Gericht: BAG, Az: 7 ABR 4/98, Beschluß vom 07.07.99
Vorinstanz: I. Arbeitsgericht Mainz – Beschluß vom 24. April 1997 – 3 BV 3270/96 -; II. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Beschluß vom 05. November 1997 – 2 TaBV 33/97
Leitsätze: (Wahlanfechtungskosten – Kostentragungspflicht der Dienststelle)
»Zu den Kosten einer Wahl, die von der Dienststelle nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BPersVG zu tragen sind, können auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten eines Wahlanfechtungs-Verfahrens gehören.«
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Dienststelle, den beteiligten Arbeitnehmern Anwaltskosten zu erstatten, die bei der Anfechtung einer Wahl zur Bezirksbetriebsvertretung entstanden sind.
Bei den US-Streitkräften fand im Bereich der US-Dienststelle „5th Signal Command“ in der Zeit vom 15. bis 17. Mai 1995 die Wahl zur Bezirksbetriebsvertretung statt, die aus 13 Mitgliedern besteht. Dafür hatte der Beteiligte zu 1) einen Wahlvorschlag mit insgesamt 34 Wahlbewerbern eingereicht, zu denen auch die Beteiligten zu 2) bis 5) gehörten. Der damalige Wahlvorstand wies diesen Wahlvorschlag zurück. Daraufhin fochten die Beteiligten zu 1) bis 5) und weitere vier Arbeitnehmer die Wahl an. Das Arbeitsgericht Mainz erklärte durch Beschluß vom 12. Oktober 1995 die Wahl zur Bezirksbetriebsvertretung für unwirksam. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Bezirksbetriebsvertretung wies das LAG Rheinland-Pfalz durch Beschluß vom 11. Juni 1996 (- 4 TaBV 3/96 -) zurück.
Die neun anfechtenden Arbeitnehmer hatten den Rechtsanwalt B, F, mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im Wahlanfechtungsverfahren beauftragt. Dafür stellte er ihnen 9.359,97 DM in Rechnung und verlangte eine anteilige Zahlung von je 1.040,– DM. Die Beteiligten zu 1) bis 5) haben bisher keine Zahlungen geleistet; ihre Dienststelle hat die Erstattung der anteiligen Kosten verweigert.
Die Beteiligten zu 1) bis 5) haben die Auffassung vertreten, die außergerichtlichen Kosten der Wahlanfechtung seien Kosten der Wahl, die von der Dienststelle zu tragen seien. Die Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten für das Wahlanfechtungsverfahren sei erforderlich gewesen.
Die Beteiligten zu 1) bis 5) haben zuletzt beantragt,
die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, den Antragstellern jeweils 1.040,– DM zu erstatten und den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Bundesrepublik Deutschland hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat gemeint, die Wahl sei mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses beendet. Die Kosten einer danach liegenden Wahlanfechtung seien nicht erstattungsfähig. Sie stünden nicht mehr in einem Zusammenhang mit der Durchführung der Wahl.
Die antragstellenden Arbeitnehmer haben den drei Mitgliedern des früheren Wahlvorstands im erstinstanzlichen Verfahren den Streit verkündet. Mit ihrem Antrag sind sie in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgen sie ihr bisheriges Antragsziel. Die Bundesrepublik Deutschland beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitnehmer war der angefochtene Beschluß aufzuheben, soweit das Landesarbeitsgericht den Antrag auf Erstattung der anteiligen außergerichtlichen Kosten des Wahlanfechtungsverfahrens zurückgewiesen hat.
1. Für den auf § 24 Abs. 2 Satz 1 BPersVG gestützten Anspruch auf Erstattung von Wahlanfechtungskosten ist das Beschlußverfahren die zutreffende Verfahrensart.
a) Nach Art. 56 Abs. 9 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantik-Vertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen (BGBl. II 1961, 1183, 1278), geändert durch das Abkommen vom 21. Oktober 1971 (BGBl. II 1973, 1021) in Kraft getreten am 18. Januar 1974 (BGBl. II 1974, 143) – ZA-NATO-Truppenstatut -, finden die für die zivilen Bediensteten bei der Bundeswehr maßgebenden Vorschriften deutschen Rechts über die Personalvertretung für die Betriebsvertretung der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe und einem zivilen Gefolge Anwendung, soweit in dem auf diesen Artikel bezug nehmenden Abschnitt des Unterzeichnungsprotokolls – UP – (BGBl. II 1961, 1313) nichts anderes bestimmt ist. Damit gilt für die bei den amerikanischen Streitkräften beschäftigten Arbeitnehmer das Bundespersonalvertretungsgesetz (vgl. BAG Beschluß vom 14. Dezember 1994 – 7 ABR 14/94 – AP Nr. 1 zu § 82 BPersVG).
b) Nach der Nr. 9 des UP zu Art. 56 ZA-NATO-Truppenstatut i.V.m. § 83 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG entscheiden die Arbeitsgerichte im Beschlußverfahren über die betriebsvertretungsrechtlichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Wahl von Betriebsvertretungen. Das betrifft auch Auseinandersetzungen über die Kostentragungspflicht der Dienststelle im Zusammenhang mit der Wahl der Bezirksbetriebsvertretung (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 2 a Rz 21 f.; Altvater, BPersVG, NATO – Streitkräfte UP Rz 28).
2. Der Antrag ist hinreichend bestimmt und läßt das Antragsziel erkennen. Nachdem die Antragsteller auf Anfrage des Senats erklärt haben, daß sie auf den verlangten Rechnungsbetrag noch keine Zahlungen geleistet haben, können sie nur Zahlung an ihren damaligen Verfahrensbevollmächtigten verlangen. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung ist der Kostenerstattungsanspruch in diesen Fällen darauf gerichtet, die Betroffenen von einer bestimmten Verbindlichkeit freizustellen oder an einen Dritten mit befreiender Wirkung zu leisten (vgl. BAG Beschluß vom 13. Mai 1998 – 7 ABR 65/96 – AP Nr. 55 zu § 80 BetrVG 1972, zu B I der Gründe).
3. Den beteiligten Arbeitnehmern steht ein Anspruch auf Zahlung der anteiligen außergerichtlichen Kosten des Wahlanfechtungsverfahrens in Höhe von je 1.040,00 DM zu Händen ihres früheren Verfahrensbevollmächtigten zu.
a) Der Zahlungsanspruch folgt aus § 24 Abs. 2 Satz 1 BPersVG. Danach hat die Dienststelle die Kosten der Wahl zu tragen. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts umfaßt die Kostentragungspflicht nach dieser Vorschrift auch die Verpflichtung der Dienststelle zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten eines Wahlanfechtungsverfahrens, das die anfechtungsberechtigten Arbeitnehmer der Dienststelle geführt haben. Das folgt aus dem Sinn und Zweck der Regelung und den Zielen des Wahlanfechtungsverfahrens.
Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Kostentragungspflicht der Dienststelle im Zusammenhang mit der Durchführung von betriebsvertretungsrechtlichen Wahlen soll grundsätzlich die Dienststelle die mit der Bildung einer Betriebsvertretung verbundenen Kosten und finanziellen Risiken zu tragen haben (vgl. BAG Beschluß vom 8. April 1992 – 7 ABR 56/91 – BAGE 70, 126 = AP Nr. 15 zu § 20 BetrVG 1972, zu A II 3 b der Gründe). Zu den Kosten der Wahl zählen deshalb nicht nur diejenigen finanziellen Aufwendungen, die bei der Vorbereitung und der Durchführung anfallen, sondern auch solche, die im Zusammenhang mit der gesetzlich vorgesehenen Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Wahlergebnisses entstehen (vgl. LAG Düsseldorf Beschluß vom 25. Oktober 1994 – 6 TaBV 78/94 – NZA 1995, 446; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 20 Rz 27; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 20 Rz 28; GK-BetrVG/Kreutz, BetrVG, 6. Aufl., § 20 Rz 54; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 5. Aufl., § 20 Rz 35; Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 20 Rz 29; Stege/Weinspach, BetrVG, 8. Aufl., § 20 Rz 10). Denn in einem Wahlanfechtungsverfahren soll im allgemeinen Interesse die Beachtung von Wahlvorschriften durchgesetzt und sichergestellt werden, daß nur ein ordnungsgemäß gewähltes Gremium der Arbeitnehmer deren Interessen gegenüber dem Arbeitgeber vertritt. Insgesamt dient das den wahlanfechtungsberechtigten Arbeitnehmern eingeräumte Wahlanfechtungsrecht der Korrektur eines unter Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften zustande gekommenen Wahlergebnisses. Dazu erhalten die anfechtungsberechtigten Arbeitnehmer ein befristetes Recht, die Wahl einer Betriebsvertretung durch gerichtliche Entscheidung für unwirksam erklären zu lassen, um auf diese Weise den Weg für eine neue, den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Betriebsvertretung freizumachen. Die den Arbeitnehmern einer Dienststelle/Betrieb eingeräumte Überprüfungsbefugnis dient nicht zuletzt auch dem Interesse des Arbeitgebers daran, kollektivrechtliche Regelungen mit einer aus ordnungsgemäßen Wahlen hervorgegangenen Arbeitnehmervertretung zu treffen.
Der entgegenstehenden Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der des überwiegenden Teils des personalvertretungsrechtlichen Schrifttums (Schmitt in: Lorenzen, BPersVG, Stand Mai 1999, § 24 Rz 24; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 8. Aufl., § 24 Rz 14, jeweils m.w.N.; a.A. Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 24 Rz 38) liegt eine einschränkende Auslegung des § 24 Abs. 2 Satz 1 BPersVG zugrunde, die nicht in Einklang mit dem Zweck der betriebsvertretungsrechtlichen Kostenkonzeption steht und die mit dem Wahlanfechtungsverfahren verfolgte gesetzliche Zielsetzung nicht hinreichend beachtet. Darüber hinaus ist auch nicht zwingend, daß die Wahl bereits mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses beendet sein soll. Denn erst mit Ablauf der Anfechtungsfrist steht fest, ob das Wahlergebnis, ausgenommen in Fällen der Nichtigkeit, für alle Beteiligten bindend ist.
b) Die Rechtsauffassung des Senats zu § 24 Abs. 2 Satz 1 BPersVG weicht nicht ab von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Kostentragungspflicht der Dienststelle im Zusammenhang mit einem Wahlanfechtungsverfahren. Die Beschlüsse vom 22. März 1963 (BVerwGE 16, 15) und vom 13. Juni 1969 (- VII P 7.67 – Die PersV 1970, 64) betrafen die Kostentragungspflicht der Dienststelle nach § 44 PersVG hinsichtlich der Kosten der Personalvertretung. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht die Erstattung der außergerichtlichen Kosten eines Wahlanfechtungsverfahrens in erster Linie deswegen abgelehnt, weil eine Wahlanfechtung nicht zu den Aufgaben der Personalvertretung gehöre. Hinzu kommt, daß nach der damals geltenden Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 1 PersVG i.d.F. vom 5. August 1955 die Dienststelle ohnehin nur zur Erstattung der sächlichen Kosten einer Wahl verpflichtet war. Soweit das Bundesverwaltungsgericht im Beschluß vom 25. Februar 1983 (- 6 P 41.79 – Die PersV 1984, 82) zu der mit § 24 Abs. 2 Satz 1 BPersVG gleichlautenden Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 1 LPVG NW i.d.F. vom 3. Dezember 1974 (GV NW S. 1514) entschieden hat, daß die Dienststelle nur die mit der unmittelbaren Durchführung der wahlgesetzlichen Vorschriften entstehenden notwendigen Kosten zu tragen hat, betrifft diese Entscheidung eine landespersonalvertretungsrechtliche Vorschrift und auch einen anderen Sachverhalt. Es handelte sich um ein Verfahren, das auf die Feststellung der individuellen Wahlberechtigung einer Arbeitnehmerin gerichtet war.
c) Die Zahlungspflicht nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BPersVG besteht jedoch nur hinsichtlich der notwendigen erforderlichen Kosten einer Wahl. Insoweit gelten die zu § 44 Abs. 1 BPersVG, § 40 Abs. 1 BetrVG entwickelten Grundsätze.
aa) Danach hat die Dienststelle die außergerichtlichen Kosten, die durch die Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten entstanden sind, nicht zu tragen, wenn die Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint oder die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten rechtsmißbräuchlich erfolgt (BAG Beschluß vom 3. Oktober 1978 – 6 ABR 102/76 – BAGE 31, 93 = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972, st. Rspr.). Das trifft vorliegend nicht zu. Das in zwei Instanzen erfolgreiche Wahlanfechtungsverfahren betraf Fragen zum Inhalt und zu den Anforderungen eines Wahlvorschlags nach den §§ 8, 9 WO BPersVG sowie das Zurückweisungsrecht des Wahlvorstands nach § 10 WO BPersVG. Bei dieser komplexen Materie und angesichts der Bedeutung der Anfechtung der Wahl einer Bezirksbetriebsvertretung war es auch nicht rechtsmißbräuchlich, einen Verfahrensbevollmächtigten hinzuzuziehen.
bb) Die geltend gemachten Kosten von je 1.040,–DM belasten die Dienststelle nicht unverhältnismäßig. Dem Kostenbegrenzungsinteresse der Dienststelle haben die Antragsteller durch die Beauftragung eines gemeinsamen Anwalts Rechnung getragen. Die Höhe des der Kostenberechnung zugrunde liegenden Streitwerts beruht auf einer gerichtlichen Kostenfestsetzung nach § 10 Abs. 1 BRAGO. An diesen Streitwert ist die Dienststelle gebunden. Sie hat von ihrem Beschwerderecht nach § 10 Abs. 3 BRAGO keinen Gebrauch gemacht.
C. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich dagegen wendet, daß das Landesarbeitsgericht auch den Antrag auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Kostendurchsetzungsverfahrens zurückgewiesen hat. Die Rechtsbeschwerdebegründung entspricht nicht den Anforderungen des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG.
1. Zur ordnungsgemäßen Begründung einer Rechtsbeschwerde gehören Angaben zur verletzten Rechtsnorm und dem Rechtsfehler des Beschwerdegerichts. Darüber hinaus verlangt § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, damit Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar werden. Greift die Rechtsbeschwerde die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich mehrerer selbständiger Anträge an, ist die Rechtsbeschwerde für jeden Antrag gesondert zu begründen (vgl. Germelmann/ Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 94 Rz 15).
2. Diesen Anforderungen genügt die Rechtsbeschwerdebegründung nicht. Sie enthält keinerlei Ausführungen zur Zurückweisung des Antrags auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten des vorliegenden Kostendurchsetzungsverfahrens. Eine eigenständige Rechtsbeschwerdebegründung war jedoch geboten. Zwar kommen für die beiden geltend gemachten Anträge einheitliche Rechtsgrundlagen in Betracht. Das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen ist jedoch unabhängig voneinander zu beurteilen.