Archiv

Inklusion leben

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, stellt unter dem Motto: „nicht kleckern, sondern klotzen“, seine Arbeitsschwerpunkte der kommenden Legislaturperiode in einer Presseerklärung vor.

Freistellung von angeordneten Bereitschaftszeiten

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat einen Anspruch eines schwerbehinderten Beschäftigten auf Freistellung von als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten bestätigt. Die Anordnung von Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft ist grundsätzlich vom Direktionsrecht des AG umfasst.
§ 207 SGB IX verbietet – nach entsprechendem Verlangen – die Anordnung von Mehrarbeit. Mehrarbeit ist jede über gesetzliche regelmäßige Arbeitszeit des § 3 S. 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit. Trotz Schutz des § 207 SGB IX ist auch ein schwerbehinderter Mensch grundsätzlich zur Leistung von Bereitschaftszeiten verpflichtet, soweit damit keine Mehrarbeit verbunden ist.
Ein Verstoß gegen § 207 SGB IX kann jedoch dann vorliegen, wenn es sich bei den Bereitschafszeiten insgesamt um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes handelt. Arbeitszeit liegt insbesondere dann vor, wenn Beschäftigte während der Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft objektiv gesehen so erheblichen Einschränkungen unterworfen sind, dass sie ihre Zeit, in der ihre beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen wird, nicht hinreichend frei gestalten und sich eigenen Interessen widmen können.

BAG, Urt. v. 27.7.2021 – 9 AZR 448/20

Kurzarbeit kürzt den Urlaub

Im vorliegenden Fall hat das BAG eine kontrovers diskutierte Frage abschließen entschieden. Es ging um die Frage, ob ein Arbeitgeber bei Kurzarbeit Null den Urlaub der Beschäftigten anteilig kürzen darf. Der Arbeitgeber verglich hier Teilzeitbeschäftigung mit Kurzarbeit. Auch während der Kurzarbeit seien die Leistungspflichten ausgesetzt und ohne Arbeitspflicht entstünden keine Urlaubsansprüche, so die Argumentation. Der Arbeitgeber kürzte den Urlaubsanspruch anteilig für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null um 1/12 was das BAG nun als rechtens angesehen hat.

BAG vom 30. November 2021 – 9 AZR 225/21

Entschädigungsanspruch

Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG – Benachteiligung schwerbehinderter Menschen

Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ohne vorherige Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes begründet die Vermutung i.S.v. § 22 AGG, dass er oder sie wegen der Schwerbehinderung benachteiligt worden ist.
Grundsätzlich kann auch bei der Berechnung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG vom Bruttomonatsgehalt ausgegangen werden.
Die Kündigung stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG dar, der eine Entschädigung von vier Gehältern rechtfertigen kann. 

Eigentlich ging es aber in dem Urteil um Abtretung und Pfändung des Anspruches auf Entschädigung wegen des immateriellen Schadens. Dieser fällt auch in die Insolvenzmasse (im Anschluss an BGH 18.06.2020 – IX ZB 11/19 -). Der benachteiligte Mensch bleibt zwar Anspruchsinhaber, verliert aber die Befugnis, das Recht in eigener Person geltend zu machen. Der Insolvenzverwalter kann den Betroffenen aber ermächtigen, das Recht im eigenen Namen zur Zahlung an den Insolvenzverwalter geltend zu machen

LAG Baden-Württemberg 17.05.2021 Az: 10 Sa 49/20

Datenschutz ist Seminarthema der SBV

Datenschutz und Gleichbehandlung (AGG) sind Themen der SBV –

Im vorliegenden Fall ging es um die Freistellung und Übernahme von Seminargebühren und Hotelkosten für die Teilnahme einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen an einem Seminar zum Thema: Datenschutz und Gleichbehandlung. Die Arbeitgeberin lehnte Kostenübernahme wegen fehlender Erforderlichkeit ab. Eine Seminarteilnahme darf die SBV laut LAG für erforderlich halten, wenn die vermittelten Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb notwendig sind. Das war hier beim AGG-Teil der Fall. Ist das Seminar auf die Vermittlung von Spezialwissen ausgerichtet – wie in diesem Fall der datenschutzrechtliche Teil der Veranstaltung – ist zu hinterfragen, ob dieses Spezialwissen für die aktuelle Situation in der Dienststelle erforderlich ist, also für die praktische Arbeit benötigt wird. Das war im vorliegenden Fall gegeben, da aktuell datenschutzrelevante Fragen in der Dienststelle diskutiert wurden und die SBV darin involviert war.

LAG Berlin-Brandenburg (09.03.2021) Az 11 TaBV 1371/20

Nach oben