Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) – Das geht alle Arbeitnehmer an!

Im § 167 Abs. 1 SGB IX hat der Gesetzgeber festgelegt, dass bei schwerbehinderten Menschen bereits im Vorfeld die Interessensvertretung einzuschalten ist. Dies soll ggf. den Arbeitsplatz sichern.

Gilt für alle!

Die Vorschrift des § 167 Abs. 2 SGB IX erweitert das frühzeitige Einschalten, der Schwerbehindertenvertretung, der Betriebs- oder Personalräte, der Rehabilitionsträger und des Integrationsamtes auf die Fälle, in denen eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen oder wiederholte Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Die Regelung des Abs. 2 gilt nicht nur für schwerbehinderte Personen, sondern auch für alle anderen arbeitsunfähigen oder wiederholt arbeitsunfähigen Menschen.
Urteil dazu: LAG Hamm, Urteil vom 24. Januar 2007, Az: 2 Sa 991/06

Integrationsteam

Eine wichtige Voraussetzung für die Einrichtung eines BEM ist die Bildung von Integrationsteams. Diesen Integrationsteams sollten Vertreter/Vertreterinnen des Arbeitgebers, des Betriebs- oder Personalrates und die Schwerbehindertenvertretung als ständige Mitglieder angehören und je nach Fall externer Sachverstand hinzugezogen werden. Hierin besteht im Schrifttum zum § 167 Abs. 2 SGB IX weitgehende Einigkeit. Dieses Integrationsteam könnte das eigentliche BEM entwickeln.

Auch für Beamte?

Die Verwendung der Begriffe „Beschäftigte“ und „Arbeitgeber“ stammt aus dem Arbeitsrecht. Trotzdem ist die Vorschrift des § 167 SGB IX (wie der gesamte zweite Teil des SGB IX) auch für die Beamten zu übernehmen§ 211 SGB IX schreibt die Übertragung dieser Regelung (wie die des gesamten zweiten Teiles des SGB IX) auf die Beamten vor. So sieht es auch der ehemalige Richter am BSG, Dr. Alexander Gagel, in einem Interview.
Beitrag 1 – BEM auch für Beamte
Beitrag 2 – BEM und Beamtenversorgungsgesetz im Widerspruch?
Beitrag 3 – Besprechung zum Beschluss des OGV Niedersachsen vom 29.01.2007 – 5 ME 61/07

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Zielfelder eines Eingliederungsmanagements

Wenn man von der gesetzlichen Definition des § 167 Abs. 2 Satz 1 ausgeht, soll durch das Eingliederungsmanagement erreicht werden, dass Arbeitsunfähigkeiten überwunden, erneute Arbeitsunfähigkeiten vorgebeugt und Arbeitsplätze erhalten werden können. Dabei geht der § 167 SGB IX Abs. 2 vom Einzelfall aus. Es muss zunächst eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen vorliegen, damit einzelfallbezogene Maßnahmen greifen können. Hierzu gehören u. a.:

  • Erfassung der Krankheitszeiten von mehr als sechs Wochen
  • Entwicklung geeigneter Erhebungsmethoden (-kataloge)
  • Aufdecken von betrieblichen Ursachen der Erkrankungen
  • Aufdeckung von Fehlbelastungen
  • Stufenweise Wiedereingliederung
  • Entwicklung eines Katalogs von Hilfsmaßnahmen und –partnern (Netzwerk)

Die Einzelfallbezogenen Maßnahmen müssen ausgewertet werden. Die Konsequenzen hieraus münden in die Vorbeugung erneuter Arbeitunfähigkeit oder Prävention ein, z. B. durch:

  • Auswertung der Krankheitsentwicklungen /-statistiken
  • Entwicklung eines Frühwarnsystems (behindertengerechter Arbeitsplatz, Erfassung aller Belastungen am Arbeitsplatz)
  • Erfassung psychischer Belastungen
  • Ausbau von betriebsnahen Rehabilitationsmöglichkeiten (Freistellung für Mobilitätstraining, Einrichtung von Ruheräumen usw.)
  • Anpassung von Arbeitsplatz, -organisation und/oder -umfeld
  • Schulung von Vorgesetzten und Führungskräften
  • Einrichtung eines Präventions- oder Integrationsteams (Dienststellenvertreter, Personalratsvertreter, Schwerbehindertenvertretung)

Mögliche Schrittfolge eines einzelfallbezogenen BEM

  1. Erfassung der Fehlzeiten durch den Arbeitgeber
  2. Information des Integrationsteams durch den Arbeitgeber
  3. Vorbereitung der Kontaktaufnahme mit den Betroffenen
  4. Kontaktaufnahme mit den Betroffenen
  5. Auswertung des Erstgespräches, Entscheidung über weiteres Vorgehen
  6. Zustimmung des Betroffenen zum Präventionsgespräch einholen
  7. Präventionsgespräch
  8. Aufstellung eines Präventionsplanes
  9. Begleitung der Prävention/Controlling
  10. Evaluation (Bewertung/Kontrolle)

1. Erfassung der Fehlzeiten durch den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber muss die Erfassung an die gesetzlichen Erfordernisse anpassen. Die Datenschutzbestimmungen sind dabei besonders zu beachten.

2. Information des Integrationsteams durch den Arbeitgeber

Hier ist gleichzeitig eine Information an Betriebsrat, Personalrat und ggf. Schwerbehindertenvertretung zu gewährleisten.

3. Vorbereitung der Kontaktaufnahme mit den Betroffenen

Hier berät das Integrationsteam, wer den Erstkontakt mit den Betroffenen aufnimmt. Obwohl die Bediensteten schon zuvor über das BEM im Allgemeinen informiert worden sein sollten, werden die Betroffenen zu diesem Zeitpunkt über das BEM im vorliegenden Einzelfall informiert.
Besser: Im Anschreiben an den „Betroffenen“ wird dieser gebeten mit einer Person des Integrationsteams Kontakt aufzunehmen.

4. Kontaktaufnahme mit den Betroffenen

Zur Vergleichbarkeit der Kontakte sollte die Struktur der Kontaktaufnahme und des Erstgespräches durch einen Leitfaden vorgegeben sein, den alle Betroffenen schon vorher kennen. Denkbar ist auch der Einsatz eines Fragebogens. Ziel dieses Erstgespräches soll sein:

  • Gründe für die Erkrankungen zu erkennen
  • betriebliche Gründe zu isolieren
  • den weiteren Verlauf, das weitere Vorgehen zu klären
  • Lösungsansätze mit den Betroffenen zu entwickeln

5. Auswertung des Erstgespräches, Entscheidung über weiteres Vorgehen

Der/die Gesprächsführer/in unterbreitet dem Integrationsteam Vorschläge für den weiteren Ablauf. U. U. kann der AG hierdurch bereits ein Teil seiner gesetzlich geforderten Klärungspflicht erfüllen. Das Integrationsteam müsste entscheiden:

  • a) kein BEM nötig, z. B. weil der Dienst wieder aufgenommen wird;
  • b) spätere Kontaktaufnahme und Fortführung des BEM;
  • c) sofortige Einleitung des BEM.

6. Zustimmung des Betroffenen zum Präventionsgespräch einholen

Nach dem das Erstgespräch ausgewertet und eine Fortführung des BEM beschlossen wurde, wird nun die Zustimmung der Betroffenen zum weiteren Präventionsverfahren eingeholt. In einem entsprechenden Schreiben, dessen Tenor fürsorglich sein muss, sollte darüber informiert werden, welche Punkte im Präventionsgespräch geklärt werden sollen, damit sich die Betroffenen darauf vorbereiten können.
Enthalten sollte das Schreiben u. a.:

  • Hinweis auf den Umgang mit den Krankheitsdaten (Datenschutz)
  • Hinweis, dass das Gespräch als Hilfsangebot zu verstehen ist
  • Hinweis auf die Beteiligung von SBV und BR oder PR
  • Abgrenzung des Präventionsgespräches zu arbeitsrechtlichen oder dienstrechtlichen Schritten
  • Folgen einer Nichtzustimmung

7. Präventionsgespräch

Abhängig von der Zustimmung der Betroffenen wird ein Präventionsgespräch mit Betroffenen und Beteiligten bzw. IA oder Servicestelle geführt. Der TeilnehmerInnenkreis ist festzulegen und der Datenschutz zu beachten. Das Präventionsgespräch soll sich an den angekündigten Gesprächsinhalten und den bislang vorliegenden Informationen orientieren. Dabei soll u. a. besprochen werden:

  • die Rolle der Betroffenen und Beteiligten
  • innerbetrieblichen Ursachen der Erkrankung
  • Belastungssituation am Arbeitsplatz
  • der weitere Rehaverlauf
  • Art und Umfang einer Wiedereingliederung
  • innerbetriebliche Hilfsangebote und Maßnahmen zur Stützung der Eingliederung
  • Hilfsmöglichkeiten/Unterstützungsangebote des IA oder der IFD
  • Inhalt des Präventionsplanes

8. Aufstellung eines Präventionsplanes (Prozessbeschreibung)

Die Ergebnisse des Präventionsgespräches mit allen notwendigen Einzelvereinbarungen, Einzelschritten, Maßnahmen, Verantwortlichkeiten, Begleitung, Zeiten usw. sollten in einem Präventionsplan festgehalten werden. Der Präventionsplan sollte von allen Mitwirkenden verantwortlich eingehalten werden.

9. Begleitung der Prävention/Controlling

Die Prävention sollte von einer Person begleitet werden, die bei Abweichungen vom Plan oder Problemen entscheidet, welche Beteiligten hinzugezogen werden. U. U. sind die Punkte 7. und 8. im Sinne einer geänderten Prozesssteuerung zu wiederholen.

10. Evaluation

Präventionspläne und –ergebnisse sind zu evaluieren. Hinzu kommt die Auswertung der Fehlzeiten bzw. Krankheitsstatistik nach den unterschiedlichsten Kriterien. Die Ergebnisse der Evaluation sollen in das gesamte Qualitäts- und Personalmanagement einfließen sowie in den Arbeitsschussausschüssen beraten werden.

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Hat der BR/PR Mitbestimmung?

Aufgrund der verschiedenen Gesetze sind die Handlungsgrundlagen für BR bzw. PR unterschiedlich.

Mitbestimmungspflichtig sind alle Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz. (Urteil)

Der Begriff des Gesundheitsschutzes ist umfassend. Er erfasst – neben der Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten – alle sonstigen vorbeugenden Maßnahmen, die zur Verhinderung gesundheitlicher Schäden der AN in Betracht kommen.

Als Maßnahme des Gesundheitsschutzes unterliegt das betriebliche Eingliederungsmanagement der zwingenden betrieblichen Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bzw. der Mitbestimmung nach dem BPersVG § 75 oder den einschlägigen Ländergesetzen.

Führt der Arbeitgeber ein betriebliches Ein­gliederungsmanagement oder Teile davon ohne Zustimmung des Betriebsrates ein, hat der Betriebsrat einen Anspruch auf Unterlassung, den er gegebenenfalls im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG durchsetzen kann.

Fazit: Der BR/PR soll in Verbindung mit der SBV unter dem Motto „Agieren statt Reagieren“ einen Entwurf zu einer Betriebsvereinbarung erarbeiten und dem Arbeitgeber vorlegen.


Infos / Broschüren / Aufsätze

Neue Wege im BEM vom DGB-BW

Arbeitshilfe von der BAR

Handlungsleitfaden vom DGB (759 KB)

Hamburger Modell Was ist das?

Gefährdungsbeurteilung

Arbeitsschutzgesetz

Richtlinien über  Arbeitsunfähigkeit und stufenweise Wiedereingliederung

Integrationsamt Bayern
..und viele weitere Fundstellen

Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation

Rechtliches / Urteile

zum BEM gemäß § 167 Abs. 1+2  SGB IX