Entschädigungsanspruch

Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG – Benachteiligung schwerbehinderter Menschen

Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ohne vorherige Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes begründet die Vermutung i.S.v. § 22 AGG, dass er oder sie wegen der Schwerbehinderung benachteiligt worden ist.
Grundsätzlich kann auch bei der Berechnung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG vom Bruttomonatsgehalt ausgegangen werden.
Die Kündigung stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG dar, der eine Entschädigung von vier Gehältern rechtfertigen kann. 

Eigentlich ging es aber in dem Urteil um Abtretung und Pfändung des Anspruches auf Entschädigung wegen des immateriellen Schadens. Dieser fällt auch in die Insolvenzmasse (im Anschluss an BGH 18.06.2020 – IX ZB 11/19 -). Der benachteiligte Mensch bleibt zwar Anspruchsinhaber, verliert aber die Befugnis, das Recht in eigener Person geltend zu machen. Der Insolvenzverwalter kann den Betroffenen aber ermächtigen, das Recht im eigenen Namen zur Zahlung an den Insolvenzverwalter geltend zu machen

LAG Baden-Württemberg 17.05.2021 Az: 10 Sa 49/20

Datenschutz ist Seminarthema der SBV

Datenschutz und Gleichbehandlung (AGG) sind Themen der SBV –

Im vorliegenden Fall ging es um die Freistellung und Übernahme von Seminargebühren und Hotelkosten für die Teilnahme einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen an einem Seminar zum Thema: Datenschutz und Gleichbehandlung. Die Arbeitgeberin lehnte Kostenübernahme wegen fehlender Erforderlichkeit ab. Eine Seminarteilnahme darf die SBV laut LAG für erforderlich halten, wenn die vermittelten Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb notwendig sind. Das war hier beim AGG-Teil der Fall. Ist das Seminar auf die Vermittlung von Spezialwissen ausgerichtet – wie in diesem Fall der datenschutzrechtliche Teil der Veranstaltung – ist zu hinterfragen, ob dieses Spezialwissen für die aktuelle Situation in der Dienststelle erforderlich ist, also für die praktische Arbeit benötigt wird. Das war im vorliegenden Fall gegeben, da aktuell datenschutzrelevante Fragen in der Dienststelle diskutiert wurden und die SBV darin involviert war.

LAG Berlin-Brandenburg (09.03.2021) Az 11 TaBV 1371/20

Mindestnote gilt auch für schwerbehinderte Bewerber

Für die Einladung zum Bewerbungsgespräch müssen schwerbehinderte Stellenbewerber in der Stellenausschreibung verlangte Mindestabschlussnoten einhalten.
Bei schlechteren Noten kann von einer offensichtlich fehlenden fachlichen Eignung ausgegangen werden, so dass öffentliche Arbeitgeber nicht zur Einladung zum Bewerbungsgespräch verpflichtet sind.

BAG, 29.04.2021, AZ: 8 AZR 279/20

Kündigungsschutz ist kein Freibrief

Bereits 2 LAG´s haben entschieden, dass auch schwerbehinderte Arbeitnehmer*innen, die besonders vor einer Kündigung geschützt sind, durch ihr Verhalten den Job verlieren können.
Die Gerichte bestätigten jeweils die Kündigung (durch die örtlichen Arbeitsgerichte) der schwerbehinderten Beschäftigten, die sich beleidigend und schwer rassistisch über Arbeitskollegen*innen geäußert hatten.

Einsichtsrecht bei Bewerbungen

Die SBV hat bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen nach § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen.
Das Einsichtsrecht erstreckt sich auch auf die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen der nicht behinderten Bewerber.
Dieses Recht steht der SBV auch dann zu, wenn der Arbeitgeber bei einer internen Stellenbesetzung auf eine Ausschreibung der Stelle verzichtet hat und von sich aus schwerbehinderte Menschen in seine Auswahlentscheidung mit einbezogen hat (siehe Rn. 34/36).

Die bei dem Träger eines Jobcenters bestehende SBV hat jedenfalls dann nach § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX keinen Anspruch auf Vorlage der vollständigen dienstlichen Beurteilungen der einzustellenden Arbeitnehmer sowie der im Auswahlverfahren nicht berücksichtigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber seine Auswahlentscheidung nur auf Auszüge aus dienstlichen Beurteilungen stützt (Rn. 38).

ArbG Berlin – 09.05.2018 – 56 BV 1026/18
LAG Berlin-Brandenburg, 3 TaBV 724/18 vom 12.04.2019
BAG, Beschluss vom 16.09.2020, 7 ABR 2/20

BEM nicht einklagbar

Einzelne Arbeitnehmer*innen haben keinen einklagbaren Anspruch auf ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM).
Nur die zuständige Interessenvertretung hat ein durchsetzbares Initiativrecht.
Weigert sich der Arbeitgeber, können Arbeitnehmer*innen sich an seinen Betriebs- oder Personalrat wenden.

LAG Nürnberg am 08.10.2020, Aktenzeichen 5 Sa 117/20
Revision beim BAG unter: 9 AZR 572/20

Versand von Wahlwerbung von der SBV

Der Versand von Wahlwerbung an die privaten Mail-Adressen der Wahlberechtigten durch die amtierende SBV verletzt den Grundsatz der Chancengleichheit der Wahlbewerbung.

Es liegt eine Verletzung des ungeschriebenen Grundsatzes der Chancengleichheit aller Wahlbewerber vor.
Nach ihm sollen alle Wahlbewerber die gleichen Möglichkeiten im Wahlkampf und im Wahlverfahren und damit die gleiche Chance im Wettbewerb um die Wählerstimmen haben.

Hessisches LAG, Beschluss vom 25.05.2020 – 16 TaBV 147/19

SBV erstreitet Fortbildung zum BEM

Die SBV muss sich nicht damit begnügen, nur Grundseminare zum Thema BEM zu besuchen.
Sie hat im Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) vielfältige Aufgaben. Dazu gehört in der Belegschaft über das BEM zu informieren sowie für die Teilnahme an den BEM-Gesprächen des Arbeitgebers zu werben. Und sie übt eine gesetzliche Kontrollfunktion aus. Ihren Schulungsbedarf für Aufbau- und Fortgeschrittenenschulungen kann die SBV gerichtlich durchsetzen.

Arbeitsgericht Kaiserslautern, Beschluss vom 6. Oktober 2020 – 3 BV 14/20