SBV nicht angehört – Kündigung unwirksam

Genügt es, wenn die SBV nach Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung angehört wird?

Eine Mitarbeiterin, mit einem GdB von 40 und gleichgestellt, erhielt eine ordentliche Kündigung. Der Arbeitgeber hatte hierzu zuerst beim Integrationsamt die Zustimmung beantragt und erhalten.
Erst hörte er den Betriebsrat und danach erst die SBV an, die der Kündigung widersprach.

Die Beschäftigte erhob gegen diese Kündigung Klage und begründete dies mit der verspäteten Beteiligung der SBV. Sie bekam Recht.

Das Gericht begründet dies damit, dass eine Kündigung nicht nur dann unwirksam ist, wenn die SBV gar nicht zu dieser Maßnahme angehört, sondern auch dann, wenn sie verspätet beteiligt wird.
§ 178 Abs. 2 SGB IX sieht vor, dass die SBV unverzüglich vor der Entscheidung anzuhören ist.
Dies bedeutet, dass die SBV bereits dann zu beteiligen ist, wenn der Arbeitgeber seinen Kündigungswillen gebildet hat, damit sie die Willensbildung beeinflussen kann.
Da zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Integrationsamt sich die Kündigungsentscheidung beim Arbeitgeber jedoch schon verfestigt hat, ist eine Beteiligung der SBV erst nach Abschluss dieses Verfahrens verspätet, da die SBV nicht mehr einwirken kann.

Daher ist eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu diesem späten Zeitpunkt nicht ordnungsgemäß, weshalb die Kündigung nach der neuen Regelung des § 178 Abs. 2 SGB IX unwirksam ist.

LAG Chemnitz – 08.06.2018 – 5 Sa 458/17

Anhängig beim BAG unter: – 2 AZR 278/18

Vorschriften über die Wahlanfechtung

Vorschriften über die Wahlanfechtung bei der Wahl des Betriebsrats sind auch für die SBV-Wahl entsprechend anzuwenden

Nach § 177 Absatz 6 Satz 2 SGB IX sind die Vorschriften über die Wahlanfechtung bei der Wahl des Betriebsrats entsprechend auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung anzuwenden.

Daraus folgt, dass der Abbruch der Wahl aufgrund von Mängeln des Wahlverfahrens nur in Betracht kommt, wenn die Wahl voraussichtlich nichtig wäre.

Die Verkennung des Betriebsbegriffs führt nicht zur Nichtigkeit der Wahl

Gleichzeitige Beteiligung von 2 SBV´n

Sind gleichzeitig zwei SBV´n zu beteiligen, richtet sich der Umfang der Unterrichtung, ebenso wie bei der notwendigen Beteiligung zweier Betriebsräte, nach der Reichweite und Zielrichtung der Beteiligungsrechte der jeweils zu beteiligenden Schwerbehindertenvertretungen.

Dies kann immer dann der Fall sein, wenn innerhalb eines Unternehmens jemand von Betrieb zu Betrieb versetzt werden soll.

Bay. VGH Beschluss vom 23.02.2018, 6 CS 17.2556

Wahlanfechtung – Wahlgeheimnis

Verzicht auf Wahlgeheimnis – geht gar nicht!

Der Wähler kann auf die Wahrung seines Wahlgeheimnisses nicht wirksam verzichten Der Grundsatz der geheimen Wahl ist nicht nur ein subjektives Recht. Er dient dem Schutz der Wahlfreiheit und gewährleistet damit die Legitimation der Gewählten. Auch bei einer schriftlichen Stimmabgabe ist ein Verzicht auf die Wahrung des Wahlgeheimnisses nicht möglich. Zwar ist es dem Wahlberechtigten überlassen, in seinem Bereich selbst für die Wahrung des Wahlgeheimnisses Sorge zu tragen. Das bedeutet jedoch nicht, dass er von einer unbeobachteten Kennzeichnung des Stimmzettels absehen und auf die Wahrung seines Wahlgeheimnisses verzichten darf. Er ist vielmehr verpflichtet, für eine unbeobachtete Kennzeichnung des Stimmzettels zu sorgen. Dies wird auch nicht durch das Recht des Wählers in Frage gestellt, vor oder nach der Wahl von sich aus Dritten mitzuteilen, wie er abstimmen wird oder abgestimmt hat. Eine solche freiwillige Mitteilung gefährdet – anders als die beobachtete Stimmabgabe – die Wahlfreiheit nicht, da sie nicht geeignet ist, eine Drucksituation bei der Stimmabgabe herbeizuführen.

 

Gemäß SchwbVWO hat der Wahlvorstand zu prüfen, ob die schriftliche Stimmabgabe ordnungsgemäß erfolgt ist. Dabei kann er in der Regel davon ausgehen, dass der Wähler seiner Pflicht zur unbeobachteten Stimmabgabe nachgekommen ist.
Hat jedoch der Wahlvorstand von einem Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl Kenntnis, darf er die ungültige Stimme nicht berücksichtigen.

Gemäß SchwbVWO bereitet der Wahlvorstand die Wahl vor und führt sie durch. Dabei hat er auch bei einer schriftlichen Stimmabgabe im Rahmen seiner Möglichkeiten für die Einhaltung des Wahlgeheimnisses zu sorgen. Der Wahlvorstand verstößt gegen diese Pflicht, wenn er Wähler, die unter gegenseitiger Kontrolle abstimmen möchten, nicht auf die Pflicht zur unbeobachteten Stimmabgabe hinweist, sondern ihnen für diese Stimmabgabe in seinem Büro einen Tisch zur Verfügung stellt.

 

BAG, Beschluss vom 21.3.2018, 7 ABR 29/16

Vorstellungsgespräch: Interne bzw. externe Bewerber

Bei Einstellungen im öffentlichen Dienst stellt sich häufig die Frage, ob auch schwerbehinderte interne Bewerber zwingend nach § 165 Satz 3 SGB IX zum Vorstellungsgespräch einzuladen sind, da diese dem Arbeitgeber ja schon bekannt sind.

Das VG Schleswig hat nun geklärt, dass auch interne schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen sind, wenn die Stelle auch extern ausgeschrieben wurde.

Abzustellen ist damit einzig darauf, dass die Stelle externen Bewerbern offen steht, nicht darauf, ob es sich bei dem konkreten Schwerbehinderten um einen internen oder externen Bewerber handelt.

VG Schleswig, Beschluss vom 26.07.2018 – 12 B 49/17

Gleichstellung eines Betriebsrats

Bei dieser Entcheidung geht es um die Gleichstellung eines BR-Mitglieds, gegen die der Arbeitgeber geklagt hat.

  • Die Klage eines Arbeitgebers gegen die erfolgte Gleichstellung eines Arbeitnehmers mit einem Schwerbehinderten ist wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig.
  • Für die Frage, ob ein Anspruch auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten besteht, ist maßgebend, ob durch diese der Arbeitsplatz sicherer gemacht wird. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine Betriebsratsmitgliedschaft darf dabei nicht zum Nachteil des Behinderten berücksichtigt werden.

Wesentliche Aussage:

Der Gesichtspunkt der Betriebsratszugehörigkeit darf jedoch nicht zum Nachteil der Beigeladenen berücksichtigt werden, weil Betriebsratsmitglieder nach § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wegen ihrer Betriebsratstätigkeit nicht benachteiligt werden dürfen. Dieses Benachteiligungsverbot richtet sich nicht nur an Arbeitnehmer, sondern an jedermann, also auch an das Gericht, das über die Gleichstellung mit einer Schwerbehinderten zu entscheiden hat.

LSG Rheinland-Pfalz, AZ: L 7 Ar 150/98, Urteil vom: 19.09.2000

Namensliste der sbM an den Gesamtbetriebsrat

Bei der Übermittlung einer Kopie der Anzeige zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen durch den Arbeitgeber einschließlich der Überwachung der Beschäftigungspflicht und der Ausgleichsabgabe (§ 163 Abs. 2 SGB IX) sowie der Verzeichnisse über die in den einzelnen Betrieben beschäftigten schwerbehinderten Menschen (§ 163 Abs. 1 SGB IX) handelt es sich um eine spezialgesetzlich geregelte Vorlagepflicht des Arbeitgebers gegenüber den jeweiligen Interessenvertretungen.

Bestehen in einem Unternehmen mehrere Betriebe, ist nicht der einzelne Betriebsrat, sondern der Gesamtbetriebsrat anspruchsberechtigt.

BAG, Beschluss vom 20.3.2018, 1 ABR 11/17

Außerordentliche Kündigung eines unkündbaren Arbeitnehmers

  1. Wird einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer dauerhaft unmöglich, seine bisherige Tätigkeit (infolge Arbeitsunfähigkeit) auszuüben, so kann das regelmäßig allenfalls eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist rechtfertigen.
    (Rn.38) a) Dabei können auch vom Arbeitnehmer nicht zu vertretende Umstände in seiner Person geeignet sein, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein wichtiger Grund kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer auf Grund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen, zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung auf unabsehbare Dauer nicht mehr in der Lage ist. Darin liegt regelmäßig eine schwere und dauerhafte Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses, der der Arbeitgeber, wenn keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, mit einer außerordentlichen Kündigung begegnen kann. Liegt eine dauerhafte Leistungsunfähigkeit vor, kann dies den Arbeitgeber bei tariflichem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit des Arbeitnehmers jedenfalls zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist berechtigen (BAG 26.11.2009 – 2 AZR 272/08 – Rn. 24, BAGE 132, 299).
  2. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung setzt dabei ferner voraus, dass im gesamten Zuständigkeitsbereich des Vertragsarbeitgebers zum Kündigungszeitpunkt und in absehbarer Zeit keine Möglichkeiten zur anderweitigen Beschäftigung bestehen.
    (Rn.51) So ist der Arbeitgeber auch bei dauernder Unmöglichkeit, den ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in seinem bisherigen Tätigkeitsbereich zu beschäftigen, erst dann zur Kündigung berechtigt, wenn das aus der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers resultierende Hindernis nicht nur seiner Weiterbeschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz, sondern auch einer Beschäftigung an anderer Stelle entgegensteht (so schon Senat 30. Mai 1978 – 2 AZR 630/76). Dies gilt bei allen Arten von Kündigungsgründen (Senat 6. Oktober 2005 – 2 AZR 280/04 – Rn. 33).

LAG Rheinland-Pfalz v. 11.7.2017, 8 Sa 23/17

Gleichstellung auch für BR-Mitglied möglich

Beschäftigte mit einem GdB von 30 oder 40 können die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen beantragen.
Die Mitgliedschaft im Betriebsrat und der besondere Kündigungsschutz stehen dem nicht im Wege.

Bei einem Arbeitnehmer, der zugleich Betriebsratsmitglied ist, wurde eine GdB von 30 festgestellt. Er hatte als Produktionshelfer Einschränkungen im Wirbelsäulenbereich. Er beantragte die Gleichstellung, weil er seinen Arbeitsplatz behalten wollte und diesen als gefährdet sah.
Die BA lehnte die Gleichstellung ab, weil er als Mitglied des Betriebsrates schon über besonderen Kündigungsschutz verfügt.

Es gab zwar behinderungsbedingte Fehlzeiten und Leistungseinschränkungen sowie eine Kündigungsandrohung, diese sah die BA aber nicht als relevant an und lehnte ab.
Der Betroffene klagte und gewann. Die Betriebsratstätigkeit und der damit einhergehende arbeitsrechtliche Kündigungsschutz führen nicht zu einer Ablehnung der Schwerbehinderung.

SG Berlin Urteil vom 12.02.2018, Aktenzeichen S 57 AL 1161/16

Integrationsamt muss auch bei teilweiser Erwerbsminderung zustimmen

Erfordernis einer Zustimmung des Integrationsamtes zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen aufgrund auflösender Bedingung bei teilweiser Erwerbsminderung

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung aufgrund des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung erfordert bei einem schwerbehinderten oder ihm gleichgestellten Menschen nach § 92 (Neu: 175)  S. 1 SGB IX die vorherige Zustimmung des Integrationsamts.

Voraussetzung ist, dass beim Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt der auflösenden Bedingung die Anerkennung der Schwerbehinderung oder die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen erfolgt ist oder die entsprechende Antragstellung mindestens drei Wochen zurückliegt.

BAG, Urteil vom 16.1.2018 – 7 AZR 622/15