Menschen mit einer für das ganze Kalenderjahr anerkannten Schwerbehinderung erhalten (z.B. bei einer 5-Tage-Woche) einen Zusatzurlaub von 5 Tagen (§ 208 Abs. 1 SGB IX). Die Urlaubstage kommen zum Grundurlaub dazu, der den schwerbehinderten Beschäftigten laut Arbeits- oder Tarifvertrag bzw. nach gesetzlichen Bestimmungen ohnehin zusteht und unterliegt somit auch den selbigen Bestimmungen.
Anspruch nicht für das ganze Jahr
Besonderheiten gelten gemäß § 208 Abs. 2 SGB IX dann, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres besteht (z.B. Anerkennung als schwerbehinderter Mensch ab dem 15.07.).
In diesen Fällen hat der schwerbehinderte Mensch (nur) für jeden vollen Monat der im Beschäftigungsverhältnis vorliegenden Schwerbehinderteneigenschaft einen Anspruch auf ein Zwölftel des regelhaften Zusatzurlaubs (im obigen Beispiel also für 5 Monate).
Entstehen bei dieser Berechnung Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, so werden sie auf volle Urlaubstage aufgerundet.
Der so ermittelte Zusatzurlaub ist ebenfalls dem allgemeinen Erholungsurlaub hinzuzurechnen.
Weniger als ein halber Tag?
Beim Zusatzurlaub gelten die allgemeinen Urlaubsgrundsätze aus dem BurlG. Dieses sieht keine Abrundung vor, sofern der anteilige Urlaubsanspruch weniger als einen halben Tag beträgt. Es kennt auch keinen Ausschlusstatbestand für Bruchteile, die weniger als einen halben Tag ausmachen. Sie sind vielmehr durch entsprechende stundenweise Arbeitsfreistellung zu gewähren (vgl. BAG Urteil vom 26. Januar 1989 – 8 AZR 730/87 oder BAG Urteil vom 22. Oktober 1991 – 9 AZR 373/90).
Der Anspruch nach § 208 SGB IX ist ein Mindestzusatzurlaub. Sehen gesetzliche, tarifliche oder betriebliche Regelungen (Betriebsvereinbarung) einen längeren Zusatzurlaub vor, so gelten diese Sonderregelungen zugunsten der schwerbehinderten Beschäftigten (§ 208 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).
Bei einer Gleichstellung besteht demgegenüber kein Anspruch auf Zusatzurlaub (§ 151 Abs. 3 SGB IX).
Ausnahmen hierzu gibt es allerdings in einzelnen Bundesländern für Arbeitnehmerinnen und Beamte.
Bemessung des Zusatzurlaubs
Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des vollzeitbeschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmers auf mehr oder weniger als 5 Arbeitstage in der Woche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Arbeitet er z.B. an 4 Tagen in der Woche, stehen ihm auch nur 4 Tage Zusatzurlaub zu. Verteilt sich die Wochenarbeitszeit auf z.B. 6 Tage, beträgt der Zusatzurlaub ebenfalls 6 Tage. Auch bei Teilzeitarbeit von schwerbehinderten Arbeitnehmern ist die Verteilung ihrer Arbeitszeit auf die Wochentage maßgeblich (z.B. 3 Arbeitstage pro Arbeitswoche = 3 Tage Zusatzurlaub). Die Urlaubsdauer ist aber stets auf eine Arbeitswoche begrenzt.
Geltung der allgemeinen Urlaubsgrundsätze
Ansonsten gelten die allgemeinen Urlaubsgrundsätze, d.h. der Zusatzurlaub folgt dem Grundurlaub hinsichtlich seines Entstehens (z.B. Wartezeit/Teilurlaub bei nicht voll erfülltem Urlaubsjahr; Urlaubsjahr = Kalenderjahr), der Gewährung (z.B. bei Lehrern in der unterrichtsfreien Zeit), seines Erlöschens und des Abgeltungsanspruchs nach Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis. (Dazu hier ein Urteil, falls man den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte).
Die wichtigsten allgemeinen Urlaubsgrundsätze
Der Arbeitnehmer erhält den Anspruch auf den vollen gesetzlich vorgeschriebenen Erholungsurlaub erstmalig nach 6-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses (§ 4 Bundesurlaubsgesetz/BUrlG = 6-monatige Wartezeit).
Beginnt das Arbeitsverhältnis in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres, kann der Arbeitnehmer die erforderliche Wartezeit nicht mehr erfüllen.
In diesem Fall steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Teilurlaub zu (§ 5 Abs. 1a – c BUrlG). Dies bedeutet 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses.
In den Folgejahren entsteht der gesetzliche Erholungsurlaub dann jeweils am Jahresanfang.
Urlaubsgeld gibt es nur wenn dies tariflich vereinbart ist. (Urteil)
Für schwerbehinderte Arbeitnehmer, deren Schwerbehinderung während des gesamten Kalenderjahres anerkannt ist, gelten diese allgemeinen Grundsätze zum Teilurlaub ebenso für den Zusatzurlaub.
Zwei Beispiele:
1.) Der schwerbehinderte Mensch tritt am 01.10. in den Betrieb ein.
2.) Er scheidet am 31. 03. aus dem Betrieb aus.
In beiden Fällen erwirbt er – vorbehaltlich einer günstigeren tariflichen Regelung (vgl. § 13 Abs.1 BUrlG) – nur einen anteiligen Grundurlaub. Auch der diesem Grundurlaub hinzuzurechnende Zusatzurlaub steht dann nur anteilig zu.
Eine Besonderheit gilt insoweit wiederum für diejenigen schwerbehinderten Menschen, deren Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres besteht. Ihr ohnehin bereits gezwölftelter Zusatzurlaub darf nicht noch einmal nach den allgemeinen Regeln des § 5 BUrlG gemindert werden, auch wenn das Beschäftigungsverhältnis, z.B. wegen Ausscheidens in der ersten Jahreshälfte, nicht das ganze Kalenderjahr über besteht (§ 208 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).
Entstehung und Geltendmachung des Anspruchs auf Zusatzurlaub:
Das Anrecht auf den Zusatzurlaub entsteht ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung. Das Vorliegen der Schwerbehinderung muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber jedoch durch den Schwerbehindertenausweis nachweisen.
Wenn das Versorgungsamt oder die nach Landesrecht zuständige Behörde über einen Anerkennungsantrag nicht im Jahr der Antragstellung entscheidet, kann der Anspruch auf Zusatzurlaub für dieses Jahr nur dadurch gesichert werden, dass der Arbeitnehmer den Zusatzurlaub von seinem Arbeitgeber ausdrücklich fordert (geltend macht). Allein der Hinweis, er habe einen Anerkennungsantrag gestellt, reicht dazu nicht aus.
Übertragbarkeit des Zusatzurlaubs (§ 208 Abs. 3 SGB IX):
Wird die Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend festgestellt, entsteht auch ein rückwirkender Anspruch auf Zusatzurlaub. Hat sich das Verfahren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft allerdings mehrere Jahre hingezogen, kann nur noch der für das abgelaufene letzte Kalenderjahr rückwirkend entstandene Zusatzurlaub beansprucht werden.
Außerdem muss dieser Urlaub im laufenden Kalenderjahr bis zum Ende des Übertragungszeitraums (31.03.) genommen werden (vgl. auch § 7 Abs. 3 BUrlG).
Die Länge des Übertragungszeitraums ergibt sich regelmäßig aus den Tarifverträgen. Auch für die Übertragung des Zusatzurlaubs aus dem Vorjahr im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ist Folgendes zu bedenken: Die Ungewissheit über die Anerkennung der Schwerbehinderung ist kein Grund zur automatischen Übertragung eines möglichen Zusatzurlaubsanspruchs in das nächste Kalenderjahr bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums. Die Übertragung eines möglicherweise zustehenden Zusatzurlaubs muss vielmehr auch in diesen Fällen beim Arbeitgeber geltend gemacht werden.
Urlaub im Krankheitsfalle
Urlaubsansprüche bei Arbeitsunfähigkeit/ruhendem Arbeitsverhältnis: Urlaubsansprüche entstehen nach der Rechtsprechung des EuGH und des BAG auch dann, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist; dies gilt selbst dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit das gesamte Urlaubsjahr andauert (vgl. EuGH vom 02.01.2009 – C – 350/06; grundlegend BAG vom 28.01.1982 – 6 AZR 571/79, seither ständige Rechtsprechung).
Urlaubsansprüche entstehen auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers wegen des Bezugs einer befristeten Erwerbsminderungsrente ruht (vgl. BAG vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10).
Der gesetzliche Urlaubsanspruch nach § 3 Abs.1 BUrlG (24 Werktage) erlischt aufgrund EU-rechtskonformer Auslegung des § 7 Abs.3 BUrlG nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder eines Übertragungszeitraums von 3 Monaten nach diesem Zeitpunkt krank und deshalb arbeitsunfähig ist. Der Anspruch geht jedoch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres unter (so die neue ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAG vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10 – und vom 16.10.2012 – 9 AZR 63/11 – unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 22.11.2011 – C – 214/10).
Dasselbe gilt auch für den Erholungsurlaub, der während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses entstanden ist (BAG vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10).
Für Beamte gilt diese Regelung nicht (OVG Rheinland-Pfalz, 30.03.2010, Az: 2 A 11321/09 )
oder hier: Urteil vom 31.01.2013 – BVerwG 2 C 10.12 –
Zusatzurlaubsanspruch bei Verlust der Schwerbehinderteneigenschaft:
Der Anspruch auf Zusatzurlaub besteht, solange die Schwerbehinderteneigenschaft fortdauert. Bei einer Herabstufung auf einen GdB von weniger als 50 besteht Anspruch auf Zusatzurlaub auf jeden Fall bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides, mit dem die Verringerung festgestellt wurde (§ 199 Abs. 1 SGB IX).
Wurde ein Zusatzurlaub geltend gemacht und nur deshalb nicht gewährt, weil die Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht endgültig anerkannt war, bleibt der Anspruch (aus § 208 SGB IX) auch dann erhalten, wenn der Grundurlaub mit Ablauf des Übertragungszeitraumes erloschen wäre (sog. Ersatzurlaubsanspruch). Kann der gesetzliche Zusatzurlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden, ist er finanziell abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG).
aus: Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH)
Urlaubsübertragung setzt keine Genehmigung des Arbeitgebers voraus
Die Übertragung von Resturlaub in das Folgejahr setzt weder einen Antrag des Arbeitnehmers auf Urlaubsübertragung noch eine entsprechende Annahmeerklärung des Arbeitgebers voraus. Die Urlaubsübertragung vollzieht sich vielmehr kraft Gesetzes, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs.3 S.2 BUrlG vorliegen. Danach ist eine Urlaubsübertragung statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen.
Seit dem 1. 5. 2004 gelten aufgrund das Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen Neuregelungen beim Zusatzurlaub nach § 208 SGB IX. Es geht um die Gewährung anteiligen Zusatzurlaubs. wenn eine Schwerbehinderung nicht im ganzen Kalenderjahr vorgelegen hat. Bei uns im Betrieb gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, worauf bei der Frage, ab wann ein Mitarbeiter schwer behindert ist, abzustellen ist. Auf das Datum des Eingangs des Antrags des Mitarbeiters auf Feststellung der Schwerbehinderung beim Versorgungsamt oder auf das Datum des Bescheides des Versorgungsamtes über die Schwerbehinderung?Durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen ist mit Wirkung vom 1.5.2004 der § 208 Abs. 2 neu in das SGB IX aufgenommen worden. Die Vorschrift bestimmt, dass dann, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres besteht, der schwerbehinderte Mensch für jeden vollen Monat, in dem im Beschäftigungsverhältnis die Schwerbehinderteneigenschaft vorgelegen hat, einen Anspruch auf 1/12 des Zusatzurlaubs von 5 Arbeitstagen hat.
Für die Frage, ab welchem Monat im Beschäftigungsjahr der Anspruch auf den Zusatzurlaub nach § 208 Abs. 2 beginnt, stellt das SGB IX auf die Schwerbehinderteneigenschaft ab. Wer schwer behindert ist, beschreibt § 2 Abs. 2 SGB IX verbindlich für den ganzen Teil 2 des Gesetzes, zudem § 208 gehört. Die gesetzliche Definition der Schwerbehinderteneigenschaft stellt allein auf die Behinderung als solche und deren Grad (GdB) von mindestens 50 ab (ergänzt lediglich um einen wohn- oder arbeitsmäßigen Anknüpfungspunkt an Deutschland). Demgegenüber haben der Bescheid des Versorgungsamtes und der Schwerbehindertenausweis nach § 152 SGB IX lediglich deklaratorische Wirkring (so die allgemeine Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. schon LAG Baden-Württemberg, Urteil vorn 31.]. 1977, Behindertenrecht 1.978, 5.42/43 f. und BAG, Urteil vom 20. 10. 1977, Behindertenrecht 1978, S.63/65 sowie Groß – in Ernst/Adlhoeh/Seel, Kommentar zum SGB IX, § 68 Rn. 6). § 69 Abs. 1 Satz 1 5GB IX spricht insoweit eindeutig von‘ «Feststellen« – Das bedeutet, dass das Versorgungsamt mit seinem Bescheid lediglich bestätigt, ob und welche Behinderungen vorliegen und welchen Grad sie erreichen.
Deshalb ist zunächst weder das Datum des Antrags eines Beschäftigten auf Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft beim Versorgungsamt maßgeblich noch das Datum des Feststellungsbescheids des Versorgungsamtes, mit dem das Vorliegen einer Schwerbehinderteneigenschaft bestätigt wird. Maßgeblich ist vielmehr, auf welchen Zeitpunkt das Versorgungsamt das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft datiert. Dies kann das Antragsdatum sein, muss es aber nicht. Es kommt insoweit darauf an, ab welchem Zeitpunkt nach den medizinischen Befundunterlagen eine Behinderung mit einem GdB von 50 oder mehr tatsächlich vorgelegen hat.
Beispiel:
Datum des Antrags an das Versorgungsamt 1.2.2018, Feststellungsbescheid vom 21.5.2018 des Inhalts, dass die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von 60 ab dem 17. 10.2017 festgestellt wird.
Dieser im Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes genannte Zeitpunkt ist demnach auch für die Berechnung anteiligen Zusatzurlaubs im Rahmen des § 208 Abs. 2 SGB IX entscheidend.