Die Durchführung eines „betrieblichen Eingliederungsmanagements“ i.S. des § 167 Abs. 2 SGB IX ist nicht formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung.
Mit den Maßgaben des § 167 Abs. 2 SGB IX wird im Falle der krankheitsbedingten Kündigung das dem Kündigungsrecht innewohnende ultima-ratio-Prinzip verstärkend konkretisiert.
LAG Berlin, Urteil vom 27.10.2005 – 10 Sa 783/05
Anmerkung: Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung. Der schwerbehinderte Kläger war seit dem 1.4.1990 bei der Beklagten als Registrator beschäftigt. Nachdem er in der Zeit vom 10.3.1995 bis 2.4.2000 ununterbrochen arbeitsunfähig war, wurde er aufgrund eines Gutachtens des personalärztlichen Dienstes, das ihn für dienstunfähig für die Tätigkeit eines Registrators erklärte, von der Beklagten als Pförtner eingesetzt. Auch hier war der Kläger aufgrund seiner Behinderung den Aufgaben nicht gewachsen. Ein Antrag auf Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente wurde abgelehnt. Nachdem das zuständige Integrationsamt dem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung entsprochen hatte, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 10.9.2004 das Arbeitsverhältnis zum 31.3.2005. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht hielten die Kündigung für unwirksam.
Bei der Prüfung einer Kündigung auf der Grundlage einer lang anhaltenden Krankheit ist eine dreistufige Prüfung vorzunehmen. Die Kündigung ist dann sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt (1. Stufe), eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist (2. Stufe) und eine Interessensablegung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billiger Weise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (3. Stufe). Eine an diesen Grundsätzen zu prüfende krankheitsbedingte Kündigung ist nicht bereits deswegen unwirksam, weil der Arbeitgeber ein „betriebliches Eingliederungsmanagement“ im Sinne vom § 84 Abs. 2 (Sozialgesetzbuch) SGB IX nicht durchgeführt hätte. Die Durchführung eines solchen betrieblichen Eingliederungsmanagements ist nicht formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Unter Berücksichtigung und in Anwendung dieser Grundsätze konnte das Berufungsgericht hier aber nicht feststellen, dass die streitgegenständliche Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG wäre.