SBV-Wahlanfechtung (Wahlwerbung)

Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Wahl liegt vor, wenn Wahlbewerber sich nicht – wie die übrigen Wahlbewerber – darauf beschränken, Wahlwerbung auf der vom Arbeitgeber im Intranet hierfür zur Verfüguing gestellten Seite zu platzieren, sondern unmittelbar vor der Wahl Wahlwerbung an die privaten Postadressen der Wahlberechtigten versenden.
Hessisches LAG, Beschluss vom 15.06.2020 – 16 TaBV 116/19

SBV-Wahlanfechtung (Wahlausschreibung)

Anfechtung der Wahl zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen – geeigneter Aushangort für Wahlausschreiben

Das Wahlausschreiben für die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen ist an einer den Wahlberechtigten zugänglichen und geeigneten Stelle im Betrieb auszuhängen. Geeignet ist die Stelle regelmäßig, wenn sie von einer möglichst großen Zahl der Beschäftigten aufgesucht und eingesehen werden kann, damit möglichst viele Wahlberechtigte von der Durchführung der Wahl Kenntnis erlangen.

LArbG Baden-Württemberg, Beschluß vom 10.6.2020, 4 TaBV 5/19

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.
Es ist durch die SBV Nichtzulassungsbeschwerde ans Bundesarbeitsgericht eingelegt worden.
Die LAG-Entscheidung ist auch deshalb von Bedeutung, weil sie große Unsicherheit in Bezug auf die Anzahl notwendiger Wahlaushänge schafft. Auch wird in der Entscheidung für unwesentlich gehalten, dass der Aushang in der Nähe des einzig barrierefrei zugänglichen Gebäudeeingangs platziert worden war.

PS:
Interessanterweise gabe es noch einen Folgestreit über das Honorar der Rechtsanwaltskanzlei unter:
LArbG Baden-Württemberg, Beschluß vom 30.7.2020, 4 TaBV 5/19
(Interessant ist der letzte Absatz im Beschluss)

Gleichstellung erst bei 18 WoStd

Die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gibt erhöhten Kündigungsschutz. Das gilt, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 30 vorliegt.
Das Gesetz legt aber noch weitere Voraussetzungen fest.
Dazu gehört die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit.

Die Klägerin hatte mit ihrem Arbeitgeber einen Vertrag geschlossen, wonach sie 16 Stunden wöchentlich arbeitete. Tatsächlich war sie jedoch regelmäßig über 18 Wochenstunden tätig.
Die tatsächlich geleistete Arbeitszeit spielt dabei keine Rolle meinte das Gericht.

Sozialgericht Saarland, 12. Mai 2020 – S 12 AL 1088/19

Fahrtkosten beim Hamburger Modell

Die Übersendung eines Wiedereingliederungsplans im Sinne des sog. Hamburger Modells an einen Rehabilitationsträger ist im Zweifel als Antrag auf sämtliche im Zusammenhang mit dieser Wiedereingliederungsmaßnahme in Betracht kommende Leistungen auszulegen.

Die stufenweise Wiedereingliederung nach § 28 SGB IX a.F. gehört zu den medizinischen Rehabilitationsleistungen, für die nach §§ 6, 5 SGB IX die gesetzliche Krankenversicherung zuständig sein kann.

Als ergänzende Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung kommt ein Anspruch auf Fahrkostenerstattung auch dann in Betracht, wenn während der Maßnahme weder ein Anspruch auf Krankengeld noch auf Übergangsgeld besteht.

LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2020 – L 6 KR 100/15

Benachteiligung wegen Schwerbehinderung?

Wird ein schwerbehinderter Stellenbewerber bei einem mehrstufigen Auswahlverfahren nach dem Vorstellungsgespräch nicht mehr zu den weiteren Stufen des Auswahlverfahrens eingeladen, weil der Arbeitgeber sich nach dem Vorstellungsgespräch gegen den schwerbehinderten Stellenbewerber entschieden hat, lässt sich daraus nicht die Vermutung herleiten, der Stellenbewerber habe aufgrund seiner Schwerbehinderung keine weitere Berücksichtigung gefunden.

ArbG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.17
LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.09.2018 – 7 Sa 227/18
Urteil des BAG vom 27.08.2020, Az.: 8 AZR 45/19

Anspruch auf behinderungsgerechten Arbeitsplatz

Sicherheitsaspekte rechtfertigen keine Kündigung eines Menschen mit körperlicher Behinderung.

Auch dann nicht, wenn ein eventuelles Evakuierungsszenario besteht.

Vor allem dann nicht, wenn der Arbeitgeber nicht die ihm obliegenden Verpflichtungen aus § 3a Abs. 2 ArbStättV und § 10 ArbSchG zur barrierefreien Gestaltung von Arbeitsplätzen erfüllt hat.

LAG Hessen, Urteil vom 21.01.2020, Az: 15 Sa 449/19

Krankheitszeiten

SBV kann nur Krankheitszeiten Schwerbehinderter und Gleichgestellter einsehen

Zu den Überwachungsaufgaben der SBV gehört auch, ob der Arbeitgeber das betriebliche Eingliederungsmanagementnach § 167 Abs. 2 SGB IX ordnungsgemäß durchführt.
Nach Auffassung des LAG bezieht sich diese Überwachungspflicht allerdings nur auf die schwerbehinderten Arbeitnehmer, während § 167 Abs. 2 SGB IX sich auf alle Beschäftigten bezieht.

Daher habe die SBV Anspruch auf die quartalsweise Herausgabe von Listen der Beschäftigten, die in den zurückliegenden zwölf Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig krank waren und bei denen ein betriebliches Eingliederungsmanagementeingeleitet wurde.

Allerdings nur die der schwerbehinderten Arbeitnehmer und nicht für die gesamte Belegschaft.

LAG Hamm, Beschluss vom 10.01.2020, 13 TaBV 60/19

Benachteiligung bei interner Bewerbung im ÖD

Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers – Einladung zu einem Vorstellungsgespräch – interne Stellenausschreibung

Geht dem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, muss er diese nach § 82 Satz 2 SGB IX in der bis zum 29. Dezember 2016 geltenden Fassung (aF)* zu einem Vorstellungsgespräch einladen.

Das gilt auch bei einer (ausschließlich) internen Stellenausschreibung.

BAG, Urteil vom 25. Juni 2020 – 8 AZR 75/19 –
Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg, vom 1. November 2018 – 21 Sa 1643/17 –

Vorstellungsgespräch – Wer muß beweisen

Die Einladung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Bewerbers zum Vorstellungsgespräch muss der öffentliche Arbeitgeber weder förmlich zustellen noch den Zugang der Einladung nachweisen.

Leitsätze vom Gericht:

  1. Die Verletzung der in § 165 Satz 3 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Diese Pflichtverletzung ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an einer Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht interessiert zu sein.
  2. Von einem Desinteresse des öffentlichen Arbeitgebers an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen ist nicht auszugehen, wenn der Arbeitgeber eine Einladung ordnungsgemäß auf den Weg gebracht hat. Das Gesetz sieht keine bestimmte Form der Einladung vor. Insbesondere ist der öffentliche Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Einladung förmlich zuzustellen.
  3. Der schwerbehinderte Bewerber hat nach § 22 AGG die Indizien zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Das gilt auch für die Behauptung, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Da es sich um den Beweis einer negativen Tatsache handelt, trifft den Prozessgegner in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind. Der Beweispflichtige genügt dann der ihm obliegenden Beweispflicht, wenn er die gegnerische Tatsachenbehauptung widerlegt oder ernsthaft in Frage stellt.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.01.2020, 5 Sa 95/19