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Probezeitkündigung

Im Newsletter 03/2022 haben wir berichtet, dass der EuGH (10.02.22-C-485/20) eine Kündigung in der Probezeit für unzulässig erklärt hat. Arbeitgeber müssen künftig prüfen, ob sie alternative Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung haben, bevor sie diese kündigen, weil sie für die bisherige Stelle nicht mehr geeignet sind.
Die Vorabentscheidung des EuGH hat große praktische Bedeutung für das deutsche Arbeitsrecht. Prof. Franz-Josef Düwell von der Uni Konstanz schreibt in Schwerbehindertenrecht und Inklusion (4/2022) von einer wichtigen Weichenstellung für die Rechtslage in Deutschland.
Der EuGH stellt bei der Pflicht des Arbeitgebers, einen alternativen Arbeitsplatz für einen Beschäftigten mit Behinderung zu suchen, auf Artikel 5 der Anti-Diskriminierungs-Richtlinie 2000/78/EG ab, die eine der Richtlinien ist, auf denen in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beruht. Bislang galt eine BAG-Rechtsprechung von 2016, nach der Arbeitgeber nicht verpflichtet waren, innerhalb der Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ein Präventionsverfahren gemäß 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass Arbeitgeber das Recht haben, frei von Kündigungsbeschränkungen den schwerbehinderten Menschen zu erproben, ob das Arbeitsverhältnis dauerhaft fortgesetzt wird. Diese Rechtsprechung ist mit der EuGH-Entscheidung nicht weiter vereinbar.
Prof. Düwell schreibt weiter, dass das BAG seine Rechtsprechung ändern muss. Zwar besteht in den ersten 6 Monaten weiter weder ein allgemeiner Schutz vor Kündigung (§ 1 Abs. 1 KSchG) noch ein besonderer Schutz mit Zustimmungserfordernis durch das Integrationsamt (§ 173 Abs. 1 Nr.1 SGB IX). Aber in dieser Zeit besteht nun keine völlige Kündigungsfreiheit mehr. Arbeitgeber müssen das Benachteiligungsverbot wegen Behinderung beachten und angemessene Vorkehrungen zur behinderungsgerechten Beschäftigung prüfen und treffen. Ist bei fehlender Eignung für die bisherige Arbeit ein anderweitiger behinderungsgerechter Einsatz möglich, ohne dass der Arbeitgeber unzumutbar belastet wird, stellt sich eine Kündigung gegen über einem schwerbehinderten Menschen dar, als verbotene diskriminierende Kündigung (§164 Abs. 2 SGB IX i.V.m. § 134 BGB). Bei Menschen mit Behinderung, die nicht schwerbehindert oder diesen gleichgestellt sind, ergibt sich die Unwirksamkeit aus dem allgemeinen Benachteiligungsverbot in § 7 AGG i.V.m. § 134 BGB.
Quelle: Prof. Franz-Josef Düwell Schwerbehindertenrecht und Inklusion (4/2022)

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