Nach § 177 Abs.1 SGB IX wird eine Vertrauensperson und wenigstens ein Stellvertreter bzw. eine Stellvertreterin in Betrieben und Dienststellen gewählt, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind.
Die Existenz eines Betriebsrates ist nicht erforderlich!
Eine SBV kann deshalb, anders als die Jugend- und Auszubildendenvertretung, auch dann gebildet werden, obwohl kein Betriebs- oder Personalrat besteht.
Die Begriffe »Betrieb« und »Dienststelle« bestimmen sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz und nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz bzw. dem Landespersonalvertretungsgesetz. Der Begriff des Betriebes ist im Betriebsverfassungsgesetz nicht im Einzelnen definiert, er wird von diesem vielmehr als bekannter Rechtsbegriff vorausgesetzt. Das BAG legt in ständiger Rechtsprechung den in der Literatur entwickelten Betriebsbegriff zugrunde, wonach ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes vorliegt, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen (z. B. Anlagen, Maschinen) und immateriellen (z. B. technisches Know-how) Betriebsmittel für einen oder mehrere verfolgte arbeitstechnische Zwecke zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Ersatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Die Art des verfolgten arbeitstechnischen Zweckes (z. B. Produktion, Vertrieb, Dienstleistung) ist unerheblich (Blanke u. a., Betriebsratswahl, Handlungsanleitung für die betriebliche Praxis Teil I, 1.2 Betrieb, Rdnr. 2 ff.). Unter den Voraussetzungen des § 4 BetrVG können Betriebsteile mit relativer Selbständigkeit oder räumlich weiter Entfernung vom Hauptbetrieb betriebsverfassungsrechtlich als selbständige Betriebe behandelt werden.
Betriebsteile, die als selbständige Betriebe gelten, weil sie eine der in § 4 Satz 1 BetrVG angeführten Voraussetzungen erfüllen, in denen aber noch kein Betriebsrat besteht, können einen eigenen Betriebsrat wählen. Den Arbeitnehmern in solchen Betriebsteilen wird es jedoch freigestellt, ob sie einen eigenen Betriebsrat wählen oder an der Wahl im Hauptbetrieb teilnehmen wollen. Für die Teilnahme an der Betriebsratswahl bedarf es eines Beschlusses der Mehrheit der Arbeitnehmer des Betriebsteils. Die Initiative zur Abstimmung kann von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern, von der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft oder vom Betriebsrat des Hauptbetriebs ergriffen werden.
Kleinstbetriebe bzw. Nebenbetriebe, die die Voraussetzungen des § 1 BetrVG (mindestens fünf ständige wahlberechtigte Arbeitnehmer, von denen drei wählbar sind) nicht erfüllen, werden dem Hauptbetrieb zugeordnet (§ 4 Abs. 2 BetrVG).
Die sich so oder im privaten Bereich aufgrund tarifvertraglicher Regelung (vgl. § 3 BetrVG) ergebende Einheit, für die ein Betriebsrat gewählt werden kann, ist in gleicher Weise maßgebend dafür, ob eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen ist. Es ist also nicht möglich, den Betriebsbegriff für den Bereich des SGB IX in einem anderen Sinne zu verstehen (Feldes u. a., Schwerbehindertenrecht, § 94 Rn. 6). Mit den in § 3 BetrVG eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten durch Tarifvertrag (in Ausnahmefällen auch durch Betriebsvereinbarung) sollen die Tarifparteien auf den nachhaltigen Strukturwandel (Aufspaltung, Outsourcing und Verschmelzung) reagieren können. Die Neufassung des § 3 BetrVG kann wesentlich dazu beitragen, sachgerecht auf neue UN-und Betriebsstrukturen zu antworten. Der Wegfall des in der bisherigen Fassung des § 3 BetrVG enthaltenen Prinzips der Zustimmungspflichtigkeit durch staatliche Stellen wird darüber hinaus der Beschleunigung bei der Findung geeigneter Strukturen der Interessenvertretung dienen.
Der Begriff der Dienststelle ist für die Verwaltungen des Bundes in § 6 BPersVG ausdrücklich geregelt (ebenfalls in den LPersVG).
Die Dienststelle ist die organisatorische Einheit, in der jeweils ein Personalrat zu bilden ist. Der Begriff der Dienststelle umfasst die einzelnen Verwaltungsbehörden, Verwaltungsstellen, Betriebe und Gerichte und die militärischen Dienststellen und Einrichtungen der Bundeswehr. § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BPersVG enthält eine allgemeine Umschreibung des Dienststellenbegriffs. Danach sind alle diejenigen organisatorischen Einheiten, die nach Aufgabenbereich und Organisation selbständig sind, Dienststellen im Sinne des BPersVG. Die genannten Voraussetzungen sind dann gegeben, wenn der Leiter der organisatorischen Einheit über diejenigen Angelegenheiten, an deren Regelung die Personalvertretung zu beteiligen ist, im Allgemeinen selbständig entscheiden kann, auch wenn er dabei an Weisungen vorgeordneter Stellen gebunden ist.
Der Zweck, den die Dienststelle verfolgt, ist personalvertretungsrechtlich unerheblich. Es kommt z. B. nicht darauf an, dass hoheitsrechtliche Befugnisse ausgeübt werden. Es kann sogar ein arbeitstechnischer Zweck verfolgt werden, wie er üblicherweise auch von Betrieben der Privatwirtschaft wahrgenommen wird. Entscheidend ist, dass die Einrichtung von einer öffentlichen Verwaltung in einer öffentlich-rechtlichen Form geführt wird. Möglich ist auch die Verfolgung mehrerer Zwecke (Altvater u. a., BPersVG, Kommentar für die Praxis, § 6 Rdnr. 1 ff.).
Die Verselbständigung von Nebenstellen und Dienststellenteilen lässt das BPersVG zu. Diese Ausnahmeregelung bezieht sich auf Nebenstellen und Teile einer Dienststelle, die von dieser räumlich weit entfernt liegen.
Als Nebenstelle ist ein solcher Bereich zu verstehen, der zwar in sich eine geschlossene Aufgabenstellung hat, aber nicht organisatorisch selbständig ist, sondern einer (Haupt-) Dienststelle untersteht. Demgegenüber dient der Teil der Dienststelle unmittelbar dem Zweck der Dienststelle, ist also lediglich räumlich von ihr abgesondert.
Voraussetzung für die Bildung einer eigenen Interessenvertretung ist neben der räumlich weiten Entfernung der Nebenstelle oder des Dienststellenteils von der (Haupt-) Dienststelle ein Beschluss der Beschäftigten. Der Verselbständigungsbeschluss bedarf der Mehrheit der vorhandenen wahlberechtigten Beschäftigten der Nebenstelle oder des Dienststellenteils. Es genügt nicht allein die Mehrheit der sich an der Abstimmung beteiligten Beschäftigten. Die Abstimmung findet gemeinsam statt. Eine Abstimmung nach Gruppen (Angestellte, Arbeiter und Arbeiterinnen, Beamte) ist nicht zulässig. Sie kann von jedem bzw. jeder Beschäftigten der Nebenstelle bzw. des Dienststellenteils veranlasst werden. Ergibt sich die erforderliche Mehrheit, so ist die Wahl einer eigenen Interessenvertretung einzuleiten.
Hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunktes für die Feststellung der erforderlichen Mindestzahl von fünf Schwerbehinderten ist es ausreichend, dass die Mindestzahl am Tage der Wahl erreicht ist.
§ 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX regelt, dass bei Gerichten, denen mindestens fünf schwerbehinderte Richter angehören, diese einen Richter zu ihrer Schwerbehindertenvertretung wählen. Entsprechendes gilt nach Abs. 1 Satz 3 auch für Staatsanwälte, wenn das Landesrichterrecht eine eigene Personalvertretung für Staatsanwälte vorsieht.
Zu den Schwerbehinderten rechnen auch die nach § 151 Abs. 2 SGB IX Gleichgestellten. Leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG unterliegen dem SGB IX. Sie sind mitzuzählen.
Nicht mitgezählt werden die Schwerbehinderten, die nur vorübergehend beschäftigt werden. Wann eine Beschäftigung als nur vorübergehend anzusehen ist, ist umstritten. Das Gesetz enthält keine zeitliche Festlegung für das Merkmal der vorübergehenden Beschäftigung. Es erscheint sinnvoll, hierfür auf die Regelung des § 155 Abs. 3 SGB IX zurückzugreifen und als vorübergehende Beschäftigte solche Schwerbehinderte anzusehen, die nicht länger als acht Wochen im Betrieb bzw. in der Dienststelle arbeiten sollen. Die Gegenmeinung nimmt – unter Hinweis auf den erst nach sechs Monaten einsetzenden besonderen Kündigungsschutz – eine nicht nur vorübergehende Beschäftigung nur dann an, wenn die Beschäftigung mehr als sechs Monate andauert (Neumann/Pahlen, § 24 SchwbG Rdnr. 7).
Der Hinweis auf den erst später einsetzenden besonderen Kündigungsschutz überzeugt nicht. Die Voraussetzung einer sechsmonatigen Beschäftigungszeit steht nämlich im Wertungswiderspruch dazu, dass für die Wahlberechtigung die Dauer der Beschäftigungszeit keine Rolle spielt. Dürfen schwerbehinderte Menschen aber auch bei kurzzeitiger Beschäftigung die Schwerbehindertenvertretung mitwählen, so ist ihre Berücksichtigung bei der Mindestzahl nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auch bei Überschreitung der Achtwochenfrist des § 155 Abs. 3 SGB IX vertretbar und notwendig.
Sind in einem Betrieb oder in einer Dienststelle nicht wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen oder Gleichgestellte nicht nur vorübergehend beschäftigt und sind damit die Voraussetzungen für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung nicht erfüllt, so kommt nach § 177 Abs. 1 Satz 4 SGB IX die Zusammenfassung eines solchen Betriebes oder einer solchen Dienststelle mit anderen Betrieben bzw. Dienststellen in Betracht.
Die Zusammenfassung kann nur mit einem räumlich nahe liegenden Betrieb desselben Arbeitgebers oder mit einer räumlich nahe liegenden und grundsätzlich gleichstufigen Dienststelle derselben Verwaltung erfolgen. Räumlich nahe liegende Gerichte können auch dann zusammengefasst werden, wenn sie unterschiedlichen Gerichtszweigen und unterschiedlichen Stufen angehören. Über die Zusammenfassung entscheidet der Arbeitgeber im Benehmen, d. h. nach Erörterung, mit dem für seinen Sitz zuständigen Integrationsamt (§ 177 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Wer im öffentlichen Dienst als Arbeitgeber anzusehen ist, ergibt sich aus § 154 Abs. 3 SGB IX. Der Betriebs- bzw. Personalrat hat ein Vorschlagsrecht zur Zusammenfassung von Betrieben bzw. Dienststellen. Die zu wählende Schwerbehindertenvertretung vertritt dann die Schwerbehinderten aller zusammengefassten Betriebe bzw. Dienststellen.
Die Bereiche, für die eine Schwerbehindertenvertretung gewählt werden und zuständig sein soll, sollen mit denen eines Betriebs- bzw. Personalrats identisch sein. Fallen die Voraussetzungen einer für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung vorgenommenen Zusammenfassung nach der Wahl weg oder wird die Zusammenfassung nach der Wahl beendet oder geändert, hat dies auf die Rechtsstellung der gewählten Schwerbehindertenvertretung keinen Einfluss. Sie bleibt für die restliche Amtszeit für die Betriebe bzw. Dienststellen, für die sie gewählt ist, zuständig und im Amt.