Integrationsamt stimmt Kündigung zu – Klage – LAG gab Kläger recht!

Nur in besonders krassen Einzelfällen kann eine außerordentliche Kündigung auch bei Krankheit ausgesprochen werden.

Altersgesicherte Arbeitnehmer können nur in ganz besonderen Ausnahmefällen außerordentlich gekündigt werden – insbesondere dann, wenn es sich um Kündigungen aufgrund von Krankheit handelt. Im vorliegenden Fall war einem langjährigen schwerbehinderten Polierer gekündigt worden, weil er über mehrere Jahre hinweg erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten zu verzeichnen hatte. So war der Arbeitnehmer aufgrund eines Bandscheibenschadens im Jahr 2003 an 54 Tagen arbeitsunfähig, 2004 waren es 146 und im Jahr darauf noch einmal 123 Arbeitstage. Da der Arbeitnehmer aufgrund tarifvertraglicher Vorschriften ordentlich nicht mehr kündbar war, strengte die Arbeitgeberin eine außerordentliche Kündigung an, wofür es jedoch – da der Kläger schwerbehindert ist – der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedurfte. „Bedauerlicherweise hat das Amt der Kündigung zugestimmt“, berichtet Wilma Schmidt, die zuständige Juristin der DGB Rechtsschutz GmbH in Stuttgart. „Deshalb blieb dem Arbeitnehmer nichts anderes übrig, als vor Gericht zu klagen.“


Intensive Prüfung notwendig

Im Schwerbehindertenrecht gilt, dass bei einer beabsichtigten Kündigung, deren Gründe im unmittelbaren Zusammenhang mit der Schwerbehinderung stehen, besonders gründlich zu prüfen ist, ob die Zustimmung erteilt wird. „Die Zustimmung darf bei einer krankheitsbedingten Kündigung nur in absoluten Ausnahmesituationen erteilt werden“, erklärt Wilma Schmidt, „und da hat es sich das Integrationsamt bei der Überprüfung doch etwas zu einfach gemacht.“ Auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gab dem Kläger Recht und erklärte die Kündigung für unwirksam. „Man muss auch bedenken, dass eine außerordentliche Kündigung nur aus wichtigem Grund im Sinne des § 626 BGB ausgesprochen werden darf“, gibt die Juristin zu bedenken. „Sie ist das schwerste Geschütz, das dem Arbeitgeber zur Verfügung steht, und wird sonst nur bei Fällen wie Diebstählen, hartnäckiger Arbeitsverweigerung oder Tätlichkeiten angewandt.“ Nur in besonders krassen Einzelfällen kann eine außerordentliche Kündigung auch bei Krankheit ausgesprochen werden. „Dazu müsste jemand aber schon drei Viertel bis vier Fünftel der Arbeitszeit krank sein“, so Wilma Schmidt. „Der Arbeitgeber hätte wissen müssen, dass die Messlatte hier sehr hoch liegt.“

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am 19. September 2007, Az. 2 Sa 35/07

Quelle: Newsletter vom DGB-Rechtsschutz 2/2008