Wahlanfechtung

Wahl zur Hauptschwerbehindertenvertretung nur anfechtbar, wenn Verletzung einer Wahlvorschrift das Wahlergebnis beeinflusst hat

Bundesarbeitsgericht Erfurt, Beschluss vom 24.05.2006, Az. 7 ABR 40/05

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat durch Beschluss vom 24.05.2006 (Az.: 7 ABR 40/05) festgestellt, dass bei den Wahlen zur Hauptschwerbehindertenvertretung die Gesamtschwerbehindertenvertretung nicht wahlberechtigt sind. Wahlberechtigt sind alle übrigen Schwerbehindertenvertretungen im Geschäftsbereich, es sei denn, dass dort 10 oder mehr Bezirksschwerbehindertenvertretungen gebildet worden sind. Diese Entscheidung bezieht sich auf den Geltungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes, ist jedoch sinngemäß auch in den Bereichen der Landespersonalvertretungsgesetze von Bedeutung.


Vorinstanz

Landesarbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 01.02.2005, Az: 5 TaBV 2627/03

Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung

Orientierungssatz

  1. Die Nichtigkeit einer Wahl, die jedermann ohne zeitliche Begrenzung zu jeder Zeit und in jeder Form geltend machen kann, kann nur in besonderen, begrenzten Ausnahmefällen angenommen werden. Es muss gegen allgemeine Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden sein, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Demnach muss nicht nur ein offensichtlicher, sondern auch ein besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen.

2. Bei den Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen iSd § 180 Abs 3 S 2 Halbs 2 SGB IX handelt es sich nicht nur um die 13 Bundesoberbehörden des Bundesministerien des Innern, sondern auch um die personalvertretungsrechtlich verselbständigten Außenstellen und Nebenstellen, in denen Schwerbehindertenvertretungen gebildet sind. Auch diese sind als nachgeordnete Dienststellen anzusehen und damit sind die dort gebildeten Schwerbehindertenvertretungen berechtigt, an der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung teilzunehmen.

Anmerkung:  Ist eine Bezirksvertrauensperson auch Vertrauensperson einer nachgeordneten Dienststelle, hat sie bei der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung doppeltes Stimmrecht (§ 180 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB IX). Die Bezirksvertrauensperson hat also, wenn sie zugleich örtliche Vertrauensperson ist, in diesem Fall zwei Stimmen, weil sonst durch ihr Doppelmandat eine Stimme verloren ginge.

Gründe

  1. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am 2. Februar 2003 durchgeführten Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung bei dem Bundesministerium des I. (BMI).

Die Beteiligten zu 1 bis 6 sind Mitglieder der für verschiedene Dienststellen beim Bundesministerium des Innern gebildeten Schwerbehindertenvertretungen. Die Hauptschwerbehindertenvertretung ist die Beteiligte zu 7, der Wahlvorstand für die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung der Beteiligte zu 8 und das Bundesministerium des I. Beteiligter zu 9.

Zum Zeitpunkt der Wahl hatte das BMI 13 unmittelbar nachgeordnete Bundesoberbehörden mit Schwerbehindertenvertretungen. Zusammen mit dem Vertrauensmann im BMI gab es im Geschäftsbereich damit insgesamt 14 örtliche Schwerbehindertenvertretungen. In fünf Behörden mit personalvertretungsrechtlich selbstständigen Außenstellen und Nebenstellen mit Schwerbehindertenvertretungen waren daneben Gesamtschwerbehindertenvertretungen gebildet. Unter anderem unterhielt das Bundesamt für die A. a. F. (BAFI), in dem eine Gesamtschwerbehindertenvertretung gebildet war, 12 Außenstellen mit Sitz in Städten im gesamten Bundesgebiet. Bei dem technischen H. (THW) war neben Schwerbehindertenvertretungen in Landesverbänden eine Bezirksschwerbehindertenvertretung gebildet.

Zur Wahl hatte die damals amtierende Hauptvertrauensperson der Schwerbehinderten beim BMI alle Schwerbehindertenvertretungen eingeladen. An der Wahl nahmen 37 Wählerinnen und Wähler teil, die aus verschiedenen Behörden kamen. 18 von diesen Personen waren Vertrauenspersonen der personalvertretungsrechtlich verselbstständigen Außen- und Nebenstellen einschließlich zweier Vertrauenspersonen der THW-Landesverbände. Die Hauptvertrauensperson wurde mit 24 zu 13 Stimmen gewählt.

Mit dem am 17. Februar 2003 bei dem Verwaltungsgericht Berlin eingegangenen Antrag, der durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Juli 2003 an das Arbeitsgericht Berlin verwiesen worden ist, haben in die Beteiligten zu 1 bis 6 die Auffassung vertreten, die Wahl sei nichtig bzw. ungültig, da Personen gewählt hätten, die nicht wahlberechtigt gewesen seien. Den Bestimmungen des § 97 SGB IX lasse sich das Prinzip entnehmen, dass jeweils eine „Ebene“ die jeweils nächste wähle. Dies bedeute, dass entsprechend der Zahl der Vertreter von verschiedenen Behörden lediglich 12 Personen wahlberechtigt gewesen seien. Die Teilnahme von 37 Wählern, davon 14 von einer einzigen Behörde, könne evident nicht rechtens sein. Nach § 97 Abs. 3 Satz 2 SGB IX wolle der Gesetzgeber die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung auf keine breite personelle Basis stellen. Da die Zahl der Bezirksschwerbehindertenvertretungen im Geschäftsbereich des BMI niedriger als 10 ist, seien auch die Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen wahlberechtigt. Personalvertretungsrechtlich verselbstständigte Außen- und Nebenstellen nachgeordneter Bundesoberbehörden würden zwar als selbstständige Dienststellen gelten, seien aber keine eigenen nachgeordneten Dienststellen der obersten Bundesbehörde. Den Schwerbehindertenvertretungen dieser Teildienststellen stehe damit kein aktives Wahlrecht bei der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung zu. § 97 Abs. 3 SGB IX sei dahingehend auszulegen, dass Bezirksschwerbehindertenvertretung im Sinne dieser Vorschrift auch eine Gesamtschwerbehindertenvertretung sein könne.

Die Beteiligten zu 1 bis 6 haben beantragt, festzustellen, dass die am 4. Februar 2003 erfolgte Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung bei dem Bundesministerium des I. nichtig ist, hilfsweise, die Wahl für ungültig zu erklären.

Die Beteiligten zu 7 und 8 haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 7 hat die Auffassung vertreten, dass die Ansicht der Beteiligten zu 1 bis 6, nur die den Bundesoberbehörden nachgeordneten Behörden seien nachgeordnete Behörden im Sinne des § 97 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX, nicht zutreffen könne, da ansonsten der zweite Halbsatz überhaupt keinen Sinn hätte. Auch die Nebenstellen, die Vertrauensleute zur Wahl entsandt hätten, seien nachgeordnete Dienststellen im Sinne des Gesetzes. Diese seien mittelbar einer obersten Dienstbehörde nachgeordnet.

Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf die Gründe zu I des angefochtenen Beschlusses sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst den jeweiligen Anlagen abgesehen.

Durch einen Beschluss vom 4. November 2003 hat das Arbeitsgericht den Hauptantrag zurückgewiesen und auf den Hilfsantrag der Beteiligten zu 1 bis 6 die am 4. Februar 2003 erfolgte Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung beim BMI für unwirksam erklärt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe zu II des angefochtenen Beschlusses (Bl. 143 bis 149 d. A.) verwiesen.

Gegen diesen ihr am 28. November 2003 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 7 mit einem am Montag, dem 29. Dezember 2003 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 28. Januar 2004 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beteiligten zu 1 bis 6 haben mit einem am 19. Februar 2004 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin eingegangenen Schriftsatz Anschlussbeschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Beteiligte zu 7 trägt vor: die Beteiligung der Vertrauenspersonen der „Außenstellen“ und der THW-Landesverbände sei rechtlich nicht zu beanstanden. Dies sei dem Wortlaut der Vorschrift des § 97 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX zu entnehmen. Durch die Verwendung des Wortes „auch“ stelle der Gesetzgeber klar, dass die Außenstellen in dem Fall, dass die Zahl der Bezirksschwerbehindertenvertretungen niedriger als 10 ist, neben den Bezirksschwerbehindertenvertretungen und dem obersten Dienstbehörden wahlberechtigt sein sollten. Der Wortlaut der Norm enthalte gerade keinen Anknüpfungspunkt auf einen zahlenmäßigen oder stufenweise absteigenden Ausschluss der Wahlberechtigung von Schwerbehindertenvertretungen. Die Bestimmung solle vielmehr gerade dann der Ausweitung des Kreises der Wahlberechtigten und einer weiteren Legitimation dienen, wenn die Anzahl der Bezirksschwerbehindertenvertretungen niedriger als 10 ist. Sofern der Gesetzgeber das Wort „nachgeordnet“ verwende, werde deutlich, dass sämtliche in der Behördenhierarchie unter dem BMI stehenden Schwerbehindertenvertretungen wahlberechtigt seien. Dies ergebe sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch und aus § 6 BPersVG, der gem. § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB IX Anwendung finde. Der Gesetzgeber unterscheide auch nicht zwischen unmittelbar und mittelbar nachgeordneten Dienststellen. Die von dem Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung sei schon auf Grund des Wortlautes der Norm nicht möglich. Sofern der Gesetzgeber davon ausgehe, dass die nachgeordneten Dienststellen auch wahlberechtigt sein sollen, könne dem keine durch das Arbeitsgericht angenommene Sperrwirkung entnommen werden. Der Gesetzgeber habe gerade nicht daran angeknüpft, dass im Falle des Nichtvorhandenseins der Mittelbehörde die Außenstellen wahlberechtigt sein sollten. Das Arbeitsgericht irre insoweit, als dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung stellvertretend für alle Schwerbehindertenvertretungen einer Behörde die Hauptschwerbehindertenvertretung wählen solle. Der Argumentation liege die Annahme zu Grunde, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung eine Stufenvertretung sei. Dies sei unzutreffend. Das Gericht habe zu Unrecht eine Einschränkung des Gesetzeswortlautes nach dem Sinn und Zweck vorgenommen. Eine verfassungskonforme Auslegung komme nicht in Betracht, weil die Auslegung nach Wortlaut und Telos der Norm eindeutig sei. Es sei nicht ersichtlich, warum der Gesamtschwerbehindertenvertretung für den Bereich der eigenen Dienststellen ein exklusives Wahlrecht zugesprochen werden solle. Der Wortlaut der Vorschrift des § 97 Abs. 3 SGB IX siehe dies nicht vor und unterscheide bei den Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen eben nicht zwischen Gesamt-, Hauptdienststellen- und verselbstständigen Schwerbehindertenvertretungen.

Die Beteiligte zu 7 beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. November 2003 – 86 BV 21.902/03 die Anträge zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1 bis 6 beantragen,

  1. die Beschwerde des Beteiligten zu 7 zurückzuweisen und
  2. auf die Anschlussbeschwerde den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin abzuändern und festzustellen, dass die Wahl zur Hauptschwerbehindertenvertretung beim BMI nicht nur rechtswidrig, sondern nichtig war.

Die Beteiligte zu 7 beantragt, die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1 bis 6 tragen vor: wenn die Zahl der Bezirksschwerbehindertenvertretungen niedriger als 10 sei und deshalb auch die Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen mitwählen dürften, seien damit nur solche nachgeordneten Dienststellen gemeint, bei deren vorgesetzter Behörde (Mittelbehörde) keine Bezirksschwerbehindertenvertretungen bestehe. Eine andere Auslegung würde dem Demokratiegrundsatz und dem Prinzip des gleichen Stimmengewichts widersprechen. In diesem Sinne würden bestehende Bezirksschwerbehindertenvertretungen die Schwerbehindertenvertretungen der Dienststellen ausschließen, die in dem unmittelbar nachgeordneten Bereich bestünden. Weil vorliegend auch die Schwerbehindertenvertretungen solcher Dienststellen mitgewählt hätten, bei deren vorgesetzter Behörde eine Bezirksschwerbehindertenvertretungen bestehe, sei die Wahl bereits aus diesem Grunde rechtswidrig. Für den Fall, dass eine Schwerbehindertenvertretung einer nachgeordneten Dienststelle nach § 97 Abs. 3 Satz zweiter Halbsatz SGB IX ausnahmsweise wahlberechtigt sei, komme es darauf an, was unter „Schwerbehindertenvertretung einer nachgeordneten Dienststelle“ zu verstehen sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass verselbstständigte Dienststellenteile im Sinne des § 6 BPersVG keine eigenen Dienststellen seien, sondern nur für Zwecke des Personalvertretungsrechtes als solche gelten würden. In Dienststellen, die wegen ihrer besonderen Struktur aus einer Hauptdienststelle und zahlreichen Nebendienststellen/Außendienststellen bestehen würden, würden die Wahl zur Hauptschwerbehindertenvertretung unabhängig von der Zahl der wahlberechtigten Schwerbehinderten majorisieren. Dieses demokratiewidrige Auslegungsergebnis könne man nur vermeiden, wenn man bei bestehender Gesamtschwerbehindertenvertretung ausschließlich diese als wahlberechtigt ansehe. Dies lasse sich auch ohne weiteres mit dem Wortlaut der Vorschrift in Einklang bringen. Bei einer korrekten Gesetzesauslegung müsse auch berücksichtigt werden, dass bei der Abstimmung nicht jede abstimmungsberechtigte Schwerbehindertenvertretung über eine gleiche Anzahl von Stimmen verfügen dürfe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 28. Januar 2004, 19. Februar 2004 und 03. Mai 2004 verwiesen.

  1. Die statthaften Rechtsmittel der Beschwerde und Anschlussbeschwerde sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Während die Beschwerde Erfolg hat, ist die Anschlussbeschwerde unbegründet. Unter Zurückweisung der Anschlussbeschwerde der Beteiligten zu 1 bis 6 war der angefochtene Beschluss auf die Beschwerde der Beteiligten zu 7 abzuändern und der Antrag insgesamt, auch soweit er die Ungültigkeit bzw. Anfechtbarkeit der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung betrifft, zurückzuweisen.

Die am 4. Februar 2003 durchgeführte Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung beim BMI ist weder nichtig noch anfechtbar bzw. unwirksam.

  1. Mit dem Arbeitsgericht und der Ansicht der Beteiligten zu 7 geht auch die Beschwerdekammer davon aus, dass eine Nichtigkeit der Wahl nicht vorliegt. Da bereits eine fristgebundene Wahlanfechtung eine Verletzung wesentlicher Wahlvorschriften voraussetzt, kann die Nichtigkeit einer Wahl, die jedermann ohne zeitliche Begrenzung zu jeder Zeit und in jeder Form geltend machen kann, nur in besonderen, begrenzten Ausnahmefällen angenommen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Beschluss vom 13. November 1991 – 7 ABR 18/91 – AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG), der sich die Beschwerdekammer anschließt, muss gegen allgemeine Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden sein, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Demnach muss nicht nur ein offensichtlicher, sondern auch ein besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

Die Beteiligten streiten über die schwierige Auslegung des § 97 Abs. 3 Satz 2 SGB IX und dabei insbesondere über die Fragen, was unter nachgeordneten Dienststellen zu verstehen ist und welche Schwerbehindertenvertretungen zur Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung berechtigt sind, wenn die Zahl der bestehende Bezirksschwerbehindertenvertretungen niedriger als 10 ist. Die insoweit von den streitenden Beteiligten vertretenen divergierenden Auffassungen sind nicht als abwegig anzusehen, sodass es schon an der Evidenz eines oder mehrerer Verstöße gegen Wahlvorschriften fehlt. Auch die Beteiligten zu 1 bis 6 kommen nur unter Berücksichtigung einer bestimmten Auslegung des § 97 Abs. 3 Satz 2 SGB X zu dem Ergebnis, dass es mehreren Schwerbehindertenvertretungen an der Wahlberechtigung fehlte. Die Einräumung des Wahlrechts für die Schwerbehindertenvertretungen insbesondere der Außen- und Nebenstellen verstößt nicht gegen die Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße, als dass von einer Nichtigkeit der Wahl ausgegangen werden kann. Es handelt sich insoweit weder um einen offensichtlichen noch um einen besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften.

Die Anschlussbeschwerde der Beteiligten zu 1 bis 6 konnte daher keinen Erfolg haben. Sie war zurückzuweisen.

  1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 7 hat demgegenüber Erfolg. Die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung ist nicht unwirksam. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 7 war der angefochtene Beschluss daher teilweise abzuändern und der Antrag der Beteiligten zu 1 bis 6 insgesamt zurückzuweisen.

Entgegen der von den Beteiligten zu 1 bis 6 vertretenen Auffassung waren die in den Außen- und Nebenstellen gebildeten Schwerbehindertenvertretungen berechtigt, an der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung teilzunehmen.

Wahlberechtigt zur Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung waren nach dem eindeutigen Wortlaut des § 97 Abs. 3 Satz 2 erster Halbsatz SGB IX auf jeden Fall die bei dem BMI als oberste Dienstbehörde gebildete Schwerbehindertenvertretung und die beim THW gebildete Bezirksschwerbehindertenvertretung. Da weitere Bezirksschwerbehindertenvertretungen nicht gebildet worden sind, liegt ein Fall des § 97 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX vor, da damit die Zahl der Bezirksschwerbehindertenvertretungen niedriger als 10 ist. Zutreffend hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass aus dem Wort „auch“ folgt, dass es auch in einem solchen Fall bei der Wahlberechtigung der bei dem BMI gebildeten Schwerbehindertenvertretung und der einzigen Bezirksschwerbehindertenvertretung verbleibt. Da neben der beim THW gebildeten Bezirksschwerbehindertenvertretung keine weitere im Bereich des BMI gebildet worden ist, waren gemäß § 97 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX die Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen wahlberechtigt. Bei den Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen im Sinne des Paragrafen 97 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX handelt es sich nicht nur um die 13 Bundesoberbehörden mit Schwerbehindertenvertretungen, sondern auch um die personalvertretungsrechtlich verselbstständigten Außenstellen und Nebenstelen, in denen Schwerbehindertenvertretungen gebildet sind. Auch diese sind als nachgeordnete Dienststellen anzusehen und damit sind die dort gebildeten Schwerbehindertenvertretungen wahlberechtigt.

Entgegen der von dem Arbeitsgericht und den Beteiligten zu 1 bis 6 vertretenen Auffassung tritt nicht die Gesamtschwerbehindertenvertretung bei der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung an die Stelle der Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen, sofern dort eine Gesamtschwerbehindertenvertretung überhaupt gebildet ist. Dafür gibt der Wortlaut des § 97 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX nichts her. Unabhängig davon folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des § 97 Abs. 6 SGB IX, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung die Interessen der schwer behinderten Menschen in Angelegenheiten vertritt, die das gesamte Unternehmen oder mehrere Betriebe oder Dienststellen betreffen und von den Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Dienststellen nicht geregelt werden können, sowie die Interessen der schwer behinderten Menschen, die in einer Dienststelle tätig sind, für die eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt ist. Die Aufgaben in der Gesamtschwerbehindertenvertretung beziehen sich daher zunächst nur auf Angelegenheiten, die das gesamte Unternehmen oder mehrere Dienststellen betreffen und damit zu den Aufgaben des Gesamtpersonalrats korrespondieren. Die Zuständigkeit der Stufenvertrauenspersonen hängt darüber hinaus davon ab, dass die Angelegenheiten von den Vertrauenspersonen der einzelnen Dienststellen nicht geregelt werden können. Damit liegt ein doppeltes Erfordernis vor. Die Angelegenheit muss nicht nur mehrere Betriebe oder Dienststellen betreffen, sondern darf auch nicht von den Vertrauensleuten der einzelnen Betriebe und Dienststellen erledigt werden können. Wenn es in § 97 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX heißt, dass die Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen wahlberechtigt sind, kann daraus einerseits nicht hergeleitet werden, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretungen tätig werden sollen, da dies eindeutig dem Gesetzestext zuwiderläuft. Andererseits folgt aus den in § 97 Abs. 6 SGB IX geregelten Aufgaben der Gesamtschwerbehindertenvertretung, dass diese nicht für die einzelnen Schwerbehindertenvertretungen tätig werden soll, wenn die einzelnen Schwerbehindertenvertretungen die Angelegenheit auch allein regeln können, was hinsichtlich der Ausübung des Wahlrechts bei der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung ohne Zweifel der Fall ist.

Die verselbstständigten Außen- und Nebenstellen sind als Dienststellen im Sinne des zweiten Teils des SGB IX anzusehen. Zutreffend weist die Beteiligte zu 7 darauf hin, dass sich dies nicht nur aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt, sondern auch aus § 6 BPersVG in Verbindung mit § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB IX. Der Begriff der Dienststelle wird in § 87 Abs. 1 für den gesamten Teil 2 des SGB IX festgelegt. Er gilt also auch für andere Vorschriften, in denen auf den Betrieb oder die Dienststelle abgestellt wird, so insbesondere für die Wahl der Gesamt-, Haupt- und Bezirksschwerbehindertenvertretung für mehrere Dienststellen. Bei den personalvertretungsrechtlich verselbstständigten Außen- und Nebenstellen handelt es sich auch um nachgeordnete Dienststellen im Sinne von § 97 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX. Diese Dienststellen sind zumindest mittelbar der jeweiligen obersten Dienstbehörde nachgeordnet. In § 97 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX wird nicht zwischen unmittelbar und mittelbar nachgeordneter Dienststelle unterschieden. Die nachgeordneten Dienststellen sind im zweiten Halbsatz des Paragrafen 97 Abs. 3 Satz 2 SGB IX in Bezug auf die Bezirksschwerbehindertenvertretung geregelt. Daraus ergibt sich, dass die nachgeordneten Dienststellen sich auf die Bezirksschwerbehindertenvertretungen beziehen, sodass die verselbstständigten Nebenstellen nachgeordnete Dienststellen im Sinne der genannten Bestimmung sind.

Einer Einschränkung des Wahlrechts der Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen bedarf es nicht. Der Gesetzgeber hat in § 97 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX dem Demokratie- und Gleichheitsgebot bereits Rechnung getragen. Ausgehend davon, dass grundsätzlich die Bezirksschwerbehindertenvertretungen und die Schwerbehindertenvertretungen bei der obersten Dienstbehörde die Hauptschwerbehindertenvertretung wählen, wird davon dem Demokratiegebot Rechnung tragend dann eine Ausnahme gemacht, wenn nur eine geringe Anzahl von Bezirksschwerbehindertenvertretungen oder gar keine vorhanden ist. In diesen Fällen sind neben den genannten Vertretungen die Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen ebenfalls wahlberechtigt. Zutreffend hat bereits das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass es sich verbiete, mit den konkreten Zahlen der zu vertretenden schwer behinderten Menschen zu argumentieren. Dem Gesetz liegt erkennbar ein abstrakt-generalisierendes Prinzip zu Grunde und nicht ein solches, das die Wahlberechtigung nach den konkreten Zahlen der vertretenen schwer behinderten Menschen vor Ort abhängig macht. Zuzugeben ist der den Beteiligten zu 1 bis 6 zwar, dass die Wahlberechtigung der Schwerbehindertenvertretungen aus verselbstständigten Dienststellen den Dienststellen mit Außenstellen ein stärkeres Gewicht geben kann, doch ist dies nicht zwangsläufig der Fall, da in den Außenstellen nicht regelmäßig eine Schwerbehindertenvertretung besteht, bzw. überhaupt gebildet werden kann. Gem. § 94 SGB IX ist Voraussetzung für die Wahl einer Vertrauensperson, dass in der Dienststelle wenigstens fünf schwer behinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind.

Mit der Regelung in § 97 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX hat der Gesetzgeber erkennbar dem Rechnung getragen, dass die schwer behinderten Menschen, die ohne diese Regelung durch die Hauptschwerbehindertenvertretung nicht repräsentiert worden wären, da für sie keine Bezirksschwerbehindertenvertretung gebildet worden ist, an der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung durch die Schwerbehindertenvertretungen ihrer nachgeordneten Dienststellen teilhaben können.

Inwieweit der Bezirksschwerbehindertenvertretung und den Gesamtschwerbehindertenvertretungen neben den Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Dienststellen ein Wahlrecht zustand oder nicht, kann hier dahingestellt bleiben. Auch wenn man mit dem Vorbringen der Beteiligten zu 1 bis 6 davon ausgehen würde, dass im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 97 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX neben den Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen weder der Bezirksschwerbehindertenvertretung noch den fünf Gesamtschwerbehindertenvertretungen ein Wahlrecht zustand, würde dies angesichts des Wahlergebnisses nicht zu einer Unwirksamkeit bzw. Anfechtbarkeit der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung führen. Selbst wenn man bei einem Wahlergebnis von 24 zu 13 Stimmen sechs Stimmen abzieht ist dies nicht geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen, da immer noch ein Wahlergebnis von 18 zu 13 Stimmen vorliegen würde.

Nach alledem ist die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung vom 4. Februar 2003 auch nicht als unwirksam anzusehen.

III. Die Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.