschäftigen musste sich das Arbeitsgericht Gera deshalb, weil der Arbeitgeber wegen arglistiger Täuschung den Arbeitsvertrag anfocht.
    Eine Anfechtung des Arbeitsvertrages geht in der Regel durch, wenn eine Frage z.B. im Vorstellungsgespräch zulässig ist und ein potentieller Bewerber die Unwahrheit sagt. Zulässig ist eine Frage aber nur, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung hat. Lügt ein Bewerber auf eine unzulässige Frage ist eine Anfechtung des Arbeitsvertrages in der Regel ausgeschlossen.
    Das Arbeitsgericht Gera entschied, dass die Frau weder ihre Schwangerschaft selbst noch die damit verbundene, zum mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot führende Leistungsunfähigkeit für die vereinbarte Tätigkeit als Pflegeassistentin offenbaren musste. Das Arbeitsverhältnis wurde durch die Anfechtung nicht beendet.
    Bewerberinnen dürfen nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden. Eine Einstellung wegen einer Schwangerschaft zu verweigern, kommt nur Frauen gegenüber in Betracht und stellt daher eine unmittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts dar. Siehe EuGH, 08.11.1990 – Rs. C-177/88.
    Fragen nach einer Schwangerschaft im Vorstellungsgespräch sind diskriminierend und verboten.
    AG Gera Az. 3 Ca 1074/22
  • Gefährdungsbeurteilung
    Im vorliegenden Fall wollte ein Arbeitgeber im Einzelhandel bundesweit in allen Filialen eine neue IT-App einführen, ein neues Warenmanagementsystem. Ein örtlicher Betriebsrat hatte Bedenken, dass sich durch die App die Arbeitsabläufe verändern könnten und dies Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten haben könnte. Der Betriebsrat verlange daher eine Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG, was der Arbeitgeber ablehnte.

    Das LAG Berlin-Brandenburg gab dem Betriebsrat recht. Durch die neue App verändern sich die Arbeitsabläufe und die Gesundheit der Beschäftigten könnte betroffen sein. Das LAG setzte eine Einigungsstelle ein, um dies zu klären.
    Für das Gericht besteht durchaus ein Zusammenhang zwischen den Themen IT und Gefährdungsbeurteilung. Um Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten qualifiziert begleiten zu können, hat der Betriebsrat Mitbestimmung nicht nur über § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, sondern auch beim Gesundheitsschutz gemäß Nr. 7.
    LAG Berlin-Brandenburg 27.07.2023 Az.: 10 TaBV 355/23

  • Anspruch auf Teilzeit bestätigt
    Im vorliegenden Fall geht es um eine Marktleiterin im Einzelhandel. Die Frau beantragte Teilzeit. Sie wollte nur mehr 32 Stunden in der Woche arbeiten, verteilt auf 4 Werktage. Der Arbeitgeber lehnte den Teilzeitwunsch ab. Er argumentierte, dass die Position einer Marktleiterin nur von einer Vollzeitbeschäftigten ausgeübt werden kann, schließlich sei auch die Filiale von 7 Uhr bis 20 Uhr geöffnet. Die Frau hielt dagegen, dass eine Marktleiterin sowieso nicht den ganzen Tag anwesend sein könne und es eine Vertretung durch Schichtleitungen gäbe. Die Sache landete vor Gericht.
    Das Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern entschied zu Gunsten der Marktleiterin.
    Der Arbeitgeber brachte im Verfahren noch vor, dass es in 350 Filialen immer nur eine Marktleitung gibt und dass diese Marktleitung immer Vollzeit arbeitet. Dies sei eine unternehmerische Entscheidung und ein sog. Organisationskonzept.
    Für das LAG stellte aber die Vorgabe, die Position der Filialleitung nicht mit Teilzeitbeschäftigten zu besetzen, kein Organisationskonzept im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG dar. Ein Organisationskonzept liegt nicht deshalb vor, weil der Arbeitgeber entscheidet, bestimmte Tätigkeiten nur von Vollzeitbeschäftigten ausüben zu lassen. Sonst könnte der Arbeitgeber jeden Teilzeitwusch ablehnen.
    Auch fehle der Nachweis völlig, laut LAG, welche konkreten Beeinträchtigungen durch ein Abweichen von einem möglichen Organisationskonzept auf Grund des Teilzeitantrages zu befürchten sind.
    Das grundsätzliche Recht auf Teilzeit kann nicht mit dem Argument „interne Vorgaben“ ausgehebelt werden.
    LAG Mecklenburg-Vorpommern 26.09.2023 Az.: 2 Sa 29/23
  • Dienstwagen
    Im vorliegenden Fall sicherte ein Arbeitgeber arbeitsvertraglich zu, dem Beschäftigten einen Dienstwagen zu überlassen, den dieser auch privat nutzen darf.
    Dazu kam es aber in der Folge nicht. Der Beschäftigte verlangte Schadensersatz in Höhe von 17 000 Euro.
    Ungeklärt blieb, ob der Arbeitgeber adäquate Dienstwagen angeboten und ob der Beschäftigte unzulängliche Angebote abgelehnt hatte.
    Das Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (LAG) stellte nur auf die arbeitsvertragliche Überlassungspflicht des Arbeitgebers ab und bejahte die Schadensersatzansprüche des Beschäftigten nach § 280 Abs. 1 i.V.m. § 283 Satz 1 BGB.
    LAG Rheinland-Pfalz 01.03.2024 Az.: 8 Sa 142/23
  • Berechnung GdB
    Leiden kranke Menschen unter mehreren Behinderungen, kann aus den einzelnen Beeinträchtigungen ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) gebildet werden. In der Regel geht es dabei um die Frage, ob die beiden Beeinträchtigungen in einem Zusammenhang stehen bzw. ob sich die beiden Beeinträchtigungen gegenseitig verstärken und somit das Gesamtausmaß der Beeinträchtigung im Alltag höher ist für den betroffenen Menschen.
    Im vorliegenden Fall hat sich das Sozialgericht Aurich mit der Frage beschäftigt, ob sich aus zwei Einzel-GdB von jeweils 30, eine Schwerbehinderteneigenschaft zugestehen lässt. Interessant war hierbei die Tatsache, dass sich die Funktionsbeeinträchtigungen auf unterschiedliche und völlig unabhängige Art und Weise voneinander gezeigt haben. Der betroffene Mann litt an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (GdB 30) und einer Lungenfunktionseinschränkung (GdB 30).
    Das Sozialgericht sprach dem Mann einen Gesamt-GdB von 50 zu und somit die Schwerbehinderteneigenschaft, obwohl die beiden führenden Funktionsbeeinträchtigungen voneinander völlig unabhängig bestehen und sich für den Kläger auf ganz unterschiedliche Bereiche im Ablauf seines täglichen Lebens auswirken. Das Gericht stellte in der Begründung weiter fest, dass im Regelfall davon auszugehen ist, dass zwei führende Einzel-GdB von 30 die Annahme der Schwerbehinderteneigenschaft begründen. Der Weg durch die Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit bleibt abzuwarten.
    Dieser Fall zeigt aber wieder, dass sich zur Erreichung eines höheren GdB der Weg über das Sozialgericht in den meisten Fällen lohnt.
    Sozialgericht Aurich 04.05.2022 Az. S 4 SB 154/21

  • Recht auf Rückkehr in den Dienst
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Studiendirektor, der wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde. Ein Jahr später stellt der Amtsarzt wieder die volle Dienstfähigkeit bei dem Beamten fest. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Reaktivierung des Ruhestandsbeamten und setzte folgendes voraus:
    • Antrag des Beamten
    • Ärztliches Gutachten und Feststellung der Dienstfähigkeit
    BVerwG 15.11.2022 – 2 C 4.21
  • Entfernung einer Abmahnung
    Im vorliegenden Fall ging es um die Abmahnung eines Arztes, der nicht schnell genug während einer Bereitschaft im OP gewesen war. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Mann die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte. Der Arbeitgeber verweigerte die Entfernung nach DSGVO mit dem Argument, er führe die Akte in Papierform.
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hat entschieden, dass Art. 17 Abs. 1 DSGVO auch bei Akten in Papierform gilt. Demnach haben Beschäftigte einen Anspruch darauf, dass Abmahnungen nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aus der Akte entfernt werden. Der Löschanspruch gemäß DSGVO verlangt grundsätzlich ein Löschen aller Daten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nur Stammdaten des Beschäftigten dürfen aufbewahrt werden.
    LAG Hamm 13.09.2022 Az. 6 Sa 87/22
  • Hund vom Arbeitsplatz verbannt
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Verwaltungsangestellte, deren Arbeitgeber ihr die Mitnahme ihres Hundes am Arbeitsplatz gestattete. Grund war eine posttraumatische Belastungsstörung. In der Folge verbot der Arbeitgeber den Hund am Arbeitsplatz, da dieser „nicht sozialisiert“ Betriebsabläufe störte und Mitarbeitende belästigte. Der Hund wurde zunehmend als Bedrohung wahrgenommen.
    Die Frau klagte gegen die Entscheidung mit der Begründung, sie würde wegen ihres Handikaps benachteiligt und der Hund sei als Assistenzhund unverzichtbar.
    Das Gericht gab dem Arbeitgeber Recht. Für eine Mitnahme eines Hundes am Arbeitsplatz gibt es keine gesetzliche Grundlage. Ein Verbot ist vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt. Einem Beweis, dass es sich bei dem Hund um einen Assistenzhund, analog z.B. einem Blindenhund gehandelt hatte, blieb die Frau schuldig. Und auch bei einem Assistenzhund muss gewährleistet sein, dass Mitarbeitende und Arbeitsabläufe nicht beeinträchtigt werden.
    LAG Rheinland-Pfalz 08.09.2022 Az. 2 Sa 490/21
  • Unfall beim Firmenlauf
    Im vorliegenden Fall musste das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg klären, ob ein Unfall im Rahmen eines Firmenlaufs ein versicherter Arbeitsunfall ist, oder nicht. Beim Firmenlauf hatte der Arbeitgeber die Teilnahmegebühr bezahlt und einheitliche Lauf-Shirts mit Firmenlogo gestellt. Bei diesem Lauf verunfallte eine der Teilnehmerinnen. Die Folgen waren nicht unerheblich und die Frau wollte den Unfall als Arbeitsunfall anerkennen lassen.
    Das LSG urteilte, dass der Lauf nicht im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit der Beschäftigten stand. Ein Firmenlauf ist weder als Firmenveranstaltung noch Betriebssport oder als Teil des Betrieblichen Gesundheitsmanagements versichert.
    LSG Berlin-Brandenburg 21.03.2023 Az. L 3 U 66/21
  • Zweifel an eigener Leistungsfähigkeit
    Im vorliegen Fall ging es um einen Busfahrer, der nach Fahrdienstuntauglichkeit mit einfachen Tätigkeiten betraut wurde. Nach einem erneuten Wegeunfall beantragte der Mann eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Gutachten ergaben ein Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden, obwohl der Mann selbst Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit hatte.
    Das Sozialgericht Berlin stellte trotz Gutachten volle Erwerbsminderung fest. Das Gericht begründete diese Entscheidung damit, dass die Aufhebung des Leistungsvermögens des Klägers sich daraus ergibt, dass er die nicht durch objektive Befunde gestützte Vorstellung, also eine Fehlvorstellung, habe, nicht mehr erwerbstätig sein zu können. Diese Vorstellung des Mannes Krankheitswert hätte, von der sich der Mann nicht ohne ärztliche Hilfe hätte lösen können.
    Das Gericht entschied, dass die Rente zu befristen sei.
    Sozialgericht Berlin 14.04.2023 – S 105 R 1771/21
  • Das Verwaltungsgericht (VG) Lüneburg hat ein Urteil gefällt, das die Anerkennung von Reisezeiten erheblich ausweitet. Und das, entgegen gängiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Das VG hat entschieden, das Reisezeiten mit der Bahn von Mitarbeitenden eines Speditionsunternehmens zu und vom Abholorten als Arbeitszeit zu werten ist.
    Im vorliegenden Fall ging es um die Überführung von Fahrzeugen. Die Mitarbeitenden fuhren teils mit der Bahn zum Abholort, brachten das Fahrzeug zum Zielort und fuhren von dort mit der Bahn wieder zum Wohnort.
    Das zuständige Gewerbeaufsichtsamt gab der Arbeitgeberin auf Höchstarbeitszeitgrenzen einzuhalten. Das Amt hatte somit festgestellt, dass Bahnreisezeiten im Zusammenhang mit der Überführung von Fahrzeugen als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes gelten.
    Dagegen wehrte sich die Spedition vor dem Verwaltungsgericht. Sie argumentierte, dass die Beschäftigten während der Bahnfahrt völlig frei wären in der Gestaltung ihrer Zeit und von ihnen lediglich ein Freizeitopfer verlangt würde.
    Die gängige BAG-Rechtsprechung ging bislang davon aus, dass Arbeitszeit dann vorliegt, wenn eine, dem Gesundheitsschutz zuwiderlaufende Belastung vorliegt (Beanspruchungstheorie des BAG).
    Das VG Lüneburg legte die europäischen Arbeitszeit-Richtlinien nun anders aus. Maßgeblich für die Erfassung einer Tätigkeit als Arbeitszeit ist für das VG nur, ob der Beschäftigte dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt.
    Bahnreisezeit zählt hier als Arbeitszeit, weil die teils mehrstündige An- und Abreise bereits Teil der Leistungserbringung ist und die Freiheit des Beschäftigten beschränkt, über seine Zeit selbst zu bestimmen.
    Der Gang durch die Instanzen bleibt abzuwarten und wird sicher spannend (Anmerkung der Redaktion). Wir werden berichten.
    VG Lüneburg 02.05.2023 Az. 3 A 146/22
  • Anerkennung von Berufskrankheiten
    Das Bundessozialgericht (BSG) hat erstmals eine psychische Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt.
    Ob eine Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen wird, regelt die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Um anerkannt zu werden braucht es besondere Einwirkungen, denen bestimmte Personengruppen in ihrer Arbeit in erheblich höherem Grad ausgesetzt sind als die übliche Bevölkerung.
    Ein Expertenrat im Bundesministerium für Arbeit und Soziales berät die Bundesregierung bei der Aufnahme von neuen Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten. Eine Anpassung der Liste erfolgt grundsätzlich sehr zögerlich, insbesondere im Bereich psychischer Belastungen.
    Umso bemerkenswerter ist das Urteil des BSG.
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Rettungssanitäter, der sein ganzes Berufsleben belastenden Situationen erlebt hat, insbesondere bei einem Amoklauf. Im Jahre 20216 wurde bei dem Mann eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) festgestellt. Diese wollte er als „Berufskrankheit“ bei der zuständigen Berufsgenossenschaft anerkennen lassen. Damit scheiterte der Mann zunächst.
    Schließlich musste sich das BSG mit der Frage beschäftigen, ob die Tätigkeit als Rettungssanitäter geeignet ist eine PTBS zu verursachen. Ob also Rettungssanitäter im Gegensatz zur übrigen Bevölkerung besonderen Einwirkungen in erheblich höherem Grad ausgesetzt sind.
    Nach Einholung eines Gutachtens bejahte das BSG diesen Zusammenhang. Damit ist die PTBS „quasi“ in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. Die individuellen Voraussetzungen sind aber trotzdem in jedem einzelnen Fall zu prüfen. Das BSG verwies die Entscheidung zurück an das zuständige Landessozialgericht.
    BSG 22.6.2023 B 2 U 11/20 R
  • Dienstunfall im Supermarkt?
    Im Gegensatz zum vorherigen Fall, ist ein Unfall im Supermarkt in der Regel kein Dienstunfall.
    Im vorliegenden Fall ging eine Beamtin in ihrer Mittagspause in einen Supermarkt, um sich dort etwas zum Essen zu kaufen. In ihrer Dienststelle gab es keine Kantine. Im Supermarkt rutschte sie aus und verletzte sich.
    Die Dienststelle erkannte den Sturz nicht als Dienstunfall an, weil er nicht in Ausübung oder in Folge des Dienstes eingetreten war.
    Ein Dienstunfall besteht nach dem Beamtenversorgungsgesetz in drei Fällen:
    • Der Unfall ereignet sich während oder infolge der Ausübung des Dienstes. Das kann auch außerhalb der Diensträume sein, zum Beispiel bei Dienstgängen.
    • Der Unfall ereignet sich zwar nicht bei ausschließlich dienstlichen Tätigkeiten aber in den Diensträumen, zum Beispiel Besuch der eigenen Kantine.
    • Es handelt sich um einen Wegeunfall auf dem Weg vom Wohnort zur Dienststelle oder umgekehrt.
    Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin verneinte bei der Beamtin einen Dienstunfall. Sie hatte im Supermarkt keine dienstliche Tätigkeit ausgeübt.
    Das VG führte aus, dass Arbeit zwar hungrig macht, aber Essenskauf keine Folge der Arbeit ist, weil man auch ohne Arbeit Hunger bekommt.
    Im Gegensatz zu eigenen Kantinen handelt es sich beim Supermarkt auch nicht um einen Dienstraum. Auch ein Wegeunfall ist deshalb auszuschließen. Die Beamtin war weder auf dem Weg zur Dienstelle noch auf dem Weg nach Hause.
    VG Berlin 08.09.2022 Az 26 K 39/22
  • Weg zum Briefkasten
    Das Bundessozialgericht (BSG) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob der Weg zum Briefkasten versichert ist.
    Im vorliegenden Fall wollte eine erkrankte Beschäftigte ihrem Arbeitgeber ihre ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Post zukommen lassen.
    Auf dem Weg zum Briefkasten stützte die Frau und zog sich Verletzungen zu, die länger behandelt werden mussten. Die Verletzungen führten in der Folge zum Bezug von Krankengeld.
    Die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) verweigerte der Krankenkasse die Kostenerstattung. Die BG vertrat die Ansicht, dass es sich hierbei nicht um einen versicherten Wegeunfall gehandelt hatte. Das Einwerfen des Briefes war arbeitsvertraglich nicht geschuldet und auch nicht angeordnet worden. Lediglich eigene Rechte der Beschäftigten sollten gesichert werden.
    Das BSG hielt die Ablehnung der BG für fehlerhaft und bejahte zweifelsfrei einen Arbeitsunfall.
    Die Beschäftigte wollte ihrer gesetzlichen Nachweispflicht nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz nachkommen. Sie wollte ihrem Arbeitgeber eine zuverlässige Information über Dauer und voraussichtliches Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit zukommen lassen. Sie befand sich also beim Sturz auf einem ihrer versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Betriebsweg.
    Aktuell gilt seit Beginn 2023 für gesetzlich Krankenversicherte, das elektronische Meldeverfahren. Diese müssen sich nach wie vor in der üblichen Weise beim Arbeitgeber krankmelden. Der Arbeitgeber kann, die vom Arzt erstellte elektronische AU-Bescheinigung dann aber digital abrufen. Ist dies möglich, besteht keine Vorlagepflicht der Beschäftigten mehr.
    BSG 30.03.2023 B 2 U 1/21 R
  • Job-Rad
    Im vorliegenden Fall erkrankte ein Beschäftigter und erhielt in der Folge Krankengeld. Nach Rückkehr an den Arbeitsplatz behielt der Arbeitgeber die ausgebliebenen Beiträge des Beschäftigten für das Job-Rad-Leasing von dessen Gehalt ein. Vertraglich war eine Entgeltumwandlung vereinbart worden. Die Beträge waren dem Mann stets vom Bruttoarbeitsentgelt abgezogen worden.
    Der Beschäftigte verlangte die Beträge zurück und argumentierte, er sei unangemessen benachteiligt worden.
    Das Arbeitsgericht (AG) Achen dagegen, sah in dem Vertrag keine unangemessene Benachteiligung des Mannes.
    Der Vertrag geht letztlich auf die Initiative des Mannes zurück, ein von ihm gewähltes Rad zu leasen. Das Rad verbleibt auch während der Erkrankung im Besitz des Mannes, das er auch hätte nutzen können. Letztlich finanziert ein Teilnehmender am Job-Rad-Programm das Rad aus seinem Einkommen selbst. Die Einbehaltung der Beiträge war rechtens.
    AG Aachen 02.09.2023 Az. 8 Ca 2199/22
  • Versorgungsbezüge bei Teilzeit
    Maßgeblich für die ruhegehaltfähige Dienstzeit ist die Teilzeitquote, die im Bewilligungsbescheid für die Teilzeitbeschäftigung festgesetzt ist. Darüber hinaus geleistete Mehrarbeit erhöht die Versorgungsbezüge von Teilzeitbeschäftigten nicht – so das Bundesverwaltungsgericht.
    Im vorliegenden Fall geht es um einen pensionierten Berufschullehrer, der die Berücksichtigung seiner über die Teilzeitquote hinaus geleisteten Arbeitszeit bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge verlangte. Seiner Ansicht nach, stellt die Nichtberücksichtigung der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit bei der Versorgung eine unionsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten dar.
    Das Bundesverwaltungsgericht entschied:
    • Ausgangspunkt für die Festsetzung der Beamtenversorgung ist die durch gestaltenden Verwaltungsakt festgesetzte Teilzeitquote. Mehrarbeit – die vorrangig durch Freizeitausgleich zu kompensieren ist – wird dabei nicht berücksichtigt, unabhängig davon, ob der Beamte in Teilzeit oder Vollzeit beschäftigt ist.
    • Diese Systematik widerspricht nicht den Vorgaben des Unionsrechts. Denn setzt der Arbeitgeber das Instrument der Mehrarbeit rechtswidrig als verdeckte Arbeitszeitregelung ein, so muss der Beamte den aus seiner Sicht unzutreffenden Teilzeitbewilligungsbescheid angreifen.
    BVerwG 09.11.2023 Az. 2 C 12.22
  • Behindertengerechter Wohnraum
    Im vorliegenden Eilverfahren ging es um eine alleinstehende Mutter mit fünf Kindern, deren ältester Sohn auf den Rollstuhl angewiesen ist. Die Familie wohnt auf 83 qm und zum Verlassen der Wohnung muss der schwerbehinderte Sohn durch das Treppenhaus getragen werden. Nachdem die Familie eine geeignete barrierefreie Wohnung gefunden hatte, verweigerte das zuständige Jobcenter die Zusicherung der Mietzahlung, da die Miete ca. 70 € über der Angemessenheitsgrenze von 1353 € lag. Weiter begründete das Jobcenter die Weigerung damit, dass die Mutter bereits zuvor eine geeignete Wohnung abgelehnt hatte.
    Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen verurteilte das Jobcenter zur Zusicherung der Mietzahlung. Zur Begründung führte das LSG an, dass die höheren Kosten aufgrund der familiären Besonderheiten angemessen seien. Der Zugang zum Wohnungsmarkt ist für Menschen mit Behinderung ohnehin erschwert. Hinzu kommt das geringe Angebot für größere Personenzahlen. Die Chancen einer sechsköpfigen Familie, künftig eine andere rollstuhlgerechte Wohnung zu finden, sind damit sehr gering. Der schwerbehinderte Sohn muss nicht deshalb in einer ungeeigneten Wohnung bleiben, weil seine Mutter es in der Vergangenheit ggf. an ausreichenden Bemühungen bei der Wohnungssuche hat fehlen lassen.
    LSG Niedersachsen-Bremen 23.10.2023 L 13 AS 185/23 B ER
  • Misstrauen im Homeoffice
    Das Misstrauen vieler Arbeitgeber in die Qualität der Arbeitsleistung ihrer Beschäftigten im Homeoffice ist immer noch groß. Es ist aber nicht so leicht, auf Verdacht das Gehalt zurückzufordern. Einen Riegel vorgeschoben hat hier das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern.
    Eine leitende Pflegekraft durfte einen Teil der Arbeit von zuhause aus erledigen. Es handelte sich um Dokumentationsarbeiten, z.B. aus dem Bereich der Qualitätssicherung. Die Arbeitszeiten musste die Frau jeweils nach Arbeitsaufnahme und nach Arbeitsende in Tabellen erfassen.
    Der Arbeitgeber hatte den Verdacht, dass die Beschäftigte an bestimmten Tagen ihre Arbeitsleistung nicht erbracht hatte und verlangte für diese Zeiten Rückzahlung des geleisteten Entgelts.
    Das LAG betonte, dass der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ auch im Homeoffice gilt. Der Arbeitgeber muss aber genau beweisen, ob und in welchem Umfang die Beschäftigten zuhause ihre Arbeitsleistung nicht erfüllen. Die Arbeitsleistung ist eine Schuld, deren Erbringung an bestimmte Zeiten, sprich Stunden und Minuten gebunden ist und ein Nachholen grundsätzlich unmöglich macht. Für die Erbringung der Minderleistung trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Dem LAG nach hat der Arbeitgeber hier nicht ausreichend dargelegt, in welchem Umfang die Beschäftigte die Arbeitspflicht nicht erfüllt und keine Arbeitsleitung erbracht hat.
    Unerheblich ist, ob die Beschäftigte die Arbeiten in der gewünschten Zeit oder in dem gewünschten Umfang erledigt hat. Ein Beschäftigter genügt seiner Leistungspflicht dann, wenn er oder sie unter angemessener Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet.
    LAG Mecklenburg-Vorpommern 28.09.2023 Az. 5 Sa 15/23
  • Aufladen von Hybrid-Auto
    Im vorliegenden Fall hatte ein Beschäftigter während seines Dienstes sein Auto an einer Steckdose seines Arbeitgebers geladen. Dieser sprach wegen Stromdiebstahls und des damit einher gehenden Vertrauensverlustes eine außerordentliche Kündig aus.
    Das Arbeitsgericht (AG) Duisburg erklärte die Kündigung für unwirksam.
    Eine Abmahnung, so das Gericht, hätte in dem konkreten Fall als milderes Mittel gereicht, da der Arbeitgeber es geduldet hatte, dass Beschäftigte ihr Handy im Betrieb aufladen. Die Berufung beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf ist anhängig.
    AG Duisburg 10.03.2023 Az. 5 Ca 138/22
  • Fahrtkosten bei stufenweiser Wiedereingliederung
    Das Sozialgericht (SG) Bremen hat die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) zur Übernahme von Fahrtkosten im Rahmen einer Stufenweisen Wiedereingliederung verurteilt. Die Stufenweise Wiedereingliederung nach § 44 SGB IX stellt eine eigenständige Leistung zur medizinischen Rehabilitation i. S. v. § 42 Abs. 1 SGB IX dar. Hiermit einhergehende Fahrtkosten sind gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB IX als ergänzende Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne von § 64 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX zu übernehmen.
    SG Bremen 26.10.2023 – S 14 R 125/19
  • Sturz beim Kaffee-Holen
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Verwaltungsangestellte, die beim Kaffee-Holen auf nassem Boden ausrutschte und sich den Lendenwirbel brach. Sie war auf dem Weg zu einem Getränkeautomaten in einem der Sozialräume, hier die Kantine. Die Frau beantragte den Sturz als Arbeitsunfall anzuerkennen, da ihrer Meinung nach der Weg zum Getränkeautomaten während ihrer Arbeitszeit unfallversichert war.
    Die zuständige Unfallkasse Hessen lehnte dies mit dem Argument ab, dass der Versicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Kantinentür endet.
    Das Hessische Landessozialgericht (LSG) entschied dagegen, den Sturz als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Weg, um sich Kaffee zu holen an einem Automaten, der im Dienstgebäude aufgestellt war, fand in einem engen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit der Angestellten statt. Beschaffen sich Beschäftigte während der Arbeitszeit Nahrungsmittel zum baldigen Verzehr am Arbeitsplatz, so ist dieser Weg grundsätzlich unfallversichert.
    In dem Zusammenhang stellte das LSG klar, dass die Beschaffung von Nahrungsmitteln für den privaten Gebrauch nicht unfallversichert ist, genau so ist der Verzehr der Nahrung stets dem privaten Lebensbereich zuzuordnen.
    Laut LSG endet der Unfallversicherungsschutz nicht an der Tür der Kantine, die sich als Sozialraum innerhalb des Dienstgebäudes befindet. Die Kantine gehört als Pausen- oder Freizeitraum eindeutig in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers.
    LSG Hessen 07.02.2023 Az L 3 U 202/21
  • Stufenweise Wiedereingliederung durchsetzbar
    Im vorliegenden Fall ging es um eine Köchin, die nach längerer Arbeitsunfähigkeit mit Genehmigung der Arbeitgeberin eine stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell) begonnen hatte. Anstatt sie als Köchin „arbeiten“ zu lassen, wurde die Frau auf einem, für sie problematischen Arbeitsplatz eingesetzt, und sie erkrankte erneut. Laut Arbeitgeber war es nicht möglich, die Beschäftigte gemäß des Wiedereingliederungsplanes zwei, vier oder sechs Stunden als Köchin zu beschäftigen. Derart kurze Arbeitsprozesse gäbe es nicht.
    Das Arbeitsgericht Verden verurteilte die Arbeitgeberin dazu, der Frau im Rahmen der Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben entsprechend der ärztlichen Empfehlung mit einer konkret festgelegten Stundenzahl einen Arbeitsplatz als Köchin zuzuteilen und sie auch unter Berücksichtigung des aktuellen Wiedereingliederungsplans zu beschäftigen.
    Beim Hamburger Modell geht es nicht darum, dass Beschäftigte sofort einen Arbeitsplatz ausfüllen, der im Rahmen von Dienstplänen festgelegt ist. Vielmehr geht es um einen zusätzlichen Einsatz im Betrieb, in einem bestimmten zeitlichen Rahmen, hier mit Tätigkeiten einer Köchin.
    In der großen Küche der Arbeitgeberin waren ausreichend andere Arbeitsplätze vorhanden. Auf die Erledigung ganzer Arbeitsprozesse kommt es bei der stufenweisen Wiedereingliederung gerade nicht an.
    Arbeitsgericht Verden 06.09.2022 – 2 Ca 145/22
  • Nichtabmelden für Raucherpausen ist Arbeitszeitbetrug
    Im vorliegenden Fall verstieß eine Beschäftigte gegen eine Dienstvereinbarung, die beim Betreten und Verlassen der Dienststelle und bei Raucherpausen ein Ein- bzw. Ausstempeln regelte. Innerhalb eines kurzen Zeitraums verstieß sie bis zu siebenmal pro Tag gegen die Vereinbarung.
    Der Arbeitgeber kündigte wegen Arbeitszeitverstößen und Weigerung, sich an die Weisung zu halten. Das Landesarbeitsgericht Thüringen bestätigte die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Weder eine mögliche Nikotinabhängigkeit ließ das Gericht gelten noch die Tatsache, dass sog. wilde Raucherpausen, ohne Stempeln, an der Tagesordnung waren.
    LAG Thüringen 03.05.2022 Az 1 Sa 18/21
  • Weg vom Bett ins Home-Office versichert
    Im vorliegenden Fall ging es um einen Beschäftigten, der nach dem Aufstehen, direkt die Treppe innerhalb seiner Wohnung zu seinem Büro benutzte und dabei stürzte. Er brach sich einen Brustwirbel und machte diesen Sturz als Arbeitsunfall geltend. Üblicherweise frühstückte der Mann nicht, sondern begann direkt nach dem Aufstehen zu arbeiten. Das urteilende Landessozialgericht (LSG) lehnte einen Arbeitsunfall ab, da es den Weg zum Büro als unversicherte Vorbereitungshandlung sah. Die versicherte Tätigkeit beginne erst mit Durchschreiten der Haustür. Das LSG lehnte sich an alte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, die starr trennt zwischen dem häusli-chen Lebensbereich und dem versicherten Weg zur Arbeit. Dies hätte zur Folge, dass Menschen im Home-Office niemals innerhalb des Hauses bzw. innerhalb der Wohnung auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit wegeunfallversichert gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII wären.
    Das BSG hat nun seine bisherige Rechtsprechung korrigiert. Als der Mann auf dem morgendlichen Weg in sein häusliches Büro (Homeoffice) stürzte, erlitt er einen Arbeitsunfall. Das Beschreiten der Treppe ins Homeoffice diente allein der erstmaligen Arbeitsaufnahme und ist deshalb als Verrichtung im Interesse des Arbeitgebers als Betriebsweg versichert.
    BSG 08.12.2021 Az. B 2 U 4/21 R
  • Arbeitgeber sind nicht verpflichtet Mails mit gewerkschaftlichem Inhalt zu verschicken
    Im vorliegenden Fall ging es um eine, bei dem Arbeitgeber vertretene Gewerkschaft. Diese durfte, wie auch andere Gewerkschaften, im Intranet des Arbeitgebers Informationen veröffentlichen und auf ihr Angebot aufmerksam ma-chen. Da die Beschäftigten coronabedingt im Homeoffice waren, wollte sie den Arbeitgeber gerichtlich dazu ver-pflichten, dass er E-Mails, mit einem von der Gewerkschaft gestalteten Inhalt, an alle dienstlichen E-Mail-Adressen schickt.
    Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass das Grundgesetz die Betätigungsfreiheit einer Gewerk-schaft grundsätzlich schützt. Wenn sie aber dafür auf die Inanspruchnahme von Betriebsmitteln angewiesen ist, müsse abgewogen werden zwischen “ihren Aufgaben und Leistungen zwecks Mitgliederwerbung einerseits und dem Interesse des Arbeitgebers an einem störungsfreien Betriebsablauf und der Vermeidung der übermäßigen Inanspruchnahme seiner Ressourcen andererseits”.
    Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Gewerkschaften zwar berechtigt, E-Mails auch ohne Einwil-ligung des Arbeitgebers an die ihr bekannten dienstlichen E-Mail-Adressen zu schicken, aber nicht berechtigt, dem Arbeitgeber eine “aktive Handlungspflicht aufzuerlegen”.
    ArbG Bonn 11.05.2022 Az.: 2 Ca 93/22
  • Beweislast des Zugangs einer E-Mail liegt bei Sender
    Den Fall eines angehenden Piloten hat das Landesarbeitsgericht Köln genutzt, um klarzustellen, dass der Sender einer E-Mail gegebenenfalls den Beweis erbringen muss, dass diese Mail den Empfänger auch erreicht hat.
    Gemäß § 130 BGB trifft den Absender einer Willenserklärung, hier einer Mail, die volle Beweispflicht, dass sie dem Empfänger auch zugegangen ist. Ein Nachweis über das Senden reicht hierfür nicht. Das bloße Senden einer Mail heißt nicht, dass diese auch zugegangen ist. Das Risiko, dass eine Mail technisch „verloren“ geht, kann nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Der Absender der Mail hat den Weg der Übermittlung frei gewählt und trägt somit auch das Risiko, dass die Nachricht eventuell nicht ankommt. Laut Gericht hätte der Absender eine Lesebestäti-gung anfordern sollen.
    Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln 11.01.2022 Az.: 4 Sa 315/21
  • Auskunftsrecht über gespeicherte Daten
    Im vorliegenden Fall ging es um die fristlose Kündigung eines Beschäftigten wegen wiederholt falscher Abrech-nung von Fahrtkosten. Im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn, verlangte er vom Ar-beitgeber Auskunft über sämtliche dort über ihn gespeicherten Daten und den Zweck der Speicherung. Der Arbeit-geber verweigert die Auskunft über die Daten mit der Begründung, dass sie aufgrund der strafrechtlichen Ermitt-lungen der Geheimhaltung unterlägen.
    Für den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO gilt hier folgendes:
    • Er besteht während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und danach – also hier auch nach der Kün-digung.
    • Der Anspruch berechtigt den Beschäftigten, vom Arbeitgeber konkret zu erfahren, welche Daten über ihn, zu welchem Zweck und wie lange gespeichert sind.
    • Der Anspruch bezieht sich auf alle Stammdaten und alle personenbezogenen Daten, die Ausdruck von dessen Identität sind (Personaldaten, Meinungen, Äußerungen etc.).
    • Nach einem neuen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) sind auch interne Vermerke und E-Mail-Kommunikation vom Auskunftsanspruch umfasst (BGH 15.6.2021 – VI ZR 576/19).
    • Der Beschäftigte soll prüfen können, ob die Verarbeitung und Speicherung der Daten rechtmäßig ist oder ob er einen Anspruch auf Löschung, Berichtigung oder Einschränkung der Bearbeitung o.ä. geltend machen will.
    Das Gericht erkennt hier den Anspruch auf Auskunft voll an. Arbeitgeber habe kein Recht, aus Gründen der Ge-heimhaltung und mit Blick auf ein straf-rechtliches Ermittlungsverfahren, Auskünfte zurückzuhalten. Für Unterneh-men ist es daher wichtig, ein Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten zu führen und die verarbeiteten Daten der Beschäftigten sorgfältig zu dokumentieren, um für eventuelle Auskunftsansprüche gewappnet zu sein. Quelle: Bund Verlag
    LAG Hessen 10.06.2021 Az 9 Sa 1431/19
  • Mitbestimmung des Betriebsrats bei mobiler Arbeit
    Der neu geschaffene § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG (BetriebsrätemodernisierungsG) räumt dem Betriebsrat eigentlich kein Mitbestimmungsrecht beim „Ob“ von mobiler Arbeit ein, sondern nur bei deren Ausgestaltung. Die Frage des „Ob“ verbleibt also im Direktionsrecht des Arbeitgebers. Das LAG Köln hat jetzt geurteilt, dass der Betriebsrat sehr wohl eine „Art“ Initiativrecht hat, sobald der Arbeitgeber einigen Beschäftigten das Recht einräumt mobil zu arbei-ten. Für diesen Fall bejaht das Gericht den kollektiven Bezug und eine Betriebsvereinbarung die Einzelheiten mobi-ler Arbeit regelt ist vor der Einigungsstelle erzwingbar. Az 9 TaBV 9/21
  • Arbeitgeber darf Rückkehr aus Home-Office anordnen
    Ein Arbeitgeber, der während der Pandemie aus Gründen des Gesundheitsschutzes seinen Beschäftigten gestattet hatte, Tätigkeit von zuhause aus zu erbringen ist gemäß § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich berechtigt, seine Wei-sung zu ändern. Im konkreten Fall handelte es sich um einen Grafiker, bei dem sich später betriebliche Gründe ergaben, die gegen eine Erledigung von Arbeiten im Homeoffice sprachen.
    LAG München 26.08.2021 Az: 3 SaGa 13/21
  • Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
    Ein Arbeitnehmer kündigte sein Arbeitsverhältnis und wurde am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrie-ben. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann insbesondere dann erschüttert sein, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit zeitgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst. Hat der Arbeitgeber grundsätz-lich Zweifel an der Bescheinigung, muss er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernst-haften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Im vorliegenden Fall muss der Beschäftigte substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen.
    BAG 08.09.2021 Az: 5 AZR 149/21
  • Kurzarbeit kürzt den Urlaub BAG vom 30. November 2021 – 9 AZR 225/21
  • Kein Zwang zur Inanspruchnahme des Schutzes wegen Schwerbehinderung BVerwG, Beschluss v. 26.9.2016 – 2 B 28.1
  • Beteiligung der SBV am Zurruhesetzungsverfahren eines Beamten VG Berlin Urteil v. 18.08.2008, Az.: 7 A 92.07
  • Mehrjährige krankheitsbedingte Ausfallzeit: Angabe im Zeugnis zulässig LAG Hessen, Urteil v. 02.02.2015 – 16 Sa 1387/14
  • Vergütungshöhe von Gebärdensprachdolmetscherleistungen VG Mainz Urteil vom 07.05.2015, Az.: 1 K 716/14 MZ
  • Urlaubsgeld auch für Zusatzurlaub Arbeitsgericht Köln AZ: 5 Ca 5820/15, Urteil vom 21.01.2016
  • Krankgeschriebene Mitarbeiter müssen nicht zum Personalgespräch LAG Nürnberg, Urteil vom 01.09.2015 Az.: 7 Sa 592/14
  • Krankgeschriebene Mitarbeiter müssen nicht zum Personalgespräch BAG Urteil vom 2. November 2016 – 10 AZR 596/15 –
  • Aufhebung der Schwerbehinderteneigenschaft auch noch nach vielen Jahren zulässig BSG vom 11.08.2015
  • Zuerkennung eines höheren Behinderungsgrades – Alle Lebensbereiche zählen! BSG, 16.04.2014, Aktenzeichen: B 9 SB 2/13 R
  • Schwerbehinderung – Rückwirkende Feststellung bei berechtigtem Interesse Bayerisches LSG Urteil vom 10.09.2014, Aktenzeichen L 3 SB 235/13
  • Aufklärungspflicht des Integrationsamtes Bayerischer VGH, Urteil vom 31.01.2013 – 12 B 12.860 –
  • Bußgeld wegen offenen Mail-Verteilers Pressemitteilung dews BayLDA vom 28.06.2013
  • Betriebsrat hat Mitbestimmungsrecht bei Durchführung von formalisierten Krankenrückkehrgesprächen LAG München, Beschluss vom 13.02.2014, 3 TaBV 84/13
  • Beamte haben bei Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf Abgeltung für krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaub BVG – 31.01.2013 – BVerwG 2 C 10.12 –
  • Schwerbehinderte dürfen bei Abfindung nicht benachteiligt werden EuGH, Urteil vom 06.12.2012, Aktenzeichen: C-152/11
  • Schwerbehinderter Arbeitnehmer bei Altersteilzeit benachteiligt LAG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2012 Az.: 16 Sa 1760/11
  • Urlaubsanspruch entsteht auch im langjährig ruhenden Arbeitsverhältnis BAG, Urteil vom 7.08.2012 – 9 AZR 353/10 –
  • Kann die Schwerbehinderteneigenschaft auch rückwirkend festgestellt werden? BSG-Urteil vom 07.04.2011 – B 9 SB 3/10 R
  • Anspruch auf Telearbeitsplatz LAG Niedersachsen, Urt. v. 06.12.2010 – 12 Sa 860/10
  • Verkürzung der WAZ nicht für gleichgestellte Bundesbeamte BVerwG, Urteil vom 29.07.2010 – 2 C 17/09
  • Anspruch auf Zusatzurlaub bleibt am Ende des Arbeitsverhältnisses trotz Arbeitsunfähigkeit bestehen BAG, 23.03.2010, Az. 9 AZR 128/09
  • Urlaub – Zusatzurlaub – Verfall BAG, Urteil vom 23. 3. 2010 – 9 AZR 128/09 und Urteil vom 24. 3. 2009 – 9 AZR 983/07
  • Urlaubsgeld für Zusatzurlaub BAG, Urteil vom 30.07.1986 – 8 AZR 241/83
  • Zwangspensionierung eines sbM ohne Anhörung der SBV ist rechtswidrig Urteil des VG Berlin vom 19.08.2008 zum Az. : VG 7 A 92.07
  • Mehrarbeit bezieht sich auf die Regelarbeitszeit VGH Kassel, Beschluss vom 13.03.2007, 1 UE 2040/06
  • Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am ersten Tag? BAG, Beschluss vom 25.01.2000 – 1 ABR 3/99
  • Dienstbeurteilungen über schwerbehinderte Arbeitnehmer müssen offen gelegt werden ArbG Oldenburg, 14.02.2007 – Az: 2 Ca 140_06
  • Betriebs- oder Abteilungsschließung – Wohin mit der Interessensvertretung? BAG, 02.03.2006 – 2 AZR 83/05
  • Ruhestandsversetzung bei Schwerbehinderung Bayerischer VGH, 09.11.2005, Az. 15 BV 03.3368
  • Schwerbehinderte sind von Bereitschaftsdiensten, die Mehrarbeit bedeuten, freizustellen BAG, 21.11.2006, Az.: 9 AZR 176/06
  • Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen BAG, 24.10.2006 – Az: 9 AZR 669/05
  • Annahmeverzug und Schadensersatz bei Schwerbehinderung (mit Urteilsbesprechung) BAG, 04.10 2005 – 9 AZR 632/04
  • Arbeitgeber darf ärztliches Attest grundsätzlich nicht anzweifeln LAG Rheinland-Pfalz – 4 Sa 728/04
  • Schwerbehinderte kann Beamtin werden
  • Behinderter hat keinen Anspruch auf behindertengerechte Tätigkeit
  • Arbeitnehmer muss nicht den Grund seiner Krankschreibung mitteilen
  • Keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einer leidensgerechten Beschäftigung
  • 50.000 EURO – wenn weiter gemobbt wird
  • Verkürzte Inanspruchnahme von Altersteilzeitarbeit durch schwerbehinderte Menschen
  • Arbeitgeber muss nach Mobbing Schadenersatz und Schmerzensgeld zahlen
  • Interessantes Urteil für Diabetiker
  • Arbeitnehmer darf nicht von Überstunden ausgeschlossen werden
  • Arbeitgeber darf depressiven Mitarbeiter nicht zum Psychiater schicken
  • Mobbing-Folgen sind keine Berufskrankheit
  • Beschäftigungsanspruch eines Schwerbehinderten
  • Attest des Amtsarztes bindend
  • Freistellung schwerbehinderter Menschen von Mehrarbeit und Nachtarbeit?
  • Arbeitnehmer darf Teilzeitarbeit selbst einteilen
  • Mobbing als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
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Wahlen

  • Die Beschäftigung ist nicht zwingende Voraussetzung für ein Arbeitsverhältnis.
    Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung ist unwirksam, wenn ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht vorliegt. Ein solcher Verstoß lag im zugrundeliegenden Fall vor. Rehabilitanden, die in einer Werkstätte beschäftigt waren, wurde nicht in die Wählerliste aufgenommen und demzufolge nicht zur Wahl im Sinne des § 177 Abs. 2 SGB IX i.V.m. § 19 Abs. 1 BetrVG zugelassen. Sämtliche in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen sind nach § 177 Abs. 2 SGB IX zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung wahlberechtigt. Im Gegensatz zu § 5 BetrVG bezieht sich § 177 Abs. 2 SGB IX nicht auf den Arbeitnehmerbegriff, sondern vielmehr auf den Begriff des „Beschäftigten“, folglich an die „Beschäftigung“ als solche. Eine Beschäftigung setzt aber nicht zwingend ein Arbeitsverhältnis voraus, sodass der Kreis der Wahlberechtigten sehr weit gefasst ist.
    Hierrunter fallen auch behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten im Sinne des § 221 Abs. 1 SGB IX, die bei der SBV-Wahl nicht berücksichtigt wurde.
    LAG Hessen 13.11.2023 16 TaBV 72/23
  • Falsches Wahlverfahren
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) München hat entschieden, dass eine BR-Wahl, die im falschen Wahlverfahren durchgeführt wird, nicht abgebrochen werden muss. Im vorliegenden Fall ging es um eine BR-Wahl in einem Kleinbetrieb, die fälschlicherweise im normalen Wahlverfahren durchgeführt werden sollte. Der Arbeitgeber versuchte mit einer einstweiligen Verfügung den Abbruch der Wahl zu erreichen. Das Arbeitsgericht München gab diesem Antrag statt und stoppte die laufende BR-Wahl.
    Der Wahlvorstand führte eine BAG-Entscheidung (BAG 27.07.2011 7 ABR 61/10) an, nach der ein Abbruch oder eine Aussetzung einer Wahl im Wege der einstweiligen Verfügung nur zulässig ist, wenn bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung im Verfahren erkennbar ist, dass die Wahl nichtig sein wird.
    Das LAG gab dem Wahlvorstand recht. Die Entscheidung, die Wahl abzubrechen war nicht rechtens. Zwar hat der Wahlvorstand unstrittig Fehler gemacht. Diese Fehler erreichten allerdings nicht die Qualität, dass eine durchgeführte Wahl in jedem Fall nichtig wäre. Ein Abbruch der Betriebsratswahl kann daher nicht verlangt werden. Selbst bei einer sicher erfolgreichen Anfechtbarkeit der Wahl, muss diese nicht abgebrochen werden.
    LAG München 20.05.2022 Az. 5 TaBVGa 2/22
  • Postadressen für Wahlvorstand
    Im vorliegenden Fall verweigerte ein Arbeitgeber einem Wahlvorstand einer Betriebsratswahl die Herausgabe von Postadressen mit dem Hinweis auf den Datenschutz. Obwohl der Wahlvorstand die Privatadressen der Beschäftigten für z.B. die Briefwahl bzw. Versendung des Wahlausschreibens benötigte, verweigerte der Arbeitgeber die Herausgabe mit dem Hinweis auf verbotene Vorratsdatenspeicherung. Auch läge keine Einwilligung der betroffenen vor.
    Das Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg ließ Datenschutzbedenken nicht gelten. Zum einen würden die Daten, hier Privatadressen der Beschäftigten vom Arbeitgeber rechtmäßig verarbeitet, zum andere benötigt der Wahlvorstand sie zur Durchführung seiner ihm nach § 24 WO obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen und unterliege dabei der Schweigepflicht.
    LAG Berlin-Brandenburg 21.04.2023 Az. 26 TaBVGa 436/23
  • Falsches Wahlverfahren
    Das Landesarbeitsgericht (LAG) München hat entschieden, dass eine BR-Wahl, die im falschen Wahlverfahren durchgeführt wird, nicht abgebrochen werden muss. Im vorliegenden Fall ging es um eine BR-Wahl in einem Kleinbetrieb, die fälschlicherweise im normalen Wahlverfahren durchgeführt werden sollte. Der Arbeitgeber versuchte mit einer einstweiligen Verfügung den Abbruch der Wahl zu erreichen. Das Arbeitsgericht München gab diesem Antrag statt und stoppte die laufende BR-Wahl.
    Der Wahlvorstand führte eine BAG-Entscheidung (BAG 27.07.2011 7 ABR 61/10) an, nach der ein Abbruch oder eine Aussetzung einer Wahl im Wege der einstweiligen Verfügung nur zulässig ist, wenn bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung im Verfahren erkennbar ist, dass die Wahl nichtig sein wird.
    Das LAG gab dem Wahlvorstand recht. Die Entscheidung, die Wahl abzubrechen war nicht rechtens. Zwar hat der Wahlvorstand unstrittig Fehler gemacht. Diese Fehler erreichten allerdings nicht die Qualität, dass eine durchgeführte Wahl in jedem Fall nichtig wäre. Ein Abbruch der Betriebsratswahl kann daher nicht verlangt werden. Selbst bei einer sicher erfolgreichen Anfechtbarkeit der Wahl, muss diese nicht abgebrochen werden.
    LAG München 20.05.2022 Az. 5 TaBVGa 2/22
  • Wählerliste SBV-Wahl
    Ein Betriebsrat (BR) plante die Einberufung einer Wahlversammlung zur Wahl einer Schwerbehindertenvertretung. Zu diesem Zweck verlangte der Betriebsrat die Überlassung des Verzeichnisses aller schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen mit Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum, Art der Tätigkeit und Angabe der Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung. Der Arbeitgeber verweigerte die Information mit dem Hinweis auf den Datenschutz. Ohne Einwilligung eines jeden Einzelnen, keine Herausgabe.
    Der Betriebsrat begründete seine Forderung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Zur Durchführung seiner Aufgaben muss der BR rechtzeitig und umfassend unterrichtet werden. Voraussetzung ist, dass der BR darlegen kann, dass die Informationen zur Wahrnehmung seiner Aufgabe erforderlich sind.
    Gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG hat der Betriebsrat die Aufgabe, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern. Hierzu benötigte er das geforderte Verzeichnis. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg bejahte den Informationsanspruch des BR. Einer Einwilligung der Beschäftigten war nicht erforderlich.
    Das LAG machte im Rahmen der Urteilsbegründung Ausführungen, dass Betriebsräte im Rahmen ihrer Aufgaben immer technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten einhalten müssen. Fordert der Betriebsrat sensible Daten im Sinne von Art. 9 DSGVO an, muss er Schutzmaßnahmen für diese Daten vorlegen. Dies können z.B. Zugangsbeschränkungen zum Betriebsratsbüro, eine spezielle Empfängeradresse bei elektronischer Übermittlung, Schutz durch Passwörter oder ein Löschkonzept sein.
    Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 20.05.2022 – 12 TaBV 4/21
  • Betriebsratswahl wegen Verstoß gegen Bekanntmachungspflichten aus § 10 WO unwirksam
    Im vorliegenden Fall hatte ein Wahlvorstand das Wahlausschreiben ausgehangen und zusätzlich Teilen der Wahlbe-rechtigten in elektronischer Form zugesandt. Die nach Ende der Einreichungsfrist als gültig anerkannten Vor-schlagslisten wurden jedoch nur mehr per Aushang bekannt gemacht und nicht mehr zusätzlich in elektronischer Form.
    Die Erfurter Richter urteilten, dass der Wahlvorstand gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen hat. Der Wahl-vorstand hatte es versäumt, die zugelassenen Vorschlagslisten nicht auch per E-Mail bekannt gegeben zu haben. § 10 Abs. 2 WO verlange unverzichtbar, gültig Wahlvorschläge in gleicher Weise bekannt zu machen wie das Wahl-ausschreiben”.
    Wählende müssen darauf vertrauen können, dass sie auf demselben Weg, auf dem sie durch den Wahlvorstand über die Einleitung der Wahl informiert wurden, auch alle weiteren, für die Wahl und insbesondere die Ausübung ihres aktiven und passiven Wahlrechtes relevanten Informationen erhalten.
    BAG 20.10.2021 Az.: 7 ABR 36/20
  • Versand von Wahlwerbung von der SBV Hessisches LAG, Beschluss vom 25.05.2020 – 16 TaBV 147/19
  • SBV – Wahlanfechtung – Wahlwerbung Hessisches LAG, Beschluss vom 15.06.2020 – 16 TaBV 116/19
  • SBV – Wahlanfechtung – Wahlausschreiben – Ort, LArbG Baden-Württemberg, Beschluß vom 10.6.2020, 4 TaBV 5/19
  • Wahlwerbung mit Dienstpost – Anfechtungsgrund ArbG Frankfurt, 07.08.2019, Az: 17 BV 675/18
  • Schulung für den Wahlvorstand LAG Hessen vom 20.08.2018, Az: 16 TaBVGa 159/18
  • Wahlanfechtung – Wahlgeheimnis BAG, Beschluss vom 21.3.2018, 7 ABR 29/16
  • Wählbarkeit und Wahlwerbung BAG vom 25.10.2017 – AZ.: 7 ABR 2/16
  • Wahlanfechtung oder Nichtigkeit der SBV-Wahl  LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 28.11.2017, 9 TaBV 4/17
  • Seminar für Wahlvorstandsmitglieder bei der SBV-Wahl LAG Hamburg, Urteil vom 14. März 2012 – H 6 Sa 116/11
  • SBV-Wahl: „Ich mach’s“ reicht nicht! LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.05. 2016, Az.: 10 TaBV 2/16
  • Öffentlichkeit bei der Öffnung der Freiumschläge für die Briefwahl LAG Köln vom 20.05.2016, Az.: 4 TaBV 98/15
  • Einspruch gegen fehlerhafte Wählerliste ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung für Wahlanfechtung LAG Hamm vom 30.06.2015, 7 TaBV 71/14
  • Wahl einer Stufenvertretung nur im formellen Wahlverfahren BAG, Beschluss vom 23.07.2014 – 7 ABR 61/12
  • Frist für die Anfechtung der Wahl der SBV und der Stellvertreter BAG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 7 ABR 23/12 –
  • Aktives Wahlrecht auch für ausgelagerte Beschäftigte bei Werkvertrag LAG München, Beschluss vom 28.05.2014, Az: 8 TaBV 34/1
  • Wählerverzeichnis – notwendige Daten – Briefwahl LAG Baden-Württemberg, 30.10.1992 – 1 TaBV 2/92
  • Grundsatz der Öffentlichkeit bei der Wahl der Schwerbehindertenvertretung LAG Stuttgart, 30.10.2012, 15 TaBV 1/12 und BAG 18.03.2015 – 7 ABR 6/13
  • Stimmzettel ohne Bewerbernamen Verwaltungsgericht Düsseldort, Beschl. v. 19.12. 1985 – PVL 31/85
  • Wahlversammlung während der SBV-Versammlung nicht zulässig Oberverwaltungsgericht Münster, Beschl. v. 27.01.1984 – CB 12/83
  • Kündigungsschutz für Wahlbewerber ArbG Stuttgart, Urteil vom 24.04.2008, 10 Ca 1658/07
  • Anfechtung der Wahl der SBV wegen Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot BAG, Beschluss v. 10.07.2013 – 7 ABR 83/11 –
  • Arbeitnehmer ohne hinreichende Deutschkenntnisse bei der Wahl der SBV LAG Köln, Beschluss v. 08.03.2012 – 13 TaBV 82/11 –
  • Anfechtung der Wahl der GSBV gehört vor das Arbeitsgericht BAG vom 22.3.2012 – 7 AZB 51/11
  • Keine Antragsbefugnis der Schwerbehindertenvertretung nach § 18 Abs 2 BetrVG BAG vom 18.01.2012, 7 ABR 72/10
  • Anfechtung einer Wahl im vereinfachtes Wahlverfahren Landesarbeitsgericht Köln, 9 TaBV 96/11
  • SBV – Wahl (Barrierefreie Kommunikation) LAG Köln 08.03.2012 – 13 TaBV 82/11
  • Falsches Datum – Wahlanfechtung LAG Köln, Beschluss vom 24.11.2011 – 6 TaBV 67/11
  • Versendung des Wahlausschreibens per E-Mail – Wahlanfechtung LAG Köln, Beschluss vom 11.04.2008 Az.: 11 TaBV 80/07
  • Briefwahl nur gültig bei Stimmabgabe plus persönlicher Erklärung LAG Hamm vom 09.03.2007, 10 TaBV 105/06
  • Wahlrecht bei Altersteilzeit (Block) oder BVerwG, Beschluss vom 15.05.2002 – 6 P 8.01 –
  • Stützunterschriften für Wahlvorschläge im Original einreichen BAG, Beschluss vom 20.01.2010 – 7 ABR 39_08
  • Schwerbehindertenvertretung – Wahlanfechtung – Stellvertretung BAG, Beschluss vom 29.07.2009, 7 ABR 91/07
  • Schwerbehindertenvertretung – Wahlanfechtung – Gewerkschaft BAG, Beschluss vom 29.07.2009, 7 ABR 25/08
  • Sonderkündigungsschutz für Wahlbewerber LAG Hamm, Urteil vom 11.05.2007, Az.:10 Sa 1684/06
  • Wahlbewerber in Wahlversammlungen haben Kündigungsschutz LAG Stuttgart, Urteil vom 12.03.2003, 4 Sa 45/02
  • Nichtigkeit der Wahl OVG NRW, Beschluss vom 07.04.2004, Az: 1 A 4778/03.PVL
  • Wahlanfechtung – Wer trägt die außergerichtlichen Kosten? BAG, 07.07.1999 – 7 ABR 4/98 und BVerwG, 29.08.2000 – 6 P 7. 99
  • Zusammenfassung von Gerichten zur SBV-Wahl; BVerwG vom 08.12.1999, 6 P 11/98
  • Hauptschwerbehindertenvertretung – Wer ist wahlberechtigt? Beschluss BAG vom 24.05.2006, Az. 7 ABR 40/05
  • Schwerbehindertenvertretung – Vereinfachtes Wahlverfahren BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05
  • Wahl einer Schwerbehindertenvertretung im vereinfachten Verfahren BAG, Beschluss vom 07.04.2004 – 7 ABR 42/03
  • Schwerbehinderten Rehabilitanten steht ein Wahlrecht zu BAG, Beschluss vom 27.06.2001, Az. 7 ABR 50/99
  • Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung für schwerbehinderte Rehabilitanten BAG, Beschluss. v. 16.04.2003 – 7 ABR 27/02
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Für die Gültigkeit der Urteile kann keine Garantie übernommen werden. Vor allem im Hinblick darauf, dass neuere Rechtsprechung zu anderen Erkenntnissen und somit zu anderen Urteilen gekommen ist.

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