Minderleistung – Kündigung – wieviel Fehler sind erlaubt?

Eine verhaltensbedingte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer nach Abmahnung seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mit der geschuldeten Qualität oder Quantität erfüllt. Der Arbeitnehmer muss tun, was er kann, und zwar so gut, wie er kann. Der Arbeitgeber muss jedoch mit seinem Vortrag das Gericht in die Lage versetzen, feststellen zu können, dass bei dem Arbeitnehmer eine die Durchschnittsleistung erheblich unterschreitende Leistung vorliege. Auch muss er weitere Umstände vortragen, dass und warum darin eine vorwerfbare Pflichtverletzung liege.

Das Arbeitsgericht Siegburg hatte über die Kündigungsschutzklage eines Kfz.-Mechanikers zu entscheiden, dem wegen schlechter Arbeitsleistungen verhaltensbedingt gekündigt worden war. Der Arbeitgeber warf dem Arbeitnehmer vor, bei einem Werkstatttest nur vier von sechs Fehlern erkannt sowie bei einem Auftrag anstehende Servicearbeiten nicht durchgeführt zu haben. Dies schade dem Ruf des Autohauses. Nach drei vorausgegangenen Abmahnungen könne man keinen Besserungswillen beim Kläger feststellen.

Die 3. Kammer des Arbeitsgerichts hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Der Arbeitgeber habe weder die Leistungen des Klägers über einen repräsentativen Zeitraum noch die Fehlerquote vergleichbarer Arbeitnehmer dargelegt. So habe das Gericht nicht erkennen können, ob der Kläger seine vertraglichen Verpflichtungen vorwerfbar verletzt habe.

 ArbG Siegburg – Az 3 Ca 1305/17 vom 25.08.2017

Frage nach Schwerbehinderung bei der Einstellung?

Was ist nun erlaubt?

Die tätigkeitsneutrale Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderteneigenschaft ist laut BAG und nach einhelliger Meinung in neuerer Standardliteratur schon seit vielen Jahren grundsätzlich unzulässig.
Dies gilt beim Einstellungs – bzw. Vorstellungsgespräch. Ebenso wenn bei einem Personalfragebogen danach gefragt wird, z.B. per Ankreuztext (ja/nein).

Rechtsprechung dazu:

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet bzw. somit nicht berechtigt, sich tätigkeitsneutral nach dem Bestehen einer Schwerbehinderteneigenschaft zu erkundigen.
Gerade durch solche Nachfragen kann der Arbeitgeber Indiztatsachen schaffen, die ihn bei einer Entscheidung gegen den schwerbehinderten Bewerber in die Darlegungslast nach § 22 AGG bringen können.
(BAG, 13.10.2011, 8 AZR 608/10 Rn 43)

Es liegt in der Entscheidung des Bewerbers, ob er seine Behinderung oder Schwerbehinderung vom Arbeitgeber bei der Behandlung der konkreten Bewerbung berücksichtigt haben will oder nicht. Eine Pflicht zur Offenbarung der Schwerbehinderung schon bei einer Bewerbung besteht grundsätzlich nicht, ebenso wenig wie ein grundsätzliches Fragerecht des Arbeitgebers. (BAG 26. Juni 2014 –8 AZR 547/13 – Rn 53)

Von Befürwortern des Fragerechts wird gern dieses Urteil vom BAG angeführt.
Die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung bzw. einem diesbezüglich gestellten Antrag ist im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach sechs Monaten, dh. ggf. nach Erwerb des Behindertenschutzes gemäß §§ 168 (alt: 85) ff. SGB IX , zulässig.
Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen.
In diesem Zusammenhang fand (Insolvenz – Vorbereitung der notwendigen Kündigungen durch den Insolvenzverwalter) der Rechtsstreit auch statt.
Hat also definitiv nichts mit dem Fragerecht bei der Einstellung zu tun!
(BAG, Urteil vom 16. 2. 2012 – 6 AZR 553/10 – Rn 11ff)

 

Was ist im Arbeitsvertrag erlaubt?

Die in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag enthaltene Erklärung des Arbeitnehmers, nicht den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes (SGB IX) zu unterliegen, indiziert eine Benachteiligung wegen einer Behinderung..

ArbG Hamburg, Urteil vom 27.06.2017, 20 Ca 22/17

LAG Hamburg, Urteil vom 30.11.2017 Az.: 7 Sa 90/17

Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat am 30.11.2017 unter dem Akz 7 Sa 90/17 die Berufung der Beklagten zurück gewiesen und der Anschlussberufung des Klägers stattgegeben, so dass eine Entschädigung in Höhe von 8100€ ausgeurteilt wurde.

Benachteiligung bereits durch Arbeitsvertrag möglich

Die in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag enthaltene Erklärung des Arbeitnehmers, nicht den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes (SGB IX) zu unterliegen, indiziert bereits eine Benachteiligung wegen einer Behinderung.

Auch die tätigkeitsneutrale Frage nach einer Schwerbehinderung bei einer Einstellung ist unzulässig.

Urteils des ArbG Hamburg vom 27.6.201720 Ca 22/17

 

Berufung beim LAG Hamburg (Az.: 7 Sa 90/17)
Das LAG Hamburg hat am 30.11.2017 die Berufung der Beklagten zurück gewiesen und der Anschlussberufung des Klägers stattgegeben, so dass eine Entschädigung in Höhe von 8100€ ausgeurteilt wurde.

Pflichten im Bewerbungsverfahren

Zur Erinnerung:

Pflichten von Arbeitgeber/innen im Bewerbungsverfahren

  • Gemeinsam mit der Interessensvertretung (SBV, BR, PR, MAV) müssen Betriebe bzw. Behörden prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen besetzt werden können.
  • Freie Stellen müssen der Agentur für Arbeit gemeldet werden, damit diese geeignete arbeitslose oder arbeitssuchend gemeldete Menschen mit Schwerbehinderung vorschlagen kann.
  • Sobald die Bewerbung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen vorliegt, muss die Schwerbehindertenvertretung unterrichtet werden.

Übernahme von Fahrtkosten während einer stufenweisen Wiedereingliederung

Die Klägerin beantragte bei ihrer Rentenversicherung die Übernahme von Fahrtkosten während einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung.
Die Rentenversicherung lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass es sich  nicht um eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation gehandelt habe, sondern während der Maßnahme Übergangsgeld als unterhaltssichernde Leistung gezahlt worden sei.
Für die Erstattung weiterer Kosten gebe es keine gesetzliche Grundlage.
Das Sozialgericht war anderer Meinung und verpflichtete die Rentenversicherung zur Kostenübernahme.

SozG Neuruppin, Urteil vom 26.01.207, Az: S 22 R 127/14
Dazu ein Fachbeitrag von Prof. Dr. Nebe mit Anm. A19-2018

SG Berlin, Urteil vom 29.11.2018 – S 4 R 1970/18

Weitere Urteile zur Fahrtkostenerstattung:

Die Krankenkasse muss Fahrtkosten erstatten, die anfallen, wenn ein Arbeitnehmer für eine stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme zum Arbeitsort fährt, aber parallel Krankengeld erhält.
SG Dresden, 17.06.2020, Az: S 18 KR 967/19

Sozialgericht Düsseldorf, 12.09.2016, S 9 KR 632/15
Gesetzliche Krankenkasse

Sozialgericht Kiel, 04.11.2016, S 3 KR 201/15
Gesetzliche Ersatzkasse

Stellung der SBV gestärkt – Zuständig bereits bei Antragsbeginn

Eine SBV hatte geltend gemacht, zu der Umsetzung einer behinderten Arbeitnehmerin bereits vor einer rechtskräftigen Entscheidung über ihren Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 95 Abs. 2 SGB IX beteiligt zu werden.
Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt. Damit können SBV´n sich jetzt auch in Angelegenheiten der behinderten Arbeitnehmer, über deren Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, die ihren Antrag aber dem Arbeitgeber bekannt gegeben haben, auf ihre Rechte aus § 95 Abs. 2 SGB IX berufen.
Die frühzeitige Beteiligung der SBV sorgt für frühzeitige Einwirkungsmöglichkeiten und sichert dadurch die Arbeitsplätze der behinderten Arbeitnehmer.

ArbG Berlin, Beschluss vom 17.10.2017, AZ: 16 BV 16895/15
Leider nicht bestätigt: LAG Berlin-Brandenburg, 09.05.2018 – 23 TaBV 1699/17
Leider auch beim BAG nicht bestätigt: BAG, 22.01.2020 – 7 ABR 18/18

Missachtung der SBV bei ERA-Leistungsbeurteilung

Der Arbeitgeber wird verpflichtet, die Minderungen der Leistungsbeurteilung im Rahmen der ERA-Leistungsbeurteilungszweitgespräche betreffend Schwerbehinderten und diesen Gleichgestellten im Betrieb auszusetzen.

Begründung: Der Arbeitgeber ist gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, die SBV im Rahmen der ERA-Leistungsbeurteilungszweitgespräche zu unterrichten, anzuhören und einzubeziehen.

Die festgestellte Leistungsminderung führe direkt zu einer Entgeltkürzung. Der SBV hätte die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen bzw. Hilfen anzubieten und hierüber zu beraten.
Die Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung könnten die Vorgaben des § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht aushebeln.
Die Schwerbehindertenvertretung sei eine gegenüber dem Betriebsrat eigenständige Vertretung mit eigenen Rechten und Pflichten.
Darüber hinaus gebiete § 167 SGB IX, präventiv mit der Schwerbehindertenvertretung geeignete Maßnahmen einzuleiten, um Minderungen bei der Leistungsbeurteilung gar nicht erst auftreten zu lassen. Dabei sei auch das Integrationsamt einzubinden.

LAG München, Beschluss vom 26.01.2017, 3 TaBV 95/16

Urteilsbesprechung bei Reha-Recht