Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers

  • Wird ein Schwerbehinderter entgegen § 165 Satz 2 SGB IX auf seine Bewerbung auf eine von einem öffentlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle nicht zum Vorstellungsgespräch geladen, obwohl ihm die fachliche Eignung für die zu besetzende Stelle nicht offensichtlich fehlt, begründet dies die Vermutung der Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft i. S. v. § 164 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX.

  • Die Vermutungsregelung führt nach § 164 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers. Dieser kann sich von der Vermutung eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot nur entlasten, wenn er nachweist, dass die Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers auch als noch so untergeordneter Aspekt in einem Motivbündel überhaupt keine Rolle bei seiner Entscheidung gespielt hat.

  • Sofern die Beweislastumkehr nach § 164 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX greift, muss der Arbeitgeber die Voraussetzungen des § 165 Satz 3 SGB IX darlegen und beweisen, mithin nachweisen, dass dem schwerbehinderten Bewerber offensichtlich die erforderliche fachliche Eignung fehlt.

LAG Schleswig-Holstein – ArbG Kiel
8.11.2005
5 Sa 277/05


Lädt ein öffentlicher Arbeitgeber einen schwerbehinderten Bewerber um eine Stelle nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein, kann dies zu einem Schadensersatzanspruch führen.

  • Anmerkung: In dem rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Berlin wird einem schwerbehinderten Beschäftigten eines öffentlichen Arbeitgebers ein Schadensersatzanspruch zugesprochen, weil der Arbeitgeber ihn trotz Kenntnis der Schwerbehinderung nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte.
    Nach § 82 Sozialgesetzbuch (SGB) IX müssen öffentliche – nicht private – Arbeitgeber einen schwerbehinderten Menschen, der sich um eine freie Stelle bewirbt, zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Dies ist nur dann nicht erforderlich, wenn diesem die fachliche Eignung für die Stelle offensichtlich fehlt.
    Das Gericht ist der Auffassung, dass die Missachtung dieser Verpflichtung zu einem Schadensersatz wegen Benachteiligung aufgrund der Behinderung nach § 164 Abs. 2 SGB IX führt. Ohne einen Schadensersatzanspruch bliebe ein Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen seine besondere Verpflichtung völlig folgenlos. Dies wollte das Gericht nicht hinnehmen. Zur Frage der Eignung hat das Gericht geprüft, ob der Bewerber offensichtlich ungeeignet war. Offensichtlich bedeutet dabei unzweifelhaft, also unter keinem Gesichtspunkt für die Stelle geeignet. Dies ist durch den Arbeitgeber nachzuweisen! Da der Bewerber in dem konkreten Fall über das in der Stellenausschreibung geforderte Hochschulstudium und über einschlägige Berufserfahrungen verfügte, war die fehlende Eignung nicht offensichtlich. Er hätte daher zwingend eingeladen werden müssen.

aus: ZB 2-04

ArbG Berlin,
Urteil vom 10.10.2003 – 91 Ca 17871/03