Kündigung unwirksam – Verstoß gegen das AGG

§ 2 Abs. 4 AGG

Folgt man dem Wortlaut des § 2 Abs. 4 AGG, werden Kündigungen von Arbeitsverhältnissen aus dem Anwendungsbereich des AGG ausgenommen. Eine Kündigung – gleich ob ordentlich oder außerordentlich – wäre danach nicht an den Vorschriften des AGG zu messen. Die dem AGG zugrunde liegenden europarechtlichen Vorgaben sehen eine Bereichsausnahme für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen jedoch nicht vor.

Um was geht es?

Die Entscheidung betrifft die betriebsbedingte Kündigung eines deutschen Automobilherstellers. Im Rahmen eines Sozialplans und Interessenausgleichs hatte man sich auf die Entlassung von 619 Mitarbeitern geeinigt. Die Sozialauswahl wurde „zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur“ nach Altersgruppen durchgeführt; eine Praxis, die bisher vom BAG grundsätzlich anerkannt worden ist (BAG, Urteil vom 6. Juli 2006 – 2 AZR 442/05). Der Kläger machte geltend, seine Kündigung sei sozialwidrig ausgesprochen worden und damit rechtsunwirksam.

Das Gericht meint:

Das Gericht gab der Klage vollumfänglich statt. Als Begründung führte es unter anderem aus, dass die vorgenommene Sozialauswahl rechtswidrig erfolgt sei. Die Bildung von Altersgruppen stelle eine Diskriminierung älterer Arbeitnehmer dar. Aufgrund der Bildung von Altersgruppen seien mehr ältere Arbeitnehmer gekündigt worden als dies ohne eine Gruppenbildung der Fall gewesen wäre. Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 AGG sei damit erfüllt. Gründe, die eine Rechtfertigung nach § 10 Satz 1 AGG begründen könnten, seien nicht vorgetragen worden. Die Erhaltung einer ausgewogenen Personalstruktur könne vor dem Hintergrund des AGG ein berechtigtes Interesse allein nicht (mehr) darstellen. Ausdrücklich hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Vorschriften des AGG auf die Kündigung Anwendung finden. Wegen Verstoßes gegen europarechtliche Vorgaben sei die in § 2 Abs. 4 AGG geregelte Bereichsausnahme von deutschen Gerichten nicht anzuwenden.

ArbG Osnabrück, Urteil vom 5. Februar 2007 – 3 Ca 778/06 –
z.Z. in Berufung beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 16 Sa 280/07